Es waren nun mittlerweile acht Stunden vergangen und Anastasia war immer noch nicht heimgekommen. Normalerweise war sie nicht so und verschwand nicht spurlos, weswegen ich mir nun auch umso mehr Sorgen machte. Wie eine Löwenmama tigerte ich im Wohnzimmer auf und ab. Still sitzen konnte ich nicht und das wusste Matt genauso gut wie ich. Deswegen saß er nun im Sessel und beobachtete mich wie ich auf und ab ging. das machte nicht nur mich wahnsinnig sondern auch ihn. Er hat jedoch mit allen Mitteln versucht mich zu beruhigen und gut auf mich einzureden. Nichtsdestotrotz machte ich mir Sorgen.
"Emily.." seufzte Matt müde und fuhr mit seiner Hand einmal über sein Gesicht. "Sie tut sowas nicht, sie meldet sich. Immer." nuschelte ich vor mich hin als ich einen Schritt vor den anderen setzte. Matt ließ sich in den Sessel nach hinten fallen. "Sie ist sechzehn, sie weiß was sie tut und wie sie handelt. Schatz, gib ihr ein bisschen Freiraum. Es war auch nicht leicht für sie heute". Ich blieb stehen und drehte mich zu meinem Freund. "Nicht leicht? Weißt du wie es für mich heute war? Meinen Ex sehen zu müssen und zu erfahren, dass er Kontakt zu meiner Tochter aufgenommen hat, obwohl ich es ihm verboten hatte? Nicht zu vergessen, dass sie gesagt hat, dass sie mich hasst. Das hat sie noch nie gesagt" letzteres hauchte ich leise. Anastasia hatte noch nie zu mir gesagt, dass sie mich hasst. Wir waren wie ein eingespieltes Team, sie kam zu mir mit ihren ganzen Sorgen. Zwar wurde sie oftmals stinkig oder sauer, jedoch hatte sie trotzdem dies noch nie zu mir gesagt und ihre Worte taten mir weh. "Das hat sie nicht so gemeint und das weißt du" Matt stützte seine Arme auf seinen Oberschenkeln ab und sah mich ernst an. Ich sah ihn jedoch nicht an. Dann seufzte er wieder und griff sanft nach meiner Hand. "Hey" hauchte er und zog mich an der Hand zu sich. Ich setzte mich auf seinen Schoß und sah ihm in die Augen. "Ihr geht es gut. Sie ist bestimmt bei ihrer Freundin und kotzt sich gerade aus wie ätzend alles ist. Sie meldet sich bestimmt bald oder auch morgen" er legte die Stirn gegen meine und schloss die Augen. Ich machte es ihm gleich und lauschte seinen Worten. Langsam fuhr nun auch mein Adrenalin runter und ich konzentrierte mich auf ihn. Die Stille war angenehm und nur unseren Atem konnte man leicht hören. Matt legte seine Hand auf meine Wange und sah mir in die Augen. "Gib ihr ein wenig Zeit. Sie wird zurückkommen". Ich sah in seine Augen und fühlte mich gleich sicherer. Er gab mir halt und das brauchte ich gerade. Leicht lächelte ich und nickte bevor ich meine Augen wieder schloss und mein Kopf auf seine Schulter legte. Sanft legte er seine Arme um mich und drückte mich an sich. "Es wird alles wieder gut" flüsterte er mir ins Ohr. Langsam atmete ich aus und vertraute auf seine Worte.
Am nächsten Tag saß ich am Tisch und einige Blätter lagen um mich herum. Mit klopfendem Herzen saß ich auf dem Stuhl und konzentrierte mich auf das regelmäßige Piepen welches aus meinem Handy kam. "Dieser Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreich-" ging die Mailbox an und genervt legte ich auf. Ich stützte meinen Kopf gegen meine Hand welche noch das Handy fest im Griff hatte. Ich überlegte. Ich wusste nicht mehr weiter. Meine Tochter hatte sich immer noch nicht gemeldet und allmählich wurde ich krank vor Sorge. Ich wusste nicht wo sie war oder wo sie sich rumtrieb.
Dann auf einmal kam Matt zur Haustür herein und ich sah ihn fragend an. Als ich jedoch sein Kopfschütteln sah verflog die kurze Hoffnung. "Hast du alle durchtelefoniert?" fragte er mich. Mit einem Nicken bestätigte ich seine Aussage. Es war zum Niederknien. Seit zwanzig Stunden hatte ich nichts von Anastasia gehört und je mehr Stunden, Minuten und Sekunden vergingen umso mehr häufte sich meine Angst an. Immer wieder malte ich mir das Schlimmste aus was ihr alles passiert sein hätte können. Ich hatte alle Freunde, alte Klassenkameraden, Bekannte, Familienmitglieder, einfach alle die mir eingefallen sind abgeklappert. Doch niemand hatte etwas von ihr gehört oder sie gesehen.
"Ich fahr zur Schule" sagte ich und stand sofort auf. Ohne Matt anzusehen lief ich an ihm vorbei und zog mir die Schuhe an. "Ich komme mit dir" fing Matt an, doch ich unterbrach ihn sofort. "Nein, du bleibst hier. Falls sie wieder hierher kommen sollte". Somit stand es fest und ich lief schon aus der Tür.
An der Schule angekommen ging ich ins Sekretariat und erzählte ihnen, dass Anastasia verschwunden war und ich sie seit gestern nicht finden konnten. Ich hatte noch die Hoffnung, dass vielleicht ihre Klassenkameraden irgendetwas von ihr gehört hatten oder ihre Freunde etwas wüssten. Mit kurzem Abklären der Rektorin machten sie eine Durchsage durchs komplette Schulhaus und bat bei irgendwelchen Informationen, die sie wussten sich sofort im Sekretariat zu melden. Während ich auf irgendwelche Reaktionen oder auf Personen wartete, die sich melden würden fragte ich mich was ich falsch gemacht hatte. Hätte ich ihr doch hinterher laufen sollen und sie mit nach Hause nehmen sollen? Ich war zu Stolz gewesen um ihr hinterher zu laufen. Hätte ich meinen Stolz damals nur zur Seite gelegt.
Ich wartete noch lange im Sekretariat doch niemand kam und mein Hoffnungsschimmer wurde erneut kleiner. Laut seufzte ich auf und riss mich zusammen nicht zu weinen. Wieder dachte ich nach wo ich noch suchen könnte und dann fiel mir tatsächlich noch ein Gedanke ein.
Ich fuhr zu Joachim nach Hause.
Während ich zu ihm fuhr hoffte ich, dass er nicht umgezogen war. Das hätte ich gerade echt nicht gebrauchen können. Es war schon demütigend, dass ich zu Joachim fuhr, doch in diesem Moment war es mir sowas von egal. Ich musste meine Tochter finden und das hatte Priorität. Während der Autofahrt dachte ich an die schönen Momente, die ich mit Ana hatte und sie fehlte mir so unfassbar sehr, dass ich keine Luft mehr bekam. An dem Tag ihrer Geburt war ich so unfassbar glücklich und mit allem Gute gesegnet worden. Sie war schon von kleinauf ein starkes Mädchen. Und ich erinnerte mich noch genau an den Moment als ich sie einmal vom Kindergarten abgeholt hatte und sie weinend und mit dreckigen Knien zu mir gelaufen kam. An diesem Tag hatte sie ein kleiner Junge geärgert und sie in den Dreck geschubst. Ich erklärte ihr, dass sie sich nicht alles gefallen lassen muss. "Du musst dich stark machen, Ana. Denn wenn du dich klein und unsichtbar machst, dann werden sie dich auch so behandeln" ich strich ihr über ihre kleine Wange. "Du bist stark und das weißt du. Morgen gehst du zu ihm hin und sagst ihm, dass du dir das nicht gefallen lässt und dass es nicht schön ist sowas zu machen. Es hat etwas an Stärke, wenn du dich gegen solche Personen wehrst. Für dich und die anderen denen das auch passiert ist. Das wirst du noch bemerken, wenn sie anfangen dich zu respektieren. Du bist stark, Anastasia".
Ich atmete einmal tief durch und wischte mir meine Tränen aus dem Gesicht. Ich werde auch stark sein, für mich und für Ana. Ich würde bis zum Schluss für sie kämpfen auch wenn meine Hände voller Schrammen und Blut sind. Ich würde alles für sie tun.
Ich werde sie finden.
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Her pale fire | Band 3
RomanceNach all dem was passiert war, baute sich Emily ein komplett neues Leben auf. 16 Jahre waren nun vergangen und einiges hatte sich geändert. Sie hatte nun einen festen Job in einem Krankenhaus als Chirurgin nachdem sie ihr Abitur und ihr Studium erfo...