47

60 3 0
                                    

"Bist du fertig?" rief Matt die Treppe hinauf und richtete seinen Kragen zurecht. "Ja!" rief ich zurück und sah mich im Spiegel an. Mit meinen Händen lehnte ich mich gegen das Waschbecken des Badezimmers und sah mich im Spiegel an. Meine Augen waren völlig leer, sie strahlten nicht wie sonst immer vor Freude. Nein, heute war ihr Licht ausgelöscht worden. Ich ließ den Kopf hängen und atmete einmal tief durch. Bilder kamen sekundenschnell in meinem Kopf so wie ein Filmriss. Eins nach dem anderen erschien vor meinem innerlichen Auge. Das ging so schnell, dass es sich wie ein Stummfilm zog. Der Tag an dem ich eine Fehlgeburt hatte.. Es fraß mich auf, wenn ich mir vorstellte in einen Garten zu treten wo lauter Kinder zusammen herumsprangen und umherannten. Die Tatsache, dass Anastasia verschwunden war setzte dem elendigen Topf des dunklen Schicksals den Deckel auf. Ich weiß nicht wie lange ich dies noch ertragen konnte. All das fraß mich innerlich auf, ich brauchte etwas Sonnenschein in meinem Leben.

"Du musst dir vergeben". Diese Worte von Joachim kamen immer wieder durch meinen Kopf geflogen. Je länger ich über alles nachdachte, erkannte ich dass er recht hatte. Es war nicht meine Schuld, aber es fühlte sich trotzdem so an als wäre ich Schuld daran gewesen. Ich heilte nur sehr langsam.

"Hey" hauchte leise Matt und ich sah auf. "Bist du okay?" er kam mir näher und legte seine Hände an meine Arme. "Ja, ich denke schon" hauchte ich zurück. "Bist du dir sicher, dass du hingehen möchtest? Wir können auch absagen und sagen, dass wir es nicht schaffen". Ich schüttelte jedoch den Kopf. "Das würde sie mir nicht verzeihen" gab ich nachdenklich von mir. "Es ist deine Freundin, natürlich wird sie es dir verzeihen" Matthew lächelte mich ermuntert an und versuchte mir somit Mut zu machen. Das Dumme war nur, dass sie es nicht wusste. Olivia hatte eine Geburtstagsfeier für ihre zwei Söhne organisiert und lud uns ein. Ich konnte da nicht absagen, es ist meine Freundin. Jedoch erzählte ich ihr nicht von meiner Fehlgeburt. Seitdem wir drei verschiedene Wege gingen, jeder seinen, sahen wir uns nun noch weniger. Ich wollte sie nicht beunruhigen oder dass sie sich Sorgen machen würde. Ich wollte, dass dies unter Matt und mir blieb. Joachim war da irgendwie mit reingerutscht.

"Gehen wir" sagte ich und lief an ihm vorbei. Matthew sah mir hinterher, doch ich war schon um die Ecke verschwunden und lief die Treppe hinunter. Er war ein wenig traurig darüber, dass ich ihn nicht einmal angesehen hatte oder ihm einen Kuss gegeben hatte.

Unsere Beziehung war distanzierter als zuvor. Doch dies bemerkte ich nicht wirklich und Matt wollte mich damit nun auch nicht belasten. Somit stiegen wir ins Auto und fuhren zu der Geburtstagsfeier.

Ich stieg aus dem Auto aus und atmete einmal tief durch. Matt sah mich einmal an. Ich erwiderte seinen Blick und nickte nur. Er nahm meine Hand und spürte, dass sie kalt war. Meine Nerven lagen blank. "Wir kriegen das hin" flüsterte er mir leise zu als wir vor der Haustüre standen. Ich nickte jedoch erneut und zog meine Hand aus seiner.

Matt klingelte und Olivia öffnete sofort die Haustüre. "Emily!" rief sie freudig und umarmte mich sofort. "Es sind Ewigkeiten her als wir uns gesehen haben". "Und Matthew, schön euch zu sehen!" sie umarmte auch Matt bevor sie uns ins Haus zog. "Hübsch habt ihr es euch hier gemacht" sagte ich und sah mich um. Das Haus war schlicht und sehr hell eingerichtet. Der Marmorboden umrundete das Gesamtbild und gab dem Haus etwas Kontrast. Bilder von Olivia und ihrem Mann hangen an der Wand. Daneben hingen Bilder von ihren zwei Söhne. Ich war hin und weg als sie mir vor einigen Jahren erzählt hatte sie wäre schwanger mit Zwillingen. Ich hatte sie das letzte Mal gesehen als sie noch sehr klein waren und gestillt wurden.
Heute wurden die Zwillinge zehn und Olivia wollte unbedingt groß feiern. "Kommt rein, kommt rein!" lächelte sie und winkte hinein in die Wohnung. "Ihr habt etwas umgebaut oder?" stellte ich fest, dass nun eine dicke Kücheninsel mitten in der Küche stand. "Ein wenig, ich wollte schon immer eine Kücheninsel haben" grinste Olivia und dachte an den ganzen Stress, den sie hatte als der Umbau stattgefunden hatte für die Küche. "Ein wenig?" gab ich sarkastisch von mir als ich sie ansah. Sie haben die komplette Küche und das Wohnzimmer umgebaut. "Ja gut ein wenig" lachte Olivia. "Ein wenig? Das nennst du wenig?" kam nun Olivia's Mann dazu und legte seinen Arm um sie. "Was sie mich Nerven gekostet hatte" grinste er Matt und mich an. "Jetzt übertreib doch nicht. Es sieht doch viel besser aus" sagte Olivia und zeigte mit ihren Händen auf das Wohn- sowie Esszimmer. "Wie du meinst" sagte Olivia's Mann nur uns verdrehte grinsend die Augen. "Wie geht es euch eigentlich? Immer noch im Medizinstress, Emily?". Ich nickte. "Alles beim Alten" lächelte ich. "Und du Matt? Was machst die Firma?". "Sie raubt mir meine Nerven" grinste nun auch Matt. Verwirrt sah ich Matt an. Was raubte ihm dort die Nerven? "Komm, ich bring dir ein Bier" sagte mein Gegenüber zu Matt. Zusammen gingen sie zum Kühlschrank. "Hast du eigentlich das Spiel am Samstag gesehen?" hörte ich beide nur noch reden bevor sie fort waren.

"Und Em, wie gehts dir wirklich?" fragte Olivia und nahm zwei Getränke von der Theke und reichte mir dann eins. "Es ist alles gerade stressig, aber naja" sagte ich und nippte am Getränk. "Hast du was von Anastasia gehört?" fragte sie nun ernster. Ich schüttelte jedoch meinen Kopf. Ich wollte nicht, dass die Stimmung kippen würde und wechselte deswegen schnell das Thema. "Ist Sandra auch da?" fragend sah ich sie an. Sie schüttelte jedoch den Kopf. "Sie ist gerade mit ihrer Familie verreist, irgendwo im Süden" lächelte sie schwach. Sie wünschte sich insgeheim, dass auch Sandra hier wäre und wir uns so unterhalten konnten wie zu Schulzeiten. Ich merkte, dass sie ein wenig traurig darüber war und versuchte auf den Geburtstag der Kinder zu lenken. "Wo sind eigentlich deine Jungs? Ich muss doch Ihnen gratulieren und ihnen ihre Geschenke überreichen" sagte ich und schritt Richtung Terreassentür wo sich alle aufhielten. "Sie sind in der Hüpfburg glaube ich, warte ich rufe sie" sagte Olivia. Als ich einen Schritt nach draußen wagte hielt ich meinen Atem an. Es waren echt einige Kinder da und hatten Spaß. Ich musst sofort an Anastasia denken. Ich bekam keine Luft, mir wurde schwindelig. "Schaut mal, da ist Tante Emily!" rief Olivia und zeigte auf mich. Ich musste mich zusammenreißen.

"Tante Emily!" riefen beide wie im Chor und kamen auf mich zu gerannt. Ich stellte das Getränk auf die nächste Ablage und kniete mich zu den Beiden. "Hallo ihr zwei! Wie geht es euch?" lächelte ich die beiden an. "Gut" kicherten beide vor sich hin. "Ich wünsche euch alles Gute zum Geburtstag!" lächelte ich während ich beide umarmte. "Was sagt man dann?" flüsterte Olivia den Zwillingen zu. "Danke" sagten sie. "Ich habe euch etwas mitgebracht" sagte ich zu ihnen und überreichte die Geschenke. "Ohh danke!" entkam es den Beiden nur bevor sie das Geschenkpapier vom Geschenk abrissen und sich das Spielzeug ansahen. Schon waren sie weg und zeigten das neue Spielzeug den anderen Kindern.

"Danke, Emily. Das wäre nicht nötig gewesen" sagte Olivia und beobachtete wie ich die Kinder beim Spielen. "Doch das war es, es ist ihr Geburtstag!" lächelte ich sie an. Sie schenkte mir nur ein dankbares Lächeln. "Schatz! Kommst du schnell?" rief Olivias Mann und der Vater der Zwillinge ihr zu. Sofort lief sie zu ihm. Im gleichen Augenblick kam Matt zu mir und stellte sich neben mich. "Bist du okay?" fragend sah er mich an. "Ja" hauchte ich ihm zu. "Bist du sicher?" flüsterte er mir zu und legte seine Hand um meine Taille. Ich wich jedoch zurück und gab nur ein schnippisches "Ja" von mir. Matt seufzte auf. "Was ist denn jetzt schon wieder?" sagte er leise zu mir. "Ich will jetzt nur nicht angefasst werden, ist das so schwer zu verstehen?". "Nein, du musst es mir nur sagen. Woher soll ich denn das wissen?" gab er genauso schnippisch an mich zurück.

"Was hast du eigentlich damit gemeint, dass auf der Arbeit dir die Nerven geraubt werden?" fragte ich ihn ohne ihn anzusehen. "Weil die Arbeit mich Nerven kostet, da wir auch unterbesetzt sind" sagte er nur knapp. "Und wieso sagst du mir das nicht?" ich sah ihn an. "Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, nicht wahr?" gab er nur von sich ohne mich anzusehen. Er nahm noch einen Schluck von seinem Bier und ging in den Garten und unterhielt sich mit Gästen so als wäre nichts los. Fassungslos sah ich ihn an. Was meinte er nun damit? Hatte er Geheimnisse vor mir?

Auch ich nahm einen großen Schluck von meinem Getränk. Etwas verärgert sah ich Matt an und musterte ihn. Ich bekam nicht mal mit, dass Olivia das Spektakel mitansah. Auch sie merkte, dass zwischen Matt und mir etwas nicht stimmte.

Her pale fire | Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt