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Joachim's Gesichtsfarbe verblasste sofort und er sah mich kreidebleich an. Das hatte er nun mal auf jeden Fall nicht erwartet. Er musste erst einmal schlucken, sowas hörte man auch nicht jeden Tag. Er räusperte sich kurz bevor er sprach. Er wusste nicht mal was er überhaupt sagen sollte. Was sollte man in so einem Moment antworten?
"D-du warst.. schwanger?". "Ich wusste es selber nicht" sprach ich diese Worte aus und sie taten mir unfassbar weh. Meine Augen füllten sich schlagartig mit Tränen. "Ich hatte eine Fehlgeburt im OP" keuchte ich auf und nun brach alles aus mir heraus. Ich weinte mir die Seele aus dem Leib. Heiße Tränen rannten mir übers Gesicht. Joachim überlegte nicht lange und nahm mich in den Arm. Ich wusste nicht wie lange wir so saßen, nur wusste ich dass mir irgendwann der Kopf weh tat.

"Komm, leg dich hin" hauchte er mir zu und machte ein wenig in seinem Bett Platz. Normalerweise würde ich dieses Angebot nicht annehmen, doch in diesem Moment brauchte ich jemanden der für mich da war und mich aufbaute. Joachim legte sich ebenso aufs Bett sodass er an der Wand lag und ich gleich neben ihm. Zuvor streifte ich mir noch meine Schuhe irgendwie ab. Behutsam legte er seine Decke über uns. Er achtete darauf, dass keine Stelle meines Körper nicht bedeckt war, sodass ich nicht fror.

Meine Tränen liefen nach wie vor meine Wangen herunter und ich konnte sie nicht stoppen. Joachim legte seine Hand auf meinen Kopf und strich über ihn. "Du kannst nichts dafür, du konntest es doch nicht wissen" hauchte er mir zu. "Hätte ich nur ein Test gemacht" schluchzte ich kaum hörbar. "Dann müsstest du täglich einen Test machen und das ist schwachsinnig. Hör auf dir Vorwürfe zu machen. Du hast keine Schuld daran". Ich dachte über Joachim's Worte nach. Er hatte Recht, wie hätte ich es auch wissen können? Ich kann ja nicht jeden Tag einen Test machen, vor allem da Matt und ich es schon seit Jahren versucht hatten ein Kind zu bekommen. Wer weiß, vielleicht war es auch überhaupt nicht richtig entwickelt und deswegen war es passiert.. Ich wusste es nicht.
Meine Gedanken machten mich verrückt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden dann meine Tränen weniger und ich verarbeitete langsam das alles. Ich war erschöpft. "Am Besten meldest du dich morgen bei deinem Frauenarzt" hauchte er mir leise zu. Langsam nickte ich.

Dann auf einmal bemerkte ich, dass er mir immer noch langsam über den Kopf strich. Ich bekam Schuldgefühle. Er war doch selber noch nicht hundertprozentig gesund und trotzdem war ich hier und heulte ihm meine Sorgen aus. "Es tut mir leid" hauchte ich leise und sah weg. Sofort hielt er inne. "Was meinst du?" verwirrt sah er zu mir herab. Ich sah jedoch nicht auf. "Dass ich hier bin und dich mit meinen Problemen quäle, obwohl du dich lieber um dich selbst kümmern müsstest".

"Emily?" ertönte seine Stimme ruhig. Ich wartete bis er etwas sagte, doch als nichts kam hob ich meinen Kopf und sah ihn an. "Wirst du aufhören dir ständig sowas vorzuwerfen? Wieso sollest du mich quälen?" er sah mich an. "Was redest du da für einen Mist zusammen? Ich hätte dich sofort als ich wusste, dass du das warst wegschicken können. Ich hätte sofort als ich dich das erste Mal hier im Krankenhaus gesehen habe von mir fortschicken können, aber ich habe dies nicht gemacht. Weißt du warum?" Joachim sah mich an. Ich hingegen sah ihn nur fragend an. "Weil ich mich gefreut habe dich wieder zu sehen. Als ich dich hier gesehen hatte als ich dachte, dass ich hier abkratzen würde war ich beruhigt und froh dich hier zu sehen". Joachim legte sich auf den Rücken und sah zur Zimmerdecke hinauf. "Wir sind zwar nicht mehr zusammen, aber dürfen wir denn auch nicht mehr den Anderen sehen, beziehungsweise sollten wir uns weiter aus dem Weg gehen?" Joachim betrachtete die Decke als würde dort oben ein ganzes Farbspektakel laufen. Kurz sah ich hinauf zur Decke, doch dort war nichts. "Weißt du, ich bin froh, dass ich mich mit dir unterhalten kann wie früher, naja wenigstens ein Stück. Mir haben wenn ich ehrlich bin unsere Unterhaltungen gefehlt und das kann nur etwas banales sein" erzählte Joachim und ich sah ihm ruhig dabei zu. Ich versuchte zu verstehen was er mir sagte. "Du hast mir gefehlt" Joachim sah zu mir und lächelte mich an. Ich stockte sofort und mein Herz setzte für einen Moment aus. "Also, ich hoffte ich trete dir jetzt nicht zu nah" Joachim sah mich nun nachdenklich und verunsichert an. Auf meinem Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus. "Nein, alles gut".

Es kehrte eine angenehme Stille ein und mein Körper fuhr langsam runter. "Darf ich dich was fragen?" patze es schon fast aus mir raus ihm diese Frage zu stellen. Joachim lenkte mich ab und diese Ablenkung brauchte ich in diesem Augenblick mehr als ich dachte. "Sicher doch" er legte sich ein wenig schräg hin, sodass er mich gut ansehen konnte. Sein Blick lag ruhig auf mir. "Bist du glücklich in deinem jetzigen Leben?". Ich sah ihn an und blickte direkt in seine blauen Augen in denen ich mich schon so oft verloren hatte. Joachim überlegte einen Augenblick, was mich ein wenig verwunderte. Ich dachte, dass er auf Anhieb Ja sagen würde. "Das ist eine schwierige Frage, da mal die jetzige Situation berücksichtigen müsse" hauchte er leise. Er meinte Anastasia. Ein Stich durchfuhr mein Herz als ich an sie dachte. "Weißt du, vor all dem was nun in den letzten Monaten geschehen war hätte ich ja gesagt, denke ich. Selbstverständlich könnte man einiges anders machen, aber ich dachte ich wäre glücklich" sagte er. Ein wenig war ich schon überrascht von seiner Antwort, da ich wirklich dachte er würde sofort sagen, dass sein Leben gut war. "Jetzt sehe ich aber, dass mein Leben nicht perfekt war und ich auch nicht hundertprozentig glücklich war. Was eigentlich komisch ist wenn ich jetzt darüber nachdenke. Aber ich würde deine Frage mit einem Nein beantworten. Es gibt vieles was ich nun anders machen würde" nachdenklich sah Joachim auf die Bettdecke. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass er nein sagen würde. Dies regte mich auch zum Denken an. Im Nachhinein, wenn ich nun so über meine letzten Jahre nachdachte, dachte auch ich, dass ich glücklich gewesen wäre, aber nun merkte ich ebenso dass etwas fehlte ein kleiner.. oder sogar ein grosser Teil..? Ich hätte Matthew nicht so oft anlügen dürfen, ich hätte offener in meiner Beziehung sein müssen. Ich hätte Anastasia besser beschützen sollen, ich hätte nicht so egoistisch sein dürfen und meine Bedürfnisse und Gefühle vor die meiner Tochter und unserer Familie stellen dürfen im Bezug auf Joachim's und Anastasia's Vater-Tochter-Bindung. Ich hätte..- Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu denken und das bemerkte Joachim. "Emily" hauchte er sanft in einem ruhigen Ton mir entgegen.

"Wenn du irgendetwas oder mich brauchst, ich bin da" lächelte er mich an. In meiner Brust breitete sich ein warmes Gefühl aus und in mir Kribbelte es angenehm. "Joachim?" auch er sah zu mir. "Ich bin genauso für dich da" lächelte ich. Ein breites Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht ab. "Ich bin für dich da" hauchte ich leiser und kuschelte mich ins Kopfkissen völlig erschöpft hinein.

"Joachim?" murmelte ich halb verschlafen noch. "Ja?" mein Gegenüber sah mich an was ich jedoch nicht mehr wahrnahm. "Ich danke dir... Vielen Dank, für alles" hauchte ich leise diese Worte bis ich dann komplett einschlief und im Land der Träume war. Auf seinem Gesicht bildete sich ein Lächeln ab während er mich ansah. Vorsichtig strich er mir mit einem Finger die Wange entlang und trocknete die letzten Tränen. "Nicht dafür.. Gute Nacht, und erhol dich, du brauchst es" flüsterte er leise.

Her pale fire | Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt