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Am Sekretariat wurden wir schon von der Polizei empfangen. Sie unterhielten sich gerade mit einem Mädchen während die Lehrkraft ebenso dort stand und das Geschehen beobachtete. Etwas verwirrt sah ich mich in der Situation um, denn ein wenig war ich schon überfordert gewesen. Als sie uns dann bemerkten erkannte ich, dass es sich hier um Ana's Freundin Elin handelte. Sofort erkannte ich sie als sie mich ansah. In einem Zug ließ ich Joachim's Hand los und lief schneller auf sie zu. "Elin? Was hast du damit zu tun? Weißt du wo Anastasia ist?" fassungslos sah ich sie an ohne die Polizisten zu begrüßen. Während ich mich mit der Schülerin befasste, unterhielt sich Joachim mit seiner Kollegin. Wir waren schließlich an Joachim's Arbeitsplatzes. "N-nein, ich, sie" fing sie an ihre Worte zu suchen während ich mich an jedes einzelne Wort festbiss. "I-ich weiß nicht wo sie ist, wirklich" sagte sie und ich sah ihr förmlich an, dass sie die Wahrheit erzählte. Doch, was sollte das dann alles hier?

"Ihre Tochter hat am Tag ihres Verschwindens bei ihr angerufen" sagte einer der Polizisten und deutete auf Ana's Freundin. "Und was hat sie gesagt?!" patze ich sie an. "Sie meinte nur wie ihre Mutter nur könnte und wie sauer sowie traurig sie war". Ich atmete einmal aus. All die Hoffnung war wieder verloren. Sie wusste ebenso nicht wo Ana sein konnte. "Hättest du nicht Unterricht gehabt?" mischte sich nun Joachim ein und sah sie skeptisch an. Ich sah Joachim an während ich ihm jedes Wort von den Lippen abließ. Er hatte recht. Als all das hier geschah war die zweite Pause gerade im Gange. "Sie rief mich auch gleich nach dem Streit an, unser Lehrer kam an dem Tag etwas später zum Unterricht" etwas überfordert sah sie zwischen Joachim, ihrer Lehrerin und den Polizisten hin und her. Ich sah ihr an, dass sie Angst hatte. Joachim sah seine Kollegin fragend an, sie nickte. "Das wurde überprüft, es stimmt was sie sagt". "Von wo hat sie angerufen? Wo war sie zu dem Zeitpunkt?" wieder sah ich das Mädchen an. Doch sie schüttelte nur den Kopf. "Ich weiß es nicht, das hat sie nicht erwähnt. Innerlich seufzte ich auf. "Kann man den Anruf nicht zurückverfolgen? Wo sie zuletzt war?" fragend sah Joachim die Polizisten an. "Das haben wir auch vor, jedoch ist dies schon einige Tage her, deswegen könnte sie schon längst wo anders sein" erklärte die Dame. "Dann machen sie das bitte" ich sah die beiden an. "Das werden wir" gab der Polizist wieder. Wieder ein Schuss ins Dunkle. Während die Polizisten sich noch einmal mit dem Mädchen und der Lehrerin unterhielten, ging ich auf Abstand. Ich konnte das alles bald nicht mehr. Ich setzte mich an der nächsten Ecke an die Wand und kämpfte mit den Tränen. Joachim bekam das mit und lief mir nach.
"Ist alles in Ordnung?" er kniete sich zu mir. "Nein, nein es ist nichts in Ordnung. Unsere Tochter ist verschwunden und mit jedem Hinweis, welchen wir bekommen platzt die Hoffnung erneut. Das ist verdammt nervenraubend!" schluchzte ich ihm zu. "Ich weiß, trotzdem dürfen wir nicht aufgeben und das weißt du. Ich werde mit dir hier kämpfen" Joachim sah mich an. Ich hingegen sah zur Seite. Das war ein Witz. Minimal lachte ich auf und schüttelte den Kopf.

"Du bist gegangen" ich sah ihm direkt in die Augen. "Du hast uns schon lange verlassen gehabt". "Und ich hatte nie eine Chance" antwortete er mir. Ich wollte erwidern, doch er hob die Hand um mir zu signalisieren, dass er noch nicht fertig war. "Du hast mir nie eine Chance gegeben mir zu verzeihen" fügte er seinen Worten hinzu. Ich schluckte bei seinen Worten. "Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, um es zu realisieren. Aber du hast es mir nicht leicht gemacht als ich es kapiert habe. Wir sind nicht mehr jung und flüchten, um uns nicht verwundbar und verletzlich zu machen, um keinen Schmerz mehr zu spüren. Wir sind älter geworden und doch hängen wir beide an der Vergangenheit und sind verbittert deswegen". Ich sah Joachim fassungslos an, doch er fuhr fort. "Ja genau, du und ich. Wir sind gleich verbittert und wollen nicht verzeihen, aber ich bin bereit um zu verzeihen. Ich will nicht mehr, dass du mir ständig den gleichen Satz an den Kopf knallst. Ich will wieder wie normale Menschen mit dir reden können ohne Angst haben zu müssen, dass du mir all das wieder vorwirfst" Joachim sah mich an. Er meinte es ernst, jedes einzelne Wort. Ich hatte wieder dieses Bedürfnis weglaufen zu wollen, doch wie er sagte sind wir nicht mehr jung. Wir können nicht mehr weglaufen. "Ich will dir helfen und dir ebenso beistehen, aber verdammt Emily, hör auf jeden von dir zu stoßen!".

Ich stockte. "D-das stimmt nicht. Ich stoße niemanden weg". "Red dir das ruhig weiter ein" hauchte er mir zu.

Es herrschte Stille. Keiner sagte etwas. Ich dachte über seine Worte nach, die er mir sagte. Dies hatte er noch nie zu mir gesagt. Er sprach wirklich Klartext, auf einer Seite war ich froh deswegen, auf der anderen Seite hingegen verletzte es mich nach wie vor.

Mittlerweile saß er neben mir an der Wand gelehnt und sah ebenso ins Nichts. Doch dann nach einer Weile des Schweigens sprach Joachim und riss mich somit aus meinen Gedanken.

"Ich werde sie finden und ich werde sie nach Hause bringen. Das ist ein Versprechen".

Ich sah ihn an, ich sah ihn einfach nur an. Ich hoffte, nein ich wollte hoffen und an sein Versprechen glauben. Jedoch waren da immer noch Zweifel in mir. Langsam sah ich an ihm runter bis zu seinen Händen, die auf seinen Knien verschränkt lagen. Und da fiel mir wie auf einen Schlag ein, dass ich gestern Abend mit Joachim am Hörer eingeschlafen bin. Ich hatte ihn gebeten nicht aufzulegen. Was war in mich gefahren? Sofort sah ich ebenso gerade aus wie er. Mir schoss das Blut in die Wangen und ich hörte wie es in meinen Ohren rauschte.
Mein Handy lag die ganze Nacht neben mir mit ihm am Hörer, kaum zu fassen. Nervös sah ich hin und her und fand keine Ruhe.

"Ich werde nach Hause fahren" sagte ich schließlich und stand auf. Ich brauchte Abstand, zu ihm, zu einfach allem. Mir war das zu viel. Mit einem Ruck stand ich auf. "Kannst du auch fahren? Soll ich dich nach Hause bringen?" fragend sah er zu mir hoch. Doch ich konnte ihn nicht ansehen. Ich suchte stattdessen meine Autoschlüssel in meiner kleinen Umhängetasche. "Nein, alles gut" sagte ich nur. "Bist du sicher?". Ich hielt inne und trat ein Schritt vorwärts. Dann sah ich ihn doch an. "Ja, ich bin mir sicher. Komm gut heim, Joachim" hauchte ich ihm noch zu bevor ich aus dem Gebäude lief. Ich hörte kaum noch seine Worte wie er mir eine sichere Fahrt wünschte, da ich einfach nur nach Hause wollte.

Als ich zu Hause ankam öffnete ich die Haustüre, streifte meine Schuhe ab und legte meine Sachen auf die Glasablage ab bevor ich in die Wohnung schritt. Erschöpft strich ich mir über die Stirn als ich eintrat und ich von der nächsten Überraschung überfallen wurde. Matt stand mit einem Strauß Rosen im Wohnzimmer. Er hatte einen schlichten Anzug an und ich erkannte, dass er einen kleinen Teddybären auf dem Arm hatte auf dem ein Es tut mir leid eingestickt war. Völlig überfordert sah ich ihn und dann die Sachen an bis mein Blick wieder auf ihm lag.

"Was soll das Matt?" fragte ich verwirrt. Ich sah wie seine Mundwinkel minimal kippten. "Ich wollte mich bei dir entschuldigen was ich gestern zu dir gesagt habe. Ich habe alle Konferenzen abgesagt, ich habe über alles nachgedacht, die ganze Nacht und ich.. ich habe den nächsten Flug nach Hause genommen.. Ich... Es tut mir leid, Emily. Ich wollte dich weder verärgern, noch unsicher machen, noch dich verletzen, das war nicht meine Absicht. Was du mir erzählt hast hat mich so.. so sauer gemacht und traurig zu gleich. Ich dachte mir wieso erzählt sie mir sowas vor allem wieso warst du bei ihm? Hat er dir wehgetan? In mir gingen tausend Emotionen durch, doch die Abneigung war in diesem Moment zu groß gewesen, um mich dir anzuvertrauen. Ich habe die letzte Nacht nur wach gelegen und nachgedacht. Ich wollte mich bei dir entschuldigen, aber ich wollte es lieber persönlich machen und.. nun ja.... hier bin ich" er sah mich an. "Ich bitte dich hiermit um Entschuldigung".

Ich war baff, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Er hätte mich anrufen können, eine Nachricht schreiben, einfach etwas hinterlassen können, doch nichts.
Einerseits war ich noch sauer auf ihn, er hat mich einfach mit diesen Worten schlafen geschickt und mich im Glauben gelassen es wäre meine Schuld gewesen, dass er so abweisend war. Auf der anderen Seite war ich einfach nur müde und brauchte seinen Halt. Ich brauchte ihn. Somit fiel ich ihm auch schon in die Arme. Er drückte mich dicht an sich und ich schloss erschöpft die Augen. Mein Körper fuhr langsam runter und ich beruhigte mich immer mehr. "Vergibst du mir?" hauchte er mir sanft ins Ohr. Langsam nickte ich. "Ja" hauchte ich ebenso und Matt lächelte daraufhin. Ich konnte nicht lange sauer auf ihn sein, denn ich brauchte ihn viel zu sehr an meiner Seite.

Im Anschluss erklärte ich ihm alles war passiert war, doch bei einer Sache fühlte ich mich schlecht. Und zwar, dass Joachim in der kurzen Zeit als Matt weg war seinen Platz als mein Halt eingenommen hatte. Zudem erzählte ich ihm nicht davon, was mir Gewissensbisse vermag. Ich erzählte ihm weder von dem Telefonat nach ihm, noch dass er mir näher gekommen war, ebenso ließ ich den Teil aus bei dem ich nach Joachim's Hand griff.
Wieso? Das wusste ich selbst nicht einmal.

Ich schätze ich wollte diese jetzigen Erinnerungen für mich behalten ohne dass sie jemand kaputt machte.

Meine Mutter hatte mir einst mal gesagt:
Die Liebe tut nicht weh. Eine Person, die nicht weiß wie man liebt, die tut weh.

Und sie hatte recht.

Her pale fire | Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt