Deutschland, 25 Februar 2050
Ich schrie, als sich sein Finger am Abzug krümmte. Nie in meinem Leben hatte ich so laut geschrien.
Und ich spürte die Macht von mir strömen, angeheizt durch meine Wut. Die Scheiben explodierten und dann verlangsamte sich jede Bewegung im Raum. Es war wie das, was ich mit dem Wasser angestellt hatte. Ich hatte die Wassermoleküle verlangsamt, sie dazu gebracht in der Luft zu verharren. Und auf einnmal standen die Glassplitter wie kleine Sterne in der Luft und die Kugel war auf halber Strecke kurz vor Allis Gesicht stehen geblieben. Es vergingen nur Herzschläge, als ich die Hand ausstreckte und das kühle Metall mit meinen Fingern umschloss.
Dann drehte sich die Welt in rasendere Feschwindigkeit weiter.
Der Mann wurde von den Füßen gefegt und stolperte einige Schritte von uns weg. Jedes Schwindelgefühl war mir verschwunden, wilde rohe Energie floss durch meine Adern. Ich spürte die Erschöpfung, wie sie langsam auf mich zu kroch, aber die Wut und der Schmerz der letzten Wochen ließ mich weiter machen.
Ich richtete mich auf die Knie auf. Seine und meine Augen begegneten sich und als ich das Entsetzen darin sah, wusste ich, dass meine sich pech schwarz gefärbt hatten.
Ich hörte Schritte auf der Treppe, Rufe. Die anderen kamen.
„Du fasst sie nicht an!" Ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder. In roten Fäden tropfte das Gravar von meinen Händen, sickerte wie Blut über den Boden immer näher auf den Mann zu. Er rutschte zurück, aber er hatte keine Chance.
Wie in weiter Ferne hörte ich eine Stimme schreien, Ginger?
Das Gravar erreichte den Fremden, floss um seine Füße, seine Hände, bildete rote Linien auf seiner Haut. Er schrie, er schrie in Todesangst, aber ich konnte nicht aufhören. Ich hatte längst die Kontrolle verloren. Meine Gefühle lenkten was ich tat.
„Kassie!", Ginger musste dicht hinter mir stehen, aber der rote See schloss mich ein und hinderte ihn daran mir näher kommen zu können. „Kassie, hör auf! Es bringt dich um!"
Mein Blick fiel auf meinen Arm. Schwarz zeichneten sich meine Adern auf meinem Handrücken ab. schwarz floss mein Blut meinen arm hinauf. Wenn es dein Herz erreicht, bist du tot. Zeds Worte kamen mir wieder in den sinn.
Aber es war egal, Alles war egal. Alli war wichtig, sie zu beschützen. Sie war das wahrlich Gute dieser Welt, vielleicht das einzig Gute.
Die Schrie rissen nicht ab. Der Mann vor mir wurde zu einem SPiegel meiner selbst, umgeben von rotem Gravar. Seine adern wurden schwarz, seine Augen färbten sich. Es kroch seinen Arm hinauf, schimmerte dunkel durch den Stoff seines Pullis.
Und dann erreichte es unsere Herzen. Ich sah ihn zu Seite kippen, das Schwarz wich aus seinen Augen, und sie fielen Blicklos nach oben. Jedes Empfinden verließ meinen Körper und ich stürzte. Ich sah noch, wie Ginger einen großen schritt zu mir macht. Nicht, wollte ich sagen, aber mir fehlte die Kraft. Er trat in die rote Pfütze. Ich fiel auf die Seite, mein haar verteilte sich in der Flüssigkeit, saugte sie auf, färbte sich rot. Warm spürte ich das Gravar auf meinem Gesicht. Endet es hier?
Das Gravar floss über Gingers Stiefel, sein Bein hinauf. Er musste hier weg. Aber mir fehlte jede kraft um ihn fort zu schicken. Das einzige Gefühl, das ich spürte, war das kühle Metall der Kugel, die ich immer noch in der Hand hielt. Ich hatte Alli gerettet. Das war das einzige, das wichtig war.
Ginger kniete sich neben mich, als ich aufsah, traf ich auf seine Augen. Das Sturmgrau wurde von tiefen lila Linien durchzogen, Weiße punkte tanzten dazwischen. Mein Blick wanderte weiter, fand das Tattoo auf seinem hals, auf seinen armen. Sie hatten ihre Weiße Farbe verloren und glänzten Weiß.
Aber das spielte keine Rolle mehr. Nichts spielte eine Rolle.
ich war so müde...
„Bleib bei mir, Kleines."
ich spürte Gingers Hände kaum, die mich umfassten und mich hoch hoben, auf seinen Schoß zogen. Mein Kopf fiel auf seine Brust.
So müde...
Seine Hände um schlossen mein Gesicht und ein neues Gefühl breitete sich wie Wellen von dieser stelle aus. Wärme. Sie vertreib die Kälte, kämpfte gegen sie an.
„Lymra ist Leben und wenn es sein muss, gebe ich der jedes bisschen davon."
Sein dunkles Haar fiel nach vorne, Schatten legten sich über seine Augen. Ich beobachtete matt wie die weiße Farbe seiner Tattoos flüssig zu werden schien. Wie sie in Bewegung gerieten und über seine Haut flossen, seine arme hinab.
Als die ersten Schlieren meine Haut berührten breitete sich eine unglaubliche Hitze in mir aus.
Ich atmete heftig ein, versuchte mit der Flut an Gefühlen fertig zu werden, die mich durchströmten. Immer mehr Tinte bahnte sich ihren weg von Gingers Händen auf meine haut, verteilte sich drauf, drang in mich ein, vertrieb das schwarz aus meinen adern.
Und da waren neue Bilder vor meinem Inneren Auge.
Der Raum war weg, ich stand in einer höhle. Ihre Decke lag weit über mir. Die ganze Höhle schien zu Leuchten. Das Leuchten kam aus weißen adern, die das dunkle Gestein durchzogen. Sie flossen über die wände, den Boden und bildeten Ströme, die sich sammelten und Richtung Mitte fließen zu schienen. Ohne meinen Körper spüren zu können hatte ich das Gefühl vorwärts zu gehen. ich bewegte mich auf weiter in die Höhle hinein, folgte den weißen strömen. Am Rand eines weißen Sees blieb ich stehen.
Ich bückte mich, streckte meine Hand aus, berührte die Oberfläche. Sie war glatt und kalt.
‚Kassie!', ich zuckte zurück. As ich Meyros Stimme hörte. Sie wurde von den wänden der Höjle zurückgeworfen und verteilte sich als Echo.
„Meyro?", fragte ich.
‚Ich kann dir dorthin nicht folgen!'
„Meyro, wo bist du?" Ich ließ meinen Blick durch die höhle schweifen. Ich kniff die Augen zusammen. Auf der anderen Seite des weißen Sees meinte ich eine Gestalt erkennen zu können. „Meyro?!"
‚Hör mir zu!', bei jedem Wort veränderte sich die Gestalt, schien in der Luft zu flimmern. ‚Ihr müsst zurück an den Anfang. Ihr müsst die höhle finden. Ihr müsst es schaffen, bevor die sonne die Erde verbrennt, wie sie einst Ilysia verbrannte. Die Sonnenstürme werden kommen und sie werden eure Welt völlig zerstören.'
Ich verstand nicht wovon er sprach. ich verstand nicht wo wir waren.
‚Das Lymra ist stark. Es ist stärker als wir. Es ist die Lebensader, die Leben auf einem Planeten erst ermöglicht. Die unser Leben genauso ermöglicht wie eures. Eure Seelen sind damit verflochten und es ist eure Geisteskraft, von der wir uns nähren, durch die wir wachsen können. Darum sind wir abhängig vom Lymra. Weil es auch nicht ohne es geben würde.
Aber zugleich ist es die Macht, die einzige macht, du uns besiegen kann.'
„Meyro!", die Gestallt verblasste, flimmerte immer stärker.
‚Finde die höhle. Finde das Lymra.'
„Bleib bei mir, Meyro! Ich brauche dich!"
‚Es war mir eine Ehre dich zu kennen und durch dich die Gefühle kennen lernen zu dürfen. Trauer, Freude, Angst, Wut, Liebe.'
„Meyro!", ich wollte um den See herumlaufen, als das flimmern immer blasser wurde.
‚Geht sobald das Wasser zur Eiswüste wird! Und jetzt musst du dort hinunter gehen und ins Leben zurückzukehren. Du kannst diesen Weg nur ohne mich gehen, darum muss ich dich jetzt verlassen. Aber Deine Freunde bauchen dich... deine Familie...'
Ich hatte nicht die zeit ihn zu erreichen, er verschwand im nichts und ich bleib alleine in der Höhle mit ihrem weißen glänzen zurück.
Ich musste zurück? Zurück wohin? Zu wem? Meine Gedanken wirbelten durcheinander, wollte mir die Antwort nicht geben. Aber dann war da plötzlich ein Gesicht. Ginger. Un ich hörte wie aus weiter ferne ein Glockenhelles Lachen. Alissa. Und ich spürte Arme, die mich umfingen und immer beschützen würden. Zed.
Meine Freunde. Meine Familie, hatte Meyro sie genannt und er hatte recht.
Ich kniete erneut an den Rand nieder. Als ich die Finger ausstreckte, trafen meine Finger nicht erneut auf glatten kalten stein. Sie drangen durch die Oberfläche und die Welt kippte. ich fiel nach vorne, kippte in das Weiß, in unendliches nichts.
Ich fühlte meinen Körper nicht mehr. ich schrie, aber ich hörte meinen schrei nicht.
Ich wurde zu nichts.
Und dann kehrten mit einem Schlag alle Gefühle in meinen Körper zurück. ich spürte den schmerz an meiner Kopfhaut, in meinem Bauch durch die Misshandlung des fremden. Und ich spürte Gingers Hände, die mich hielten.
Und ich spürte heiße Tränen, die über mein Gesicht liefen.
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2050 - Rule one
Science Fiction- Schwer atmend hielt ich in einer Querstraße zu seiner Wohung an und keuchte: "Da ist es." Zed beugte sich vor (kein Stück aus der Puste übrigens) und zog sogleich den Kopf wieder zurück. "Oh shit!" "Was?!" Ich sah jetzt meinerseits um die Ecke und...