Frankreich, 14. Januar 2050
Ich konnte Zed und Ginger in der Hütte streiten hören. Sie mochten sich nicht, soviel war klar. Wobei ich glaubte, Zed mochte niemanden. Ich hatte es drinnen nicht mehr ausgehalten und war hinaus geflüchtet.
Der Morgen war wolkenbedeckt und doch so warm, dass ich die Ärmel meines Pullovers nach oben geschoben hatte.
Das schlechte Gewissen, dass mich verfolgte wurde stärker. Mein Vater wusste nicht wo ich war. Ich war davon gelaufen und nicht wieder gekommen. Er war sicher in Panik und suchte mich überall.
Während Ginger meinte, ich solle nach Hause gehen, zu meinem Vater, war Zed der Ansicht, dass es viel zu gefährlich sei. Ich stimmte dieses Mal mit Zed überein.
Nicht nur, dass ich diese Regierungstypen nicht auf meinen Vater hetzten wollte, war ich auch noch von außerirdischem Zeug verstrahlt, dass uns offensichtlich tötete.
Solange ich nicht wusste, warum dieses Gravar genau auf meinem Arm kryptische Botschaften hinterließ und ob ich andere damit gefährdete, würde ich nicht in die Nähe meines Vater gehen.
Die Tür hinter mir wurde geöffnet und jemand setzte sich neben mich auf den Feuerholzstapel.
"Na, alles okay, Kleines?" Ginger sah mich schräg von der Seite aus an.
"Ja ja, alles klar.", erwiderte ich, doch ich konnte den Sarkasmus nicht ganz aus meiner Stimme bannen.
Ginger seufzte und legte seinen Arm um meine Schulter. Er trug seinen Mantel nicht und hatte die Ärmel seines Shirts ebenfalls nach oben gezogen. Ich betrachtete seine Hand und das Handgelenk, die so neben meinem Gesicht schwebten. Auf seinen Fingern sah ich einige Tattoos, genau wie auf seinem Arm
"Was bedeuten sie?", fragte ich.
Ginger schwieg einen Moment und schien abzuwägen, ob er mir antworten sollte. "Sie sind Erinnerungen für mich. An die wichtigsten Dinge aus meinem Leben, die ich niemals vergessen möchte.", sagte er schließlich.
"Sind aber ganzschön viele Erinnerungen."
"Ich hab schon viel erlebt. Aber sag: Was beschäftigt dich?", lenkte er ab.
Ich seufzte und lehnte mich gegen ihn. "Das weißt du doch. Ich fürchte mich vor dem was kommt. Und ich hasse das."
"Furcht ist gut, Kassie, solange sie uns nicht lähmt. Sie lässt uns Lösungen finden und macht uns vorsichtig. Das wirst du brauchen, um zu überleben."
"Bisher ist nichts passiert, dass uns töten kann.", Zed war aus der Hütte gekommen. "Also lasst uns lieber unsere weiteren Schritte planen." Er klang gut gelaunt wie immer - Ironie lässt grüßen.
"Schön." Ginger sprang von dem Holzstapel und zog mich ebenfalls hoch, doch ich hielt ihn fest und sah mich nachdenklich im Wald um.
"Sagt mal, kommt euch eigentlich nichts komisch vor?"
"Inwiefern? Ist ein schöner ruhiger Morgen.", stellte Ginger fest. Ich nickte langsam. "Eben. Zu ruhig."
Zed sah mich beunruhigt an und stimmte mir zu. "Ich höre keine Tiere."
Aufgeregt begann ich auf und ab zu laufen. "Tiere spühren doch angeblich Veränderungen, Naturkatastrophen. Was, wenn es das bedeutet? Was, wenn der Zweite Sturm die nächste Katastrophe ist?"
"Du meisnt ein Unwetter, wie das beim Erdbeben?", hakte Zed nach.
"Ja, nein - vielleicht. Vielleicht ist es nicht der Sturm im wörtlichen Sinne, sondern etwas anderes. Aber sicher bin ich, dass in nächster Zeit irgendetwas passiert. Und wir sollten uns vorbereiten."
Dass wir keine Zeit zum Vorbereiten haben würden, sollte ich erst später erfahren, denn es hatte bereits begonnen.
"Wie sollen wir uns auf etwas vorbereiten, von dem wir keine Ahnung haben was es ist?", fragte Ginger.
"Wir brauchen Strom, dann kann ich die Satelliten checken.", erklärte Zed und verschwand wieder in die Hütte.
"Er ist Teil einer super geheimen Organisation mit super geheimen Spionagesatelliten.", erklärte ich Ginger schmunzelnd.
"Na dann." Ginger machte sich auf um das Plumpsklo von innen zu bewundern und ich blieb alleine zurück. Ich entschied mich dem Bachlauf bis zum Wynnensee zu folgen. Das gurgelnde Wasser, dass über die Steine des Bachbettes sprang war das einzige Geräusche im Wald. Es war geradezu gespenstig.
Das Knacken der Äste und Blätter auf die ich trat, mein Atem, alles kam mir viel zu laut vor. Ich wagte kaum ein Wort zu sprechen. Die ganze Welt schien den Atem anzuhalten vor dem was da kam.
Aber was?
Der Wynnensee lag ruhig und still da. Kein Windhauch kräuselte das Wasser, keine Enten oder Wasserläufer verursachten die Wellen, die die spiegelglatte Oberfläche sonst bedeckten.
Das Grau es Himmels spiegelte sich im Wasser und ich fragte mich, wie es nur so warm sein konnte, wo doch nicht einmal die Sonne schien.
Ich kniete mich hin und tauchte die Hände in das kühle Nass. Dabei bemerkte ich feine schwarze Schimmer auf meiner linken Hand. Das durfte doch nicht wahr sein!
Die Linie waren dabei wieder aufzutauchen. Als könnte dieser Tag nicht noch schlimmer werden. Konnte er natürlich.
Ich beobachtete das gegenüberliegende Ufer, dort wo der Kirchtur und die Hausdächer von Wyndenau lagen, als ein metallisches Blitzen mich auf zwei dunkle Wagen aufmerksam machte, die über die Hügelkuppe vor Wyndenau kam. Mir war sofort klar, wer dort kam und Panik machte sich in mir breit.
Meine Familie, die Wyndenauer waren definitiv in Gefahr! Mein Vater würde nicht vor Gaver kuschen!
Ich überlegte fieberhaft was ich tun konnte. Es würde zu viel Zeit kosten zurück zur Hütte zu laufen und Zed und Ginger zu holen, doch um den See herum und bis ins Dorf würde ich es auch nicht rechtzeitig schaffen.
Da entdeckte ich das Boot. Es war wie in einem dieser Bücher: der Held musste zur Rettung seiner Geliebten ausrücken und auf wundersame Weise tauchte genau das auf, was er brauchte. Ich meine, warum liegt hier ein Boot, mitten im Wald?
Nur dass ich kein Held war und das Boot sicher nicht das war, was ich brauchte. Es war aus Holz, alt und angefault und ich bezweifelte, dass es die gesammte Strecke schaffen würde. Aber ein Versuch war es wert. Also zog ich das Boot ins Wasser und suchte mir den längsten stabilsten Ast, den ich finden konnte.
Das Boot schwankte, als ich hinein kletterte und ich kenterte fast, als ich mich mit dem Ast vom Ufer abstieß. Der See war nicht tief, so konnte ich den Stock in den Boden graben und mich abstoßen.
Ächzend und stöhnend glitt ich über den See - wobei ich anmerken muss, dass nicht ich ächzte und stöhnte, sondern das Boot.
Ich hatte noch ungefähr dreißig Meter vor mir, als das Boot begann auseinander zufallen. Das Brett auf dem ich saß, brach mir einfach unter dem Hintern weg und dabei knallte mir mein Vorwerts-schieb-Ast auf die Seitenwand und brach drei der Planken durch.
Wasser schwappte auf meine Schuhe. Ich gab das Boot jedoch erst nach einigen weiteren Metern auf, als die Bretter unter meinen Füßen nachgaben und Wasser blubbernd das Boot füllte.
Ich ließ den Ast fallen und sprang mit einem sehr ungeleganten Sprung ins Wasser.
Es war verdammt kalt und einen Moment hing ich erstarrt an der Bootswand, bevor ich losließ und begann zu schwimmen.
Wärend hinter mir das kleine Boot im Wasser verschwand wurde das Ufer vor mir immer größer. Ich konnte es schaffen, ich würde es schaffen!
Triefend nass kletterte ich nahe von der Kirche aus dem Wasser und rannte ohne Umschweife den Weg zum Dorf hoch. Nur um mit Entsetzen festzustellen, dass ich es nicht geschafft hatte.
Dort standen die Wagen, Leute hatten sich auf der Hofeinfahrt meiner Großeltern versammelt und die laute Stimme meines Vater war nicht zu überhören.
"Verdammt, ich sagte verschwinden Sie!"
Gavers Stimme hingegen war aalglatt und ruhig. "Seien Sie bitte nicht dumm. Ich will nur mit ihr reden."
"Sie ist nicht mal hier.", fauchte mein Vater und mir wurde bewusst, dass es vielleicht besser wäre, wen ich tatsächlich nicht hier wäre. Doch in diesem Moment wurde Gaver wohl ungeduldig, denn als die ersten Menschen erschrocken aufschrien und davonstoben konnte ich sehen, dass er seine Waffe gezogen hatte.
Angst breitete sich in Wellen über meinen Körper aus und lähmte mich. Mein Vater wich keinen Millimeter zurück. Auch nicht, als der General seine Waffe auf ihn richtete. "Wo. Ist. Sie?", er betonte jedes Wort.
Da die Leute sich geflüchtet hatten, stand keine schützende Mauer aus Menschen zwischen mit und diesen Typen und es war nicht verwunderlich, dass mich einer entdeckte. Ich stand da wie ein Reh im Scheinwerferlicht.
"Verdammt, Kassie, verschwinde!", schrie mein Vater. Als er sich vorstürzte kam wieder Bewegung in mich.
"Papa, nein!"
Ich wusste er wollte mich beschützen, er wollte Gaver aufhalten, wollte dass ich Zeit hatte zu fliehen. Aber ich sah nur, wie er auf den bewaffneten Mann zustürzte, sah nur wie dieser abdrückte.
"Nein! NEIN!", mein Schrei gellte über den Hof, zusammen mit dem Schuss.
Er stürzte zu Boden und mein Gehirn brauchte einen Moment um zu realisieren, dass das Rote, das auf die Pflastersteine sickerte, sein Blut war.
Ich sank neben ihm zu Boden. Schock flutete meinen Körper. Panisch presste ich die Hände dort auf seinen Bauch, wo das Blut am dunkelsten war. Der metallische Geruch stieg mir in die Nase und ließ mich würgen, aber ich blieb wo ich war, presste meine Hände auf die Wunde und murmelte zusammenhanglose Worte. "Papa, Papi, bitte. Nicht... Nein, nein, nein."
Fahrig wischte ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, bemerkte das Blut nicht, dass ich auf meiner Haut hinterließ.
Seine Augen waren offen, blickten in meine, sein Mund formte Worte, die zu sprechen ihm die Kraft fehlten. Ich liebe dich.
Als seine Augen sich gen Himmel richteten und jeden Glanz verloren, wusste ich, dass er tot war._____________________________________
Das Kapitel ist kürzer als geplant und es kam ehrlich gesagt auch für mich überraschend, dass Kassies Vater gestorben ist, aber hier zu enden, erschien mir richtig.
Lasst gerne Feedback da, freue mich über jeden Kommentar (und Vote natürlich) wie ein Keks. :D
Und wundert euch nicht: Ich habe den General Neumann in General Gaver umbenabbt. Einmal weil Neumann mir einfach zu harmlos klang, aber auch, weil mir aufgefallen ist, dass der Geschichtslehrer vom Anfang genau gleich hieß XD

DU LIEST GERADE
2050 - Rule one
Science Fiction- Schwer atmend hielt ich in einer Querstraße zu seiner Wohung an und keuchte: "Da ist es." Zed beugte sich vor (kein Stück aus der Puste übrigens) und zog sogleich den Kopf wieder zurück. "Oh shit!" "Was?!" Ich sah jetzt meinerseits um die Ecke und...