Wyndenau

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Deutschland, 07 Januar 2050

Eine weiche Decke hüllte mich ein. Starke Arme hielten mich.
"Sie steht unter Schock. Wir werden ihr etwas geben." Sie sprachen über mich, als wäre ich nicht anwesend. Aber ich sah sie und hörte sie. Nur wollte mein Verstand keine Worte finden, mit denen ich ihnen etwas sagen konnte.
Meine Gedanken flossen träge und noch immer hörte ich ein hohes Singen in meinen Ohren. Als ich meine Hand hob, fühlte sie sich unglaublich schwer an. Alle Kraft war aus mir verschwunden.
Ich versuchte den Nebel in meinem Kopf zurückzuschieben.
"Das ist zur Beruhigung." Ich nahm die Spritze war und schob den Arm, der sie hielt beiseite.
Ich brauchte keine Medikamente. Ich brauchte meine Mutter.
"Kassandra Werdens?" Ich kannte die Stimme nicht und den Mann zu dem sie gehörte auch nicht.
"Was wollen Sie?", mein Vater klang verärgert, ungeduldig.
"Sie sind Kassandra? Sie müssen uns begleiten."
"Wieso?", mein Vater war verärgert. Der Mann ignorierte ihn und wedelte nur geringschätzig mit der Hand.
"General Gaver. Das ist Staatsangelegenheit."
"General? Was zum Teufel wollen sie von meiner Tochter?" Mein Vater konnte das natürlich nicht verstehen. Zed hatte gesagt, sie würden hier auf mich warten. Aber ich dachte nicht an weglaufen oder Angst haben.
"Es ist wichtig, Sie werden uns begleiten müssen."
Das Klingen in meinen Ohren war lauter geworden, meine Sicht verschwomm für einen Moment.
"Frau Werdens, Sie - "
Die Decke glitt von meinen Schultern als ich aufstand. Mit einem Mal waren meine Sinne wieder scharf. "Halten. Sie. Den. Mund!", fuhr ich den Mann an.
Offensichtlich wurde Herr General nicht oft unterbrochen, denn ein unwilliger Ausdruck huschte über sein Gesicht.
"Sie sollten keine Szene machen und uns einfach begleiten."
"Einen Dreck werd ich tun. Ich bin im Szene machen schon mitten drin."
"Ich kann sie verhaften. Wir haben es mit Mord zu tun, wie Ihnen bewusst sein sollte."
"Mord?", quieckte mein Vater hinter mir. Aber ich merkte, dass der Mann Aufsehen vermeiden wollte. Auch wenn er mit seinem dunklen Anzug genau das erregte.
Ich lächelte liebenswürdig. Kalte klare Wut brachte mich in diesem Moment dazu nicht in Hysterie auszubrechen und dem Mann die Stirn zu bieten.
"Ja stimmt, sie haben recht. Also, warum verschwinden sie nicht und suchen den wahren Grund für diese Morde?"
"Sie müssen-"
"Ich muss meine Mutter beerdigen. Die Sie auf dem Gewissen haben. Sie sollten aufhören Jugendlich zu entführen und anfangen nach der Ursache für alles zu suchen. Würde sicher viele Leben retten."
Gaver kniff die Augen zusammen. "Ich habe vier tote Männer."
"Mein Beileid.", presste ich sarkastisch heraus.
"Kassie, was ist hier los?", Vater legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Ich erklär es dir. Die Herren wollten gerade gehen." Ich ließ meine Augen über die Straße schweifen. Nachbarn, Sanitäter und Feuerwehrmänner waren stehen geblieben und beobachteten uns. Auch dem General schien das nun klar zu werden. Er lächelte gezwungen. "Ich empfehle mich."
"Klar, wem immer sie wollen. Hey!", rief ich ihm nach, als er sich bereits ein paar Schritte entfernt hatte. "Wenn sie Menschen verschwinden lassen wollen, sollten sie etwas subtiler vorgehen. Und der Anzug, wirklich. Sind sie James Bond, oder was?"
Er wandte sich abrupt ab und winkte zwei weiteren Anzugträgern ihm zu folgen. Ich schnaubte und setzte mich wieder.
"Kassie, was ist hier los?" Oh ja richtig, mein Vater.
Ich setzte ein neutrales Gesicht auf. "Nichts, alles klar. Da war nur so ein kleines Missverständnis."
"Kleines Missverständnis?" Papa sah sich um, bedachte die Menschen mit einem Blick. "Okay, wir werden uns jetzt ins Auto setzten und zu deinen Großeltern fahren. Und hoffen, dass uns diese Männer nicht folgen."
"Was ist mit Mama?"
Mein Vater schwieg eine Weile. "Wir werden sie nach Straßburg überführen lassen. Ihre Eltern wollen sie sicher in ihrer Heimat beerdigt wissen. Und sie hätte das auch so gewollt."
"Sie hätte nicht sterben wollen.", dachte ich bitter.
"Und auf der Fahrt erzählst du mir genau, was dieser Mann mit Mord und du mit Entführung meintest." Mir fehlte die Kraft um mir eine schnelle Ausrede einfallen zu lassen. Aufeinmal begann ich zu zittern. Meine Wut war verpufft und ließ eine Leere in mir zurück, die mich bewegungsunfähig machte.
Mein Vater verschwand für wenige Minuten und verkündete dann, dass man uns anrufen würde, wenn Kapazitäten frei wurden, meine Mutter nach Frankreich überführen zu lassen.
Danach brachte er mich zu seinem Auto und hüllte mich auf dem Beifahrersitz in eine Decke ein. Das Surren des Motors und die Erschöpfung wiegten mich in einen komatösen Schlaf. Als ich erwachte, hatten wir bereits die Zollstelle erreicht.

2050 - Rule oneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt