Deutschland, 25. Februar 2050
Ich erwachte sehr früh am nächsten Morgen. Mein Rücken schmerzte von meiner ungünstigen Schlafposition und ich musste dringend aufs Klo.
Kein einziger Film oder auch nur ein Buch in dem die Welt unterging, hatte mir je erklärt, wie man in einer solchen Situation eben jenes Bedürfnis erfüllte. Ich meine, keine einzige Klospühlung funktionierte noch!
Natürlich kann ich mir denken, warum niemand das je erklärt und hier werdet ihr es auch nicht erfahren. Das ist relativ unappetitlich.
Später machte ich mich auf den Weg nach unten, das Wasser schwappte noch immer über den Treppenabsatz zu Stockwerk zwei. Der Regen prasselte heftig auf die Wasseroberfläche außerhalb meines schützenden Unterschlupfs. Es gab keine Möglichkeit das Gebäude zu verlassen, es sei denn, ich hätte vor zu schwimmen. Und das hatte ich sicher nicht. Aus der Stadt war ein Meer geworden, wie ich feststellte, als ich die Treppen so hoch stieg, wie ich mich traute und durch ein Fenster über die umliegenden Gebäude blickte.
Der heftige Wind trieb große Wellen vor sich her und schleuderte allerlei Gegenstände mit sich.
Ich konnte nicht erkennen, was dort alles trieb, aber ich konnte es mir vorstellen. Eben alle das, das nicht schwer genug war um am Boden gehalten zu werden. Ziegel, Stühle, Straßenschilder, Zeitungständer, ...
Ich beobachtete das Trieben eine ganze Weile.
Wolken trieben noch immer am Himmel und der Sonnenaufgang war schmutzig grau. Schwefelgelb färbten sich die Wolken vor der Sonne, das einzige Zeichen, dass sie überhaupt aufging.
Das düstere Licht wurde nur unmerklich heller, die Sicht kaum besser. Nach der langen Hitze hatte ich gedacht, der Anblick von Regen würde mich freuen, beruhigen, aber das tat er nicht.
Die Wassermassen, die der Himmel schickte, boten keine Erlösung. Ein Blitz fuhr vom Himmel und erleuchtete Sekunden lang die Umgebung glasklar. Dann folgte der Donner. Rollte über die Stadt und übertönte einen Moment lang das Rauschen des Regens.
Ich schnupperte in die Luft, forschte dem Geruch nach. Herbstluft, Herbstgefühl.
Eigentlich sollte ich gerade in der Schule sitzen. Es war Februar, also wäre das erste Halbjahr jetzt vorbei und wir hätten unsere Noten bekommen...
Die Luft draußen wäre kühl und frisch, aber nicht kalt. Normal für den Februar, würden wir jetzt unsere Wintersachen wegpacken und die T-Shirts rausholen. Februar hatte immer zur schönsten Zeit gehört. Ab April wurde es draußen einfach immer viel zu warm um es wirklich genießen zu können.
Ich liebte unsere, zwar kurzen, aber wunderschönen Frühjahrswochen.
Aber kein Baum trug nun Knospen oder bildete die ersten Blüten.
Meine Welt existierte nicht mehr.
Ich drehte mich ruckartig vom Fenster weg. Es tat mir nicht gut, hier alleine zu stehen und in Erinnerungen festzuhängen. Damit tat ich mir nur selbst weh.
Ich machte mich auf den Weg zurück und hoffte, dass inzwischen jemand anderes aufgewacht war. Ich hoffte auf Ginger.
Tatsächlich war Ally wach und hüpfte mir entgegen, sobald sie mich sah. Ihre Haare standen wild in jede Richtung ab und dennoch sah sie aus wie ein Engel. In der einen Hand hielt sie Pug mit der andere packte sie mich am Shirt. Erleichterung lag in ihrem Blick.
"Ich hab schon mit Pug geschimpft.", teilte sie mir sofort heftig nickend mit. "Weil er doch aufpassen sollte und dann warst du weg."
"Och Ally.", ich kniete mich neben sie. "Alles okay, ich war nur kurz spazieren. Und Pug hab ich gesagt, er soll leise sein, damit du schlafen kannst."
"Oh.", sie kratzte sich am Kopf und zuckte dann mit den Schulter. "Okay."
Ihr Strahlen war wieder da, die Sorge vergessen. Sie hüpfte davon um woanders ein neues Abenteuer zu finden.
Poke und Inga schliefen vermutlich noch, denn alles was ich von ihnen sah, waren ihre Füße in einer weit entfernten Ecke des Raumes. Ginger konnte ich zu meinem Leitwesen nicht entdecken, dafür gesellte ich mich zu Zed, der in einer Ecke gelehnt saß und seine Geräte auf Funktionalität prüfte.
"Hey, hast du Ginger gesehen?"
"Dir auch einen guten Morgen, danke der Nachfrage, ich hab schrecklich geschlafen.", grummelte er.
"Jaja, ich auch." Ich rutschte neben ihn auf den Boden und drückte wahllos auf einen Knopf an einem Technikding. Er schlug meine Finger weg ohne aufzusehen. "Tut davon noch was?"
"Unser Gravar-Messer wird bald den Geist aufgeben, der Akku ist sehr schwach, das Hokeru ist inzwischen auf Sparflamme."
"Hoker-was?", ich winkte schnell ab, als Zed zu einer ausschweifenden und sicherlich langatmigen Erklärung ansetzte. "Schon gut, schon gut. Verrätst du mir jetzt wo Ginger ist?"
Zed wedelte uneindeutig mit der Hand "Irgendwo. Was weiß ich. Bin nicht sein Babysitter."
"Ja, für ihn bist wohl eher du das Baby."
"Ach und was bist dann du? Die Plazenta?"
"Das war jetzt gemein.", schmollte ich. Aber es war wahr. Hatten wir Ginger intellektuell überhaupt etwas zu bieten? Oder belächelte er unsere dummen Überlegungen in Wahrheit nur?
"Mal was ganz anderes.", setzte Zed an. "Wir sollten nicht zu lange hier bleiben. Wir haben nicht all zu viel Essen... und wir wissen nicht, wie lange es noch regnet. Fünf Katastrophen, nicht wahr?"
Ich dachte zurück an das, was Meyro mir damals im Bunker gezeigt hatte. Die letzten Tage und Stunden von Eloy und Diana und das, was sie erfahren hatten. Der Stein hatte von fünf Katastrophen geredet, bevor der letzte Schritt, der die gesamte Welt brennen lassen würde, bevor stand. Und wir waren gerade bei Katastrophe Nummer drei. Allzu viel Zeit blieb uns nicht mehr. Wir konnten keine Sekunde mehr verschwenden und nur hier herumsitzen.
"Weißt du, an was ich mich noch erinnere? Es ist mir gerade eingefallen. Wir vermuten doch, dass das Gravar etwas beschützet und sich deshalb an meinem Zuhause zusammen rottet.
"Ja?", Zed sah mich fragend an.
"Diana sprach damals von einer Art Kristall. Dieser Kristall war auf einer anderen Welt entdeckt worden und es war dem Gravar gefährlich geworden. Und damit dieser Fall nie wieder eintritt, stellten sie für die Erde ihren Notfallplan auf. Was, wenn es der Kristall ist, den sie da beschützen?"
Zed sah mich nachdenklich an, aber kam nicht dazu zu antworten, denn wie aus dem Nichts war Ginger neben uns aufgetaucht. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Hände zitterten, ich hatte ihn noch nie so gesehen.
"Dann weiß ich was wir suchen!"
Mir fiel die Kinnlade herunter. Was hatte er da gerade gesagt?
"Ich habe dir erzählt, dass das Gravar meine Welt zerstört hat und ich der Einzige bin, der das überlebt hat." Ich nickte langsam, wollte ihn aber nicht unterbrechen. "Und ich lebe noch immer, weil wir auf unserer Welt eine Quelle entdeckt hatten, die uns Unsterblichkeit verlieh. Diese Quelle ist ein Kristall, tief in der Erde verbrogen. Das Lymra."
"Lymra?", es war ein schöner Name, Bilder von weißen Adern und Flüssen im Gestein tauchten in meinem Kopf auf, Lebensspendende Engergie. Das Gefühl von Macht und Angst vereinten sich darin...
Das in meinem Kopf waren nicht meine Gedanken und Bilder, es waren Meyros! Er wusste von was Ginger sprach. Langsam nickte ich. "Du hast recht, Ginger."
"Erzähl uns mehr davon.", forderte Zed ihn auf.
Ginger setzte sich langsam neben mich und krempelte dabei seinen Ärmnel hoch und entblöste seine Tattoos. Seine Augen sprangen nervös hin und her. Ich merkte, dass er das hier nicht wollte. Er wollte sich nicht erinnern. Es mussten schmerzliche Erinnerungen sein, bedachte man, dass er alles verloren hatte. Ich nahm seine Hand "Es ist okay."
Er lächelte kurz und fuhr dann mit dem Finger über eines seiner Tattoos. Ich hatte das schon einmal zuvor gesehen. Das Tattoo, das er berührte, färbte sich weiß, die Tinte schien über seine Haut zu fließen, seine Augen flackerten, rollten nach hinten und färbten sich dann lila.
Er war nicht mehr bei uns, sondern sehr weit weg...
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2050 - Rule one
Fantascienza- Schwer atmend hielt ich in einer Querstraße zu seiner Wohung an und keuchte: "Da ist es." Zed beugte sich vor (kein Stück aus der Puste übrigens) und zog sogleich den Kopf wieder zurück. "Oh shit!" "Was?!" Ich sah jetzt meinerseits um die Ecke und...