Verlorene Freunde

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Deutschland, 05Januar 2050 -

Es war ein Schock. Ein Schock, zu sehen, dass es überall passierte. Man konnte niemandem mehr die Schuld geben: Keiner Regierung, keiner Terrorgruppe, niemandem.
Denn wer würde auch die Windräder im eigenen Land zerstören? Und wer hatte schon die Möglichkeit zu so etwas?
Und ich wusste, was ich tun musste. Ich musste Zed finden. Ja, mag sein, dass er ein Mörder war. Aber er schien der einzige, der mehr wusste als alle anderen.
Vielleicht auch nicht. Vielleicht wussten auch die Regierungen mehr. Denn ein paar Stunden nach dem völligen Take Down berichtete plötzlich kein Sender mehr darüber. Niemand bekam die Bilder zu sehen, nur konnten sie das Internet nicht stoppen, auch wenn es sicher versucht wurde.
Was wollte man vertuschen?
Phil und Millie gingen zu Phil nach Hause und ich fuhr nur planlos durch die Gegend.
Wie sollte ich Zed finden? Er könnte überall sein.
Schließlich entschloss ich mich, bei den Unglücksstellen vorbeizufahren. Er hatte den Flügel sehen wollen, da dies ja schlecht ging, würde er vielleicht bei einem der anderen Räder sein.
Es war inzwischen Nachmittag und die Sonne färbte den Himmel blutrot. Welch eine Ironie. Die Wracks schienen einen zarten rot Ton anzunehmen und schimmerten einsam zwischen den kahlen Bäumen hervor.
Bei dem ersten, bei dem ich vorbeikam, stand viel Polizei herum, Teile des Fußes wurden mit Kränen verladen und ein heilloses Gewimmel herrschte. Hier würde ich Zed sicher nicht finden.
Bei den nächsten beiden spannte sich Flatterband zwischen den Bäumen und wenige Polizisten kontrollierten die Umgebung. Doch die Stellen waren sowieso gut einsehbar, ungesehen konnte man nicht zum Windrad kommen, Zed war nicht da.
Das fünfte Rad lag verborgener.Von der Straße konnte ich es nicht überblicken, also parkte ich und ging näher heran.
Die Sonne schwand nun gänzlich hinter die Bäume, aber das kam mir recht. Im Dunkel würden die Polizisten mich nicht so leicht sehen.
Drei von ihnen saßen in einem Bauwagen, von dem aus sie den obenen Teil mit dem Rad sehen konnten. Sicher liefen sie ab und an eine Runde, doch es war kalt und ich glaubte, sie würden nicht so bald herauskommen. Ich schlich in einem großen Bogen durch den Wald zum Fuß des Windrads. Unter dem Flatterband kroch ich hindurch. Das weiße Metallgehäuse war leicht zu sehen, die Zerstörung konnte ich nur erahnen. Ich stolperte immer wieder über Äste und Baumstämme, die beim Aufprall umgeknickt waren.
Langsam schlich ich am Fuß des Windrades entlang, er war so hoch wie die kleinsten Bäume, also fast schon überschaubar, und hielt immer Ausschau. Als ich den Flügeln und damit den Polizisten zu nahe kam, machte ich kehrt, lief zurück und versuchte mein Glück auf der anderen Seite.
Ich hörte ein Geräusch links von mir, ob das Zed war? Aber bevor ich näher herankam, packte mich ein Arm von hinten und eine Hand auf meinem Mund erstickte meinen Schrei.
"Schtt. Ganz leise." Ich erkannte Zed an der Stimme und ließ zu, dass er mich hinter ein Gebüsch zog - die Hand immer noch auf meinem Mund.
Das Geräusch, dem ich hatte folgen wollen, wurde lauter, dann hörte man Stimmen und der Strahl einer Taschenlampe durchbrach die Dunkelheit.
"Absolut bescheuert, dass wir auf das Teil aufpassen müssen. So was großes kann man ja nicht einfach wegklauen."
Wenn du wüsstest.
"Zumindest werden die Überstunden bezahlt." Die drei Polizisten kamen näher.
Der Lichtkegel wanderte über das Metallgehäuse neben uns und ich erstarrte. Seht uns bloß nicht!
Der Kegel schwenkte weiter und die Stimmen entfernten sich wieder.
Ich klopfte Zed auf den Arm, er sollte endlich die Hand von meinem Mund nehmen. Ich hatte kapiert, dass ich leise sein musste - aber nein, der Herr ließ sich natürlich nicht dazu herab. Erst als die Polizisten sicherlich weiter weg waren, ließ er mich los.
"Was machst du hier?", herrschte er mich an. Gute Laune lässt grüßen - nicht.
"Ich hab dich gesucht.", auch ich klang gereizt. "Hast du das mitgekriegt heute? Ich will wissen was hier läuft und du weißt offensichtlich mehr."
Er verschränkte die Arme demonstrativ. "Das geht dich nichts an."
Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert, aber Killer und so, da ließ ich das besser. "Klar tut es das! Das geht alle was an. Und ich geh hier nicht weg, ich hör nicht eher auf dich zu nerven, bis ich Antworten habe!"
Zed fuhr sich durchs Haar und wippte nervös auf und ab.
"Hör zu, geh nach Hause, hier ist es nicht sicher."
"Ich lass mich nicht abwimmeln!"
"Kassandra, ich mein das ernst, verschwinde! Na von mir aus treffen wir uns morgen. Nicht jetzt, jetzt muss ich arbeiten und für dich ist es zu gefährlich."
"Und woher weiß ich, dass du mich nicht nur verarschst?"
Er zögerte kurz, dann zog er sein Handy heraus. "Ich geb dir meine Nummer. Das ist besser so. Du fährst jetzt direkt nach Hause, und wenn etwas passiert, dann ruf mich sofort an. Irgendwas, das komisch ist." Er deutete auf meinen Arm. "Ich hab das so noch nie gesehen. Alle anderen, die so eine Hautverfärbung hatten sind gestorben. Vielleicht sind sie hinter dir her."
Der Typ verwirrte mich vollkommen. Ich war hergekommen, um Antworten zu erhalten, jetzt wusste ich noch weniger als gestern
"Wer sie? Und du hast sowas schon gesehen?"
"Morgen!" Und weil er wieder ziemlich mörderisch aussah, knickte ich schließlich ein, nahm seine Nummer und schlich durch den Wald zurück.
Es war noch dunkler geworden, so brauchte ich um einiges länger und fand Mamas Auto auf der Straße fast nicht mehr. Der Elektromotor sprang leise surrend an und ich fuhr los.
Stumm folgte ich der Straße und grübelte über dieses sehr merkwürdige Treffen nach. Immer wenn ich mit dem Typ zusammen traf, warf das noch mehr Fragen auf.
Die Autoscheinwerfer flackerten und ich schlug einmal kräftig aufs Amaturenbrett. Technik war nur mit Gewalt beizukommen, ganz egal was Papa immer sagte.
Die Lichter flammten wieder auf und leiteten mich sicher nach Hause. Und morgen würde ich mich als aller erstes bei Zed melden. Er musste mir endlich ein paar Antworten geben!

2050 - Rule oneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt