Deutschland, 23. Februar 2050
Die Wolken jagten über den Himmel und ein kalter Wind fuhr vom Meer übers Land. Die Vogelschreie, die ich so lange vermisst hatte, tönten jetzt als schrilles Kreischen in meinen Ohren. Möven trieben auf dem Wind und Schwärme von kleinen Vögeln sammelten sich überall in luftiger Höhe. Ich fragte mich, wohin sie wohl verschwunden waren und woher sie so plötzlich wieder auftauchten. Aber das würde wohl immer ihr Geheimnis bleiben.
Das Blaue des Himmels war fast gänzlich verdeckt und die Sonne schaffte es nur die Landschaft in eine düsteres Licht zu tauchen.
Vielleicht sah ich auch nur meine eigene Hoffnungslosigkeit in der Natur.
Wir hatten Ginger verloren. Und ein Haufen Soldaten, Agenten und Organsisationsmitgleider standen zwischen uns und seiner Befreiung.
Aber Abhauen war keine Option. Wir würden niemanden zurücklassen.
Meine Haare waren vom Wind, aber womöglich auch von meinem häufigen Hindurchfahren völlig verknotet und standen in alle Richtungen ab. Ich blieb mit den Fingern darin hängen und fluchte.
"Was jetzt?", fragte ich zum hundertsten Mal und blieb stehen. Zed drehte sich einmal im Kreis und sondierte die Umgebung.
"Bewegung. In Bewegung bleiben!" Er packte meinen Arm und zog mich weiter.
"Das hilft Ginger nicht!"
"Geduld hilft Ginger gerade am meisten. Reiß dich zusammen." Er zog mich hinter eine Gebäudeecke und ließ zwei Soldaten im EIlschritt vorbüber ziehen.
"Wir werden-" , er brach ab, als laute Schreie an unsere Ohren drangen. Sie waren so verzweifelt, wie die Schreie der Vögel, aber es waren Menschen, die riefen.
Bevor Zed mich zurückhalten konnte, huschte ich vor. Ich musste wissen, was da passierte. Ich umrundete die letzte Ecke und lugte dahinter hervor auf den Platz vor Hangar zwei. Entsetzt riss ich die Augen auf.
Menschen wurden aus dem Hangar getrieben, über den Platz den Weg hinab, der zum Tor führte. Männer, Frauen, Kinder. Junge und alte.
"Sie werfen sie wirklich raus!"
"Eigentlich besser. Wenn diese Welle kommt, sollte niemand mehr hier sein." Zed war dicht hinter mir geblieben.
"Aber sie werden nie schnell genug laufen können, um dieser Welle zu entkommen!", entrüstete ich mich. Vor meinem inneren Auge konnte ich förmlich sehen, wie das Wasser auf das Land zurollte, die Menschen mit sich riss und alles verschluckte. Wir mussten sie irgendwie warnen. Aber das war Punkt zwei auf der Tagesordnung. Zuerst mussten wir unseren Freak wieder kriegen.
"Hör zu." Zed drehte mich zu sich um und sah mir scharf in die Augen. "Ich hole meine Ausrüstung. Ich brauch die Waffen und Geräte. Du wartest hier. Tu nichts. Bleib hier.", er betonte die letzten Worte und ließ mich erst los, als ich nickte.
Sobald er außer Sicht war, wirbelte ich wieder herum und verfolgte das Geschehen mit den Augen. Wütend ballte ich die Hände. Könnte ich nur etwas tun!
Meine Aufmerksamkeit wurde auf einen kleinen Kreis von Personen gezogen, die gegen den Strom der Menschen anschwommen und sich ihren Weg in den Hangar kämpften. Ein Blick auf wehendes dunkles Haar und einen alten Trenchcoat genügten für mich. Sie hatten Ginger in die Mitte genommen und verschwanden mit ihm im Inneren. Ich wusste, ich sollte auf Zed warten, aber ich konnte nicht einfach herumstehen!
Ich huschte an der Wand entlang und schlängelte mich um ein paar Leute herum. Eine Frau klammerte sich mit aller Gewalt an den Arm eines Soldaten, er versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien. "Bitte! Wo sollen wir hin? Bitte nicht!" Die Panik stand dunkel in den Augen der Frau. Der Soldat riss jetzt so heftig an seinem Arm, dass sie stolperte un zu Boden fiel. Im Vorbeigehen trat ich ihm von hinten stark in die Kniekehle, sodass er neben ihr im Dreck landete.
Diese Menschen hatten diese Behandlug nicht verdient.
Drinnen herrschte fast noch mehr Chaos als draußen. Auch wenn der Raum schon sehr leer war. Viele versuchten sich zu verstecken, um so dem Schicksal aller anderen zu entgehen, manch andere hingegen versuchten so viel er konnte mitzunehmen, das ihm draußen helfen konnte.
Ich schlängelte mich zwischen verschobenen Betten hindurch und an Leuten vorbei. Mehr als einmal lief mich jemand fast über den Haufen. Aber die ganze Zeit ließ ich Ginger nicht aus den Augen. Sie waren auf dem Weg in den Raum, den ich erst vorgestern Morgen erkundet hatte.
Mein Bemühen, die Aufnahmebänder zu löschen, um meine Anwesenheit zu verschleiern, hatte uns gerade mal einen Tag geschenkt.
Die Gruppe der Männer verschwand im Inneren, ein Mann blieb vor der Tür um das Eindringen von anderen zu verhindern. Damit leider auch mein Eindringen. Ich könnte ihn natürlich ganz subtiel überwältigen, aber das war eher Zeds Fachgebiet. Ich durchsuchte den Hangar nach einer zweiten Möglichkeit in den Raum einzudringen und wurde nicht enttäuscht. Lüftungsrohre.
Keine kleinen, sondern wirklich große, groß genug, damit ein kleiner Mensch wie ich hineinpassen konnte.
Sie verliefen von links nach rechts über die gesamte Decke des Hangars um so überall für Frischluft zu sorgen. Und da ich in dem Raum keine Fenster gesehen hatte, musste die Belüftung auch dort hinein laufen.
Ich verfolgte das Rohr, das über der Tür in den Raum lief, bis zu seinem anderen Ende und kletterte dort auf ein Bett um es zu erreichen. Über meinem Kopf drehte sich ein Ventilator in dem Rohr, der die Luft in den Hangar bließ, nur von einer verschraubten Abdeckung verschlossen.
Ich brauchte etwas um diese Schrauben zu lösen! Etwas kleines, dünnes... Eine Idee ploppte in meinem Kopf auf und ich blickte an mir herab. Ich trug ein kariertes Hemd von Dalia, das mit schwarzen Knöpfen bestückt war. Ich fuhr über den Rand eines dieser Knöpfe. Dürfte passen...
Den Knopf abzureisen war ein bisschen fummelig, aber machbar. Die Abdeckung damit abzuschrauben war schon ein bisschen schwieriger. Dass ich dabei niemandem auffiel, verdankte ich dem großen Chaos um mich herum. Niemand achtete auf mich.
Bei der zweiten Schraube rutschte ich ab und der Knopf fiel auf den Boden und entschwand meinem Blick. Ich hielt mich nicht mit suchen auf, sondern riss direkt den nächsten vom Hemd ab.
Ich musste noch zwei weitere Knöpfe verschwenden, bis ich die Abdeckung ganz lösen konnte. Ich warf sie achtlos auf das Bett unter mir. Den Ventilator anzuhalten war nicht schwer. Ich trat mit voller Wucht gegen einen klapprigen Stuhl und brach so eines der Beine heraus. Damit verkeilte ich die Rotohrblätter und ruckelte so lange an dem angehaltenen Ventilator, bis er sich aus seiner Verankerung löste.
Alles was ich jetzt noch machen musste, war mich an den Kanten des Rohres festzuhalten und mich hochzuziehen.
Ich sollte wirklich mehr trainieren, das ging ganz schön auf die Arme. Und die Bauchmuskeln. Nicht sehr elegant, aber zweckdienlich, schaffte ich es, mich in das enge Metallrohr zu quetschen. Es quietschte gefährlich, als ich mit meinem vollen Gewicht darin lag. Langsam, sehr vorsichtig, robbte ich in dem Rohr nach vorne. Durch weitere Ventialtoren fiel Licht in das Rohr und leitete so meinen Weg. Ich konnte, wenn ich durch diese Öffnungen nach unten sah, erkennen, dass ich dem Raum immer näher kam.
Endlich sah ich unter mir den Soldaten und die Tür und robbte über sie hinweg. So leise wie möglich, versteht sich. Der Mann sah sich dennoch etwas verwirrt um, aber sein Blick glitt nicht nach oben um die Quelle des schabenden Geräusches zu finden.
Vor mir wurde es dunkel, die Geräusche aus dem Hangar drangen nur noch gedämpft an meine Ohren. Mein Atem hallte in dem engen Metalltunnel wieder. Gott sei dank hatte ich keine Klaustrophobie. Obwohl es sogar mir hier langsam zu eng wurde.
Ich ertastete vor mir eine Kurve und als ich mich um die Ecke bog, sah ich endlich wieder Licht und hörte neue Stimmen.
"Ist er es?" Zu hundert Prozent Inger Bond. Ich wartete, bis wieder jemand sprach, bevor ich weiter robbte.
"Nein. Da ist eine schwache Energiesignatur, aber sie ist nicht so stark." Ich konnte die Stimme nicht sofort zuordnen, da ich sie noch nicht so oft gehört hatte, aber dann wurde mir bewusst, dass es Tarence Pride war, der sprach. "Er hatte auf jeden Fall Kontakt zu dem Subjekt."
Wenn ich in diese Unterhaltung gerade richtig eingestiegen war, dann hatte Pride mich gerade ein 'Subjekt' genannt! Sie hatten sich offenbar gefragt, ob Ginger derjenige war, der so von Gravar behaftet war.
Ich erreichte die Lichtquelle, den letzten Ventilator und blickte hinab. Ich war fast direkt über Ginger und wenn ich etwas schräg guckte, konnte ich Inger und Poke vor ihm sehen. Poke hielt einen gewissen Sicherheitsabstand. Pride musste außerhalb meines Blickfeldes stehen.
"Du warst mit Kassandra Werdens unterwegs. Ist sie auch hier?" Inger hatte sich jetzt dicht vor Ginger aufgebaut. Er saß auf einem Stuhl, die Hände waren hinter der Lehne mit Metallfesseln befestigt. Dunkles Blut ließ aus seiner Nase und einer Platzwunde an der Stirn. Seine Haare fielen ihm wirr ins Gesicht, aber er hatte den hochmütigen, überlegenen Blick nicht verloren. Er starrte Inger geradewegs in die Augen.
"Wer war der Mann bei euch?", fragte der Agent weiter, als er keine Antwort bekam. Wieder machte Ginger nichts weiter, als ihn anzustarren.
Inger atmete einmal tief durch, fuhr sich durch die Haare und beugte sich dann bis auf Augenhöhe zu Ginger hinab. Ihre Gescihter waren jetzt dicht voreinander.
"Was wolltet ihr in der Sattelitenstation?"
Gingers Antwort war sehr eindeutig. Er zog den Kopf zurück, nur um ihn dann nach vorne und gegen Ingers Nase krachen zu lassen.
"Gott!", fluchte der Mann und wich zurück, die Hand über der Nase, zwischen den Fingern bahnte sich Rotes seinen Weg. "Ich werde rausfinden, was ihr treibt!" Inger war nur undeutlich hinter seiner Hand zu verstehen. Er verschwand aus meinem Blickfeld, sicher um sich ein Tuch zu holen.
"Na dann, viel Glück.", waren die ersten Worte, die Ginger sprach. Er hatte sich zurückgelehnt, wirkte ganz entspannt, als wäre er nur auf einem Plausch mit ein paar alten Kumpels.
"Ich glaube nicht, dass das hier etwas bringt.", merkte Poke leise an.
"Hör auf deinen Partner, er ist vernünftig." Ich konnte das Grinsen in Gingers Stimme hören.
Inger tauchte wieder auf, mit der rechten Hand hielt er ein Tuch über seine Nase. Er war mir eigentlich nicht wie der Typ vorgekommen, der die Drecksarbeit erledigte, aber jetzt schien er sauer zu sein.
"Was wolltet ihr dort? Was sind eure Absichten?" Er schlug zu und Gingers Kopf flog zur Seite. Ich unterdrückte einen Aufschrei und schlug mir die Hand vor den Mund.
Das war also mein toller Rettungsplan. Ich hatte es zwar theoretisch in das Zimmer geschafft, aber praktisch kam ich aus diesem Rohr nicht heraus. Der einzige Ausgang war von einem Ventilator und einem Gitter versperrt. Daran hatte ich nicht gedacht.
Pride tauchte in meiner Sicht auf, in der einen Hand hielt er noch ein Gravar-Messer. Er schritt hinter Ginger auf und ab. "Was immer ihr plant, hat keine Erfolgsaussichten. Für dich wäre es besser uns einfach zu verraten, wie ihr mit Gravar in Kontakt gekommen seid."
"Und du bist?", spuckte Ginger mit ein bisschen Blut aus.
"Nenn mich einfach, Alpha." Der Hochmut aus Prides Stimme ließ mich fast kotzen. Ginger stieß einen trockenen kehligen Laut aus. Erst nach ein paar Sekunden wurde mir bewusst, dass es ein heißeres Lachen war. Die im Raum versammelten schienen mehr als irritiert.
"Warum lachst du?", knurrte Pride.
Ginger sah auf und legte den Kopf ein Stück zur Seite.
"Alpha, also? Über dich habe ich ein paar Geschichten gehört, aber in denen heißt zu 'Pride', nicht war, Tarence?" Stille folgte auf diese Worte.
Pride trat langsam und bedrohlich vor Ginger. "Was hast du gesagt?", fragte er sehr leise.
"Ich hab gehört, du verrätst gerne Freunde, Pride, und hast ein kleines Problem was den Machthunger angeht. So unstillbar..." Ginger klang recht vergnügt.
"Woher kennst du diesen Namen?"
"Du meinst, deinen Namen? Den hat ein Vögelchen mir geflüstert. Oder war es nur der Geist von Harry?" Gingers Stimme hatte jetzt jeden Klang von Spott verloren und war dunkel und bedrohlich.
Er spielte mit dem Feuer, er reizte Pride bis aufs Blut.
"Halt den Mund."
"Warum? Gerade sollte ich doch noch reden?"
"Jetzt solltest du die Kunst des Schweigens besser beherrschen!" Pride zitterte vor Wut.
Aber Ginger konnte es nicht lassen. "Kunst des Schweigens... Hat dir das dein Daddy beigebracht? Aber darin konntest du ihn wohl auch nicht stolz machen. Hast ihn ja vor seinem Tod eigentlich nie stolz gemacht!"
Niemand konnte so schnell reagieren. Pride hatte in Sekundenschnelle die Waffe aus Ingers Holster gezogen und noch bevor sich jemand im Raum bewegen konnte, hallte der Knall des Schusses schon durch das Zimmer. Der Klang verhundertfachte sich im Echo des Lüftungsrohres, tanzte um mich herum, vermischt mit dem Wiederhall meines Schreis. Diesen hatte ich nicht unterdrücken können.
Schwarzes Blut quoll aus Gingers Brust und trenkte seinen Trenchoat. Er kippte samt Stuhl auf dem er saß zur Seite.
Ich zuckte heftig zurück, die ersten Tränen brannten in meinem Augen. Mein Kopf stieß gegen das Rohr und die Blicke aller schossen bei diesem erneuten Geräusch zur Decke.
Pride hob ohne zu zögern die Waffe und schoss. Die Kugel drang vor mir durch das Metall und löcherte die Röhre. Ich wich so hektisch zurück, dass die Halterungen und Nieten, die die Röhre an der Decke und zusammen hielten, ärgerlich protestierten. Ich hatte zu heftig und zu schnell reagiert und zahlte im nächsten Moment den Preis. Das altersschwache Rohr löste sich von der Decke und ich krachte darin zu Boden. Mein Kopf knallte gegen das Metall und es summte bedenklich. Ich hatte das Gefühl in einem riesigen Strohhalm zu liegen. Ich robbte nach vorne, dem Licht entgegen, wärend meine Sicht immer wieder verschwamm. Ich zog mich aus der Röhre und rollte auf den Rücken.
Ein Piepsen in meinen Ohren übertöhnte alle anderen Geräusche. Nur sehr undeutlich konnte ich alles um mich herum wahrnehmen. Jemad lag auf dem Boden... Pride, das Rohr hatte ihn geradewegs getroffen. Charma...
Aufgewirbelter Staub legte sich langsam, eine Gestalt näherte sich mir. Ich kniff die Augen zusammen, um sie zu erkennen.
Jemand griff in meine Haare und zog mich hoch. Ich schrie vor Schmerz und griff nach der Hand, die mich hielt. Ich wurde herumgedreht und stattdessen an den Armen gepackt. Ich starrte geradewegs in Ingers Augen.
"Lass los.", stöhnte ich. Etwas Warmes füllte meinen Mund und ich wurde mir bewusst, dass ich mir bei dem Sturz auf die Zunge gebissen hatte.
Irgendwo tief in mir drin wusste ich, dass ich jetzt nach Meyro suchen sollte, seine Kraft benutzen, um mich aus dieser Lage heraus zu manövrieren, aber in meinem Kopf herrschte Chaos. Die Welt wollte nicht recht in den Fokus rücken, ich konnte mich nicht konzentrieren und das Piepsen machte mich verrückt.
Ich schaffte es nicht die reine, warme Energie in mir zu finden.
Zu meiner Überraschung ließ Inger mich jedoch tatsächlich los und ich stürzte haltlos zu Boden. Vielleicht auch nicht so überraschend. Er hatte gesehen, was mit Gaver passiert war, als der mich berührt hatte.
Ich rollte mich auf dem Boden zusammen, spuckte Blut. Und dann schossen meine Gedanken zurück zu Ginger.
"Ginger!", röchelte ich, stemmte mich hoch. Dann sah ich ihn. Er lag nicht weit von mir entfernt auf dem Boden. Seine Augen sahen mich an, Blut lief aus seinem Mund und jeder Atemzug schien ihm schwer zu fallen. Er lebte noch, aber er starb.
"Oh, dummes Kleines. Ich komm doch klar.", hauchte er.
"Ja, das seh ich.", presste ich heraus.
Mein Blick zu ihm wurde unterbrochen, als Pride sich aus den Rohrresten befreite und mühsam aufstand. Er wischte Splitter von seiner Jacke, ein blutiger Striemen lief quer über seine Wange.
Er hatte die Waffe noch immer in der Hand, aber Inger war mit zwei Schritten bei ihm und nahm sie ihm ab.
"Verflucht, niemand außer mir schießt auf meine Gefangenen!", schrie er. Dann richtete er die Waffe auf mich. In den Lauf einer Waffe zu blicken, die immer wieder verschwimmt, weil man wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung hat, ist wirklich kein Spaß. "Und du, bleibst wo du bist. Keinen Scheiß!"
Endlich schaffte ich es auch den Rest des Raumes wahrzunehmen. Es war nicht das Zimmer mit den Monitoren, sondern das zweite. Eine Art kleines Büro. Ein Schreibtisch auf der einen Seite, die Tür gegenüber. Bücherregale und Waffenschränke an den anderen Wänden. Ginger verteilte sein Blut in der Mitte des Raumes, das Rohr blockierte den Weg zur Tür. Ich saß direkt neben der Wand und war froh mich dagegen lehnen zu können. Inger und Pride standen zwischen mir und Ginger, der eine sah recht lädiert aus, der andere noch ein bisschen lädierter.
Poke stand noch immer am Schreibtisch, den Mund leicht geöffnet, als könne er mein Auftauchen noch nicht recht begreifen.
In der Tür stand der Mann, mit dem Inger sich unterhalten hatte, als ich das erste mal hier gewesen war. Er war militärisch gekleidet, sein Blick krietisch als er zwischen mir und Inger hin und her schweifte.
"Das ist nur ein kleines Mädchen.", er schien recht verwirrt von Inger zu sein. "Keine erst zu nehmende Bedrohung, auch wenn sie gerade aus der Decke kam."
Nur ein kleines Mädchen?
"Da täuschst du dich.", knurrte Inger. "Hat einen unserer Besten getötet, unsere Zentrale in Brand gesteckt und ich hab keine Ahnung wie."
Pride starrte mich an, in seinem Kopf ratterte es sichtlich. Ich schloss die Augen, versuchte meine Gedanken zu klären, aber es war nicht möglich. Der Gedanke an Ginger, der neben mir starb, meine heftigen Kopfschmerzen, die Gefahr in der ich mich befand... Es war alles zu viel auf einmal.
Und dann machte es 'Klick' bei Pride. Er fischte sein Gravar-Messer unter ein paar Deckenresten hervor und schaltete es an. Das Piepen übertönte augenblicklich das in meinem Kopf und war kein Stück weniger nervig.
Pride schaltete es aus und stieß triumphierend die Faust in die Luft. "Das ist es!" Er beugte sich zu mir hinunter, sein Gesicht verzerrt. Ein Gesicht aus dem der Wahnsinn sprach.
"Wie hast du es geschafft? Wie hast du dir diese Macht zu Eigen gemacht?"
Ich schüttelte den Kopf. Ich würde ihm nicht antworten und ich konnte auch nicht. Ich wusste es ja selbst nicht alzu genau. Pride packte meinen Hals und zwang mich ihn anzusehen. "Wie?!"
"Nehmen Sie besser die Finger weg!", warnte Poke aus dem Hintergrund.
Meyro!
Ich wusste, er war da, aber ich konnte ihn nicht erreichen.
"Ja, nehmen Sie besser die Finger weg. Das erste Schlaue, das Agent Bond heute gesagt hat." Ich erkannte die Stimme sofort, aber sie sprach so klar, so kraftvoll. Es war nicht möglich. Es war Ginger.
Pride ließ mich los und wirbelte herum, ich fixierte meinen Blick ebenfalls auf die am Boden kniende Person.
Es war ganz und gar unmöglich was ich sah, aber ich sah es dennoch. Anstatt tot am Boden zu liegen, richtete Ginger sich langsam auf, die Hände noch immer auf dem Rücken gefesselt. Sein Blut verunstaltete sein Gesicht, seinen Oberkörper. Und es fiel mir erst jetzt bewusst auf. Sein Blut war nicht rot, es war blau, so dunkelblau, dass es fast schwarz wirkte.
Der Atem stockte bei diesem Anblick in meiner Kehle.
"Ein glatter Durchschuss, nett. Tut ein bisschen weh, aber nicht so nervig, wie wenn die Kugel stecken bleibt. Aber mein Trenchaot ist ruiniert. Den hab ich echt gemocht!" Seine überirdischen Augen leuteten in seinem intensiven Sturmgrau, doch dunkle, lilane Fäden färbten die Iris.
"W-w-was? W-wie?", krächzte Pride und wich einen Schritt zurück.
Jeder im Raum wurde vom selben Schock gelähmt.
Ginger war kein Mensch.
Seine ganze Erscheinung, wie aus einem Horrorfilm.
"Ich mag es nicht, wenn man mich erschießt." Und dann grinste er.
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2050 - Rule one
Science Fiction- Schwer atmend hielt ich in einer Querstraße zu seiner Wohung an und keuchte: "Da ist es." Zed beugte sich vor (kein Stück aus der Puste übrigens) und zog sogleich den Kopf wieder zurück. "Oh shit!" "Was?!" Ich sah jetzt meinerseits um die Ecke und...