Tränen

190 10 0
                                    

Die nächsten Tage bleibe ich im Bett liegen, spreche mit keinem, sehe keinen, lasse keinen rein. Ich mache mir keine Vorwürfe und ihm auch nicht. Ich bin einfach nur enttäuscht von der Situation, von dem Weg, den wir beide gewählt haben. Hatte es so weitergehen müssen? Wie hatte ich es geschafft mich an dem einen Abend so gut zu fühlen, obwohl ich doch genau wusste, dass das niemals gut gehen würde?

Die von Liz und Emma geplante Party wurde abgesagt und sie ließen mich allein, nachdem ich sie hundertmal darum bitten musste. Liz hatte etwas empört reagiert, als sie erfuhr, das ich sie angelogen hatte, als ich gesagt hatte ich sei Single, aber Emma hatte sich bereiterklärt ihr alles zu erklären.

Und nun liege ich immer noch hier und sollte eigentlich in der Schule sein, aber ich habe keine Lust. Ich weiß nicht ob ich jemals wieder Lust dazu haben könnte und wünsche mir mit Jerry am Lagerfeuer zu sitzen und zu lachen, als sei alles gut. Dann schließe ich die Augen und wünsche mir alles wäre vorbei.

****

"Du bist also Leon?", begrüßt meine Mutter meinen Freund der etwas unbeholfen in der Küche steht. Er nickt. "Schön dich kennenzulernen." Sie hält ihm die Hand hin. Es hatte einiges gedauert, bis mich meine Mutter dazu gebracht hatte ihn mitzunehmen und ich bereue es jetzt schon.

"Ebenfalls", sagt er und schüttelt die Hand. Ich beobachte wie die beiden sich in die Augen blicken und hoffe das die Belustigung im Blick meiner Mutter nicht das bedeutet, was ich glaube.

"Können wir dann gehen?", frage ich schnelle, bevor der Moment noch peinlicher wird.

"Wollt ihr nichts essen?" Meine Mutter sieht uns enttäuscht an.

"Nein", sage ich fest und ziehe Leon aus der Küche.

"Schade", ruft sie uns hinterher.

"Nett", stellt er fest, als wir in meinem Zimmer stehen.

"Sicherlich nicht dein Geschmack", sage ich und werfe mich auf den Schreibtischstuhl.

"Muss es ja nicht", sagt er und sieht aus dem Fenster, so wie ich es immer mache, wenn ich nicht weiß was ich machen soll. "Ihr habt einen riesigen Garten", stellt er fest und zieht das 'riesig' extra lang.

"Mmh", mache ich und betrachte ihn, wie er da steht. Passiert das hier wirklich? Steht er wirklich in meinem Zimmer? Ist er wirklich mein Freund. Ich stehe auf und stelle mich neben ihn. "Meine Eltern fanden das so romantisch", sage ich und lächle.

"Ist es auch", sagt er und küsst mich. Ja, denke ich, er ist mein Freund.

****

Ich starre die Tür an. Das Haus ist still. Andre ist bei Jens und Emma oder Liz, die in der letzten Zeit fast schon hier wohnen, sind heute ausnahmsweise mal zu Hause geblieben. Es ist Sonntag. Seit vier Wochen halte ich es jetzt nun schon hier aus und weiß nicht, ob ich nicht doch gelogen habe, als ich sagte nicht mehr weg zu wollen. So wie ich mich in den letzten Tagen gefühlt habe, so glücklich, das wirkt alles viel zu falsch, wenn man bedenkt, was ich gesagt habe, als ich noch bei Jerry war. Tim habe ich fast schon vergessen- besser gesagt verdrängt. Verdrängen scheint meine große Stärke zu sein. Heute ist irgendwie alles anders. Ich habe heute Abend ein weiteres Date mit Sam, als hätte Tim nie existiert, Jerry kommt nächstes Wochenende zu Besuch und meine Oma, die ich ehrlichgesagt seit ich hier bin noch gar nicht gesehen habe, will morgen kommen. Und das alles habe ich am heutigen Tag erfahren. Die Mathearbeit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht verhauen und Rose hat sich einverstanden erklärt, mich in den Herbstferien nach Frankreich zu lassen.

Also warum jetzt nicht den Schritt wagen, den ich mich nicht traue zu gehen? Heute kann alles passieren. Innerlich wünsche ich mir hinter dieser Tür meine Eltern zu sehen, die mich munter und lebendig ansehen. Ich wünsche mir das alles wäre nie passiert. Und ich drücke die Klinke hinunter. Ich weiß nicht was ich dahinter finden soll. Und das erste Bild an der Wand lässt mich zurück schrecken. Ich sehe sie vor mir. Sie wie sie mich anlächeln und schließe die Tür wieder. Es ist noch nicht so weit, flüstert etwas in mir- die Stimme meiner Mutter.

Make a wishWo Geschichten leben. Entdecke jetzt