Allein

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Die Schlange ist nicht allzu lang, doch der Bedienung scheint einige Probleme mit der Kaffeemaschine zu haben. Während ich wartend in die Gegend herum starre unterhalte. Sich vor mir zwei Frauen auf Französisch über ihre Reiseziele. Plötzlich spricht mich die vordere an.
"Können Sie mir sagen wie spät es ist?", fragt sie freundlich auf Englisch. Sie wirkt wie eine junge Mutter. Unter ihrem blau- weiß gestreiften T-Shirt bildet sich ein kleiner Babybauch ab. Sie trägt weite Jeans und über ihrer Schulter liegt eins dieser Baby- Kotz- Tücher.
"Sie könne auch Französisch sprechen", erkläre ich. Sie sieht mich erstaunt an.
"Ich hatte Sie gerade mit ihrer Mutter Deutsch sprechen hören da dachte ich..."
"Sie ist nicht meine Mutter", unterbreche ich sie.
"Oh, Entschuldigung", sagt sie schnell. Ich mache eine abwertende Handbewegung.
"Ich habe drei Jahre hier gelebt", erkläre ich um diese leicht peinliche Situation zu überbrücken. Plötzlich muss ich an diese ganzen Rollenspiele denken, die wir früher in Englisch immer machen mussten um das freie Sprechen zu üben. Man war immer in einer Situation am Flughafen und der oder diejenige neben einem sprach einen an. Ich habe es gehasst.
"Drei Jahre?", sagt sie verblüfft. "Was hat Sie denn hier her verschlagen?" Ich verziehe das Gesicht.
"Meinungsverschiedenheiten", sage ich knapp. Sie nickt langsam.
"Und jetzt geht es zurück?", fragt sie neugierig. Ich nicke zögernd. Endlich hat es die Bedienung geschafft den Automaten zu reparieren und die Frau wirft mir ein kleines, freundliches Lächeln zu und dreht sich dann wieder um.
Beladen mit vier Bechern Kaffe kehre ich zurück zu den anderen. Emma hat sie weiter nach vorn zu ihre. Eltern gesetzt und ich beobachte sie, wie sie mit ihrem Vater über einen Artikel in einem Magazin lacht, während ich meinen Kaffee schlürfe. Eine kleine, unscheinbare Träne kullert mir die Wange hinunter. Ich möchte dieses Gefühl wieder haben jemanden zu haben, der alles von mich weiß und mich trotzdem liebt, der mich trotz all meiner Fehler und und Fehltritte genau liebt, wie in der ersten Sekunde. Ja, ich liebe Tim, aber eine solche Person ist er nun mal nicht, er kann meine Eltern nicht ersetzen.
Plötzlich lässt sich Rose neben mir nieder. "Ich habe gerade mit Frank gesprochen. Anna ist schon ganz gespannt dich wiederzusehen." Frank ist ihr Mann und Anna ihr Tochter, die damals, als ich floh acht Jahre alt war. Heute muss sie wohl elf sein. Früher war sie eine riesige Nervensäge, lag mir immer in den Ohren mit ihren Babies und den neusten Freunden, die sie sich angeschafft hatte. Ich war oft bei Rose gewesen, wenn meine Eltern Arbeiten waren. Eigentlich habe ich mich immer recht gut mit ihr verstanden aber der Tod meiner Eltern hat einiges durcheinander gebracht. Ich zucke mit den Schultern und Wende den Blick von ihr ab. "Ich weiß, dass das alles für dich schwer ist, Emilie. Aber irgendwann musst du zurück ins richtige Leben."
"Das war mein Leben", flüstere ich. "Du hast ja keine Ahnung." Ich wage es nicht sie anzuschreien. Nicht hier. Nicht hier, wo alles eh schon zu spät ist. Rose fängt an in ihrer Tasche zu kramen. Nach einiger Zeit zieht sie etwas heraus: ein Foto. Es ist leicht vergilbt und an den Rändern klebt nicht der Tesafilm, mit dem es an der Wand befestigt worden war. Als sie mir das Bild reicht muss ich schlucken.
"Ihr habt es verkauft, oder?" Rose sieht mich lange nachdenklich an.
"Nein", sagt sie leise. "Das konnten wir nicht. Nicht ohne deine Einwilligung.

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