Trottel, idiot und keine Entschuldigung

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„Tim du Arsch!", schreit Emma den verdutzen, Austauschschüler aus Wales an. „Wie kannst du es nur wagen?! Du hast ihr verdamt nochmal das Herz gebrochen!" Ich stehe hinter ihr, beobachte die dabei, wie sie meinen Ex zusammenscheißt und versuche krampfhaft nicht zu lachen, während uns die ganze Klasse anstarrt.

„E-Emma?", stottert Tim verwirrt und starrt meine völlig aufgebrachte beste Freundin erschrocken an.

„Ja du Idiot! Und deine Ex hab ich auch gleich mitgebracht." Als er mich sieht werden seine Augen noch größer.

„Blou?" Innerlich hoffe ich, dass man die Schadenfreude auf meinem Gesicht nicht sieht. „Was- wie-?"

„Kleiner Tip am Rande: erkundige dich vielleicht vorher, auf welche Schule deine Freundin geht, bevor du sie verlässt", motzt Emma weiter.

„Jetzt halt doch einfach mal den Mund, Em!", flucht Tim und damit ist sie endlich ruhig und ich kann mein Lachen nicht mehr verkneifen und pruste los.

„Emilie?" Liz schiebt sich an Tim vorbei und starrt mich entgeistert an. „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?" Dann sieht sie Emma an. „Und was machst du hier?" Emma zuckt mit den Schultern.

„Hab Tim doch so vermisst! Und als ich gehört hab das er hier ist, müsste ich ihn unbedingt sehen." Damit fällt sie Tim theatralisch um den Hals, der allerdings nur noch verdutzet dreinschaut.

„Könnte mich hier vielleicht mal wer aufklären?", drängt sich nun Leon dazwischen und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die ganze Klasse zustimmend nickt. Ich lache leise und hole dann tief Luft.

„Also. Erstens: ich war gestern beim Friseur. Zweitens: Tim, du bist ein Arsch. Und drittens: Emma du solltest jetzt gehen." Ich sehe meine beste Freundin auffordert an.

„Nö, ist doch gerade spannend", erklärt sie und schmeißt sich demonstrativ auf den Lehrerstuhl. Setzten. Gute Idee. Ohne drauf zu achten, dass die ganze Klasse uns anstarrt setzte ich mich auf ihren Schoß und sehe Tim erwartungsvoll an.

„Wie wäre es mit einem ‚Entschuldigung' oder so, Timothy?" Ich weiß wie sehr er diesen Namen hasst, darum finde ich auch das er hier sehr gut hin passt.

„Ich hab mich doch schon bei dir entschuldigt", sagt er und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Das nennst du dich entschuldigen? Also dafür, dass du an meinem Geburtstag übers Telefon mit mir Schluss gemacht hast, nachdem du dich vier Wochen nicht gemeldet hast, sitzt wohl mehr drin." Ich ziehe eine Augenbraue hoch und weiß genau wie sehr ihn das nervt.

„Du hättest dich auch melden können!", versucht er sich zu verteidigen.

„Klar, das verstörte Mädchen, dass gerade von seiner Tante zurück ins Haus der verstorbenen Eltern geschleppt wird meldet sich immer zuerst."

„Darunter scheinst du aber nicht wirklich gelitten haben", stellt er fest.

„Das kann doch jetzt nicht euer Ernst sein", schimpft Emma plötzlich hinter mir. „Denkt ihr irgendjemand hier in Raum hat auch nur ein Wort von dem, was ihr da sagt, verstanden?" Als ich den Kopf zu ihr drehe sehe ich ihren genervten Blick. „Ihr habt drei Sprachen zur Auswahl und nehmt einfach mal die, die kein Mensch versteht." Erst nach ihrer Rede fällt mir auf, dass wir die ganze Zeit Französisch gesprochen hatten. Ups.

„Ich hatte auch gedacht das wir hier englische Austauschschüler hätten." Ich glaube an den Lehrer, der jetzt gerade in der Tür steht, hatte in diesem Moment keiner gedacht. Herr Graumann mustert uns amüsiert. „Also bei dem was ich hier gehört habe und sehe kommen mir drei Fragen auf: Warum sprecht ihr Französisch, Wer ist das Mädchen, dass da auf meinem Platz sitzt und worum zum Teufel geht es hier?" Vielleicht wollte er witzig sein, aber keiner in der Klasse lacht.

„Ich bin Emma West" Emma springt auf, sodass ich zu Boden falle und hält meinem Klassenlehrer die Hand hin.

„Oh, sehr erfreut. Und wie komme ich zu dem Glück?" Die Überraschung in seinem Gesicht ist echt amüsant.

„Spiele die mentale Unterstützung von der wortwörtlich am Boden zerstörten Blou", erklärt sie mit einem Blick über die Schulter und einem sehr gemeinem Grinsen auf den Lippen.

„Mentale Unterstützung? Alter, wegen dir liege ich auf dem Boden", knurre ich und hieve mich schwerfällig hoch.

„Damit wäre eine Frage beantwortet. Bleiben noch zwei", stellt Herr Graumann fest.

„Also", beginnt Emma und innerlich wünsche ich mir gerade sie würde einfach die Klappe halten. „Sehen sie den gut aussehenden Engländer hier vorne", fragt sie meinen Lehrer und weist auf Tim. „Das ist der Ex- Freund und Ex- Beste Freund von dem Mädchen, das da gerade sehr elegant versucht wieder auf die Beine zu kommen." Hundertprozentig mein Part ganz freundlich in ihre Richtung zu gucken um sie mit einem Blick zu töten. Leider funktioniert das nicht ganz. „Die beiden haben sich beim Surfen in Frankreich kennengelernt und seit dem sind sie super gut befreundet. In den letzten Jahren ist er nur für sie jedes Jahr nach Bordeaux geflogen. Gegenseitig habe die beiden sich dann Deutsch, Englisch und Französisch bei-"

„Em, die Kurzfassung bitte", maule ich genervt, aber sie ignoriert mich einfach.

„- beigebracht. Zwei Tage vor ihrer großen, herzzerreißenden Abreise hat er ihr dann ein Liebesgeständnis gemacht."

„Ein Tag", fällt ihr Tim ins Wort.

„Jaja, gut ein Tag davor. Ist jetzt auch egal. Keiner von beiden hatte gedacht das diese wundervolle Liebe so enden würde, denn als das Mädchen nämlich endlich den Boden betrat, den sie sich geschworen hatte, nie wieder betreten zu wollen, schien die magische Spannung zwischen den beiden plötzlich zerstört zu sein.-"

„Em! Du solltest echt Autorin werden!"

„Ich weiß." Sie wirft mir einen triumphiert- amüsierten Blick zu. „Auf jeden Fall haben sie bis zu ihrem Geburtstag kein Wort miteinander geredet. Und dann ruft er sie an ihren siebzehnten Geburtstag an und macht Schluss, weil er's mit seiner Ex nochmal versuchen will." Als sie endet klatsche ich gespielt bewundert Beifall.

„Toll, Em, echt. Nur das Ende war etwas laff..."

„Ja, find ich auch. Ich glaub da muss ich echt noch dran arbeiten..." Nachdenklich setzt sie sich aufs Pult und kaut verstört an ihren Fingernägeln. Ich betrachte meinen Lehrer, der Emma amüsiert mustert.

„Darf ich dazu noch was sagen", fragt Tim plötzlich. Ich starre ihn erwartungsvoll an. „Sie hat mich drei Jahre lang angelogen."

„Das ist jetzt nicht dein Ernst!" Ich springe verärgert auf.

„Was hast du dazu zu sagen, Emilie?" Mein Lehrer scheint das echt lustig zu finden.

„Ich war doch nur da, weil ich das alles vergessen wollte! Außerdem habe ich dich nie angelogen! Ich hab's dir halt nur nie erzählt."

„Halt! Worum geht's?" Hab ich schon erwähnt das uns die ganze Klasse beobachtet? Dann ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass jetzt Nick auftaucht und uns mustert.

„Um ihre Eltern", erklärt Emma, die s h anscheinend wieder erholt hat, ihm und legt einen Arm um seine Schultern. „Übrigens schön dich wiederzusehen."

Er nickt unbeeindruckt. „Ja, finde ich auch." Dann gilt seine volle Aufmerksamkeit wieder uns. „Und was ist jetzt das große Problem?"

Ich hole wieder mal tief Luft und suche nach den richtigen Worten. „Ich bin doch nur abgehauen weil ich hier weg musste. Was sollte ich denn hier noch o- ohne meine Eltern? U- und ohne meinen Bruder." Ich schlucke hörbar und sehe Tim an. „D- du weißt das ich nie zurück wollte. Jetzt bin ich hier und mir geht es gut. Vielleicht besser als mit dir und Jerry!" Tränen Rinnen meine Wangen hinab und ich stürme aus den Raum.

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