schlechtes Timing

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"Em, bitte", flüstere ich und Stelle mich nur so gerade in ihr Blickfeld. "Was muss ich tun, damit du mir vertraust?", murmelt sie und ein Schluchzen begleitet es. "Ich vertraue dir doch!", sage ich und schieben mich zu ihr auf die Hängematte. "Ich vertraue dir mehr als Tim!" Vielleicht ist das eine Lüge, aber die wäre in diesem Moment echt nötig. "Bitte gib mir etwas Zeit. Du wirst alles hören, versprochen. Jedes noch so peinliche Detail und jede noch so kleine Träne. Aber bitte lass mir noch wenigstens Zeit, bis ich den Abschied hinter mir habe. Dann bin ich für dich da." Ich sehe sie traurig an und nun sieht auch sie auf. "Ok, flüstert sie. Ich drücke ihr einen Kuss auf den Kopf und stehe dann auf. "Und jetzt habe ich mein letztes Date in diesem wunderschönen Kaff." Das zaubert ihr ein Lächeln auf die Lippen. "Viel Glück", flüstert sie. Ihre Augen sind noch immer gerötet- und meine sicherlich auch, aber mit einem Lächeln im Gesicht sieht sie viel besser aus. Ich drücken sie ganz fest und mache mich dann auf den Weg zurück zu unserem Platz. Die Uhr an Jerrys Bulli sagt mir, dass es schon sechs ist. Fluchend schnappe ich mir meinen Kulturbeutel und das weiße Sommerkleid, einen schwarzen bikini und meine Schminktasche und hetze zu den Duschen. Für eine gründliche Wäsche fehlt die Zeit, also ziehe ich mich nur schnell um, schminke mich so dezent wie möglich und betrachte mich im Spiegel. Für ein normales Datei würde das hier ganz sicher nicht passen, aber er ist schließlich mein bester Freund und eigendlich sollte es auch nur ein regelmäßiges Treffen werden. Als ich wieder zurückgehe, empfangen mich Rose und Jerry. "Wo willst du denn noch hin?", fragt Rose. Ich weiß nicht, ob sie genervt.oder überrascht ist, aber so wirklich interessiert mich das auch nicht. "Das ist so ein Ritual", erklärt ihr Jerry. Die beiden verstehen schrecklich gut. "Jeden Abend, bevor Tim fährt schauen sie sich abends den Sonnenuntergang an. Sie haben es noch nie ausgelassen, bei Wind und Wetter. Ich weiß nicht was da sonst noch passiert, aber das geht uns auch nichts an." Dafür liebe ich ihn. Immer nur das nötigste und niemals auf einen Streit ausspielend. "Soso", macht Rose und mustert mich. "Hauptsache du bist Morgen früh pünktlich wach." Das war eindeutig genervt. "Das sagt die richtige", schnauze ich und schmeiße Kukturbeutel und Klamotten in den Bulli. Bevor ich gehe drehe ich mich nochmal um und rufe Jerry zu: "Morgen früh, halb sechs auf dem Board. Wenn du nicht da bist, werd ich dir das niemals verzeihen!" Er nickt lachend. "Alles klar!" Ich schnappe mir meine Riemchensandalen und renne in Richtung Rezeption. "Da bist du ja endlich!", begrüßt mich Tim. Er trägt eine kurze, braune Hose, ein dunkelrotes Tanktop und Flip-Flops. An seinem Handgelenk reihen sich sieben ausgewaschene Armbänder, jedes in einer anderen Farbe. Seine dunkelbraunen Haare sind hoch gegeelt und mit diesem Grinsen auf den Lippen sieht er einfach nur verdammt gut aus. Mein Herz schlägt einen halben Meter höher und tausend Schmetterlinge wachen in meinem Bauch auf und fliegen wirr durcheinander. Er stößt einen überraschten pfiff aus und grinst. "Nicht schlecht", sagt er und ich merke, dass er mich die ganze Zeit mustert. "Du hast mich schon hundertmal in diesem Kleid gesehen", erwidere ich. "Schon, aber heute siehst du besonders wundervoll darin aus", meint er. Ich merke wie ich rot werden und lächle schüchtern. "Gehört sich halt für den letzten Abend", erkläre ich leise und hoffe innerlich, dass er das nicht gehört hat. "Stimmt", sagt er genauso leise und ich beiße mir auf die Lippe. Um die peinlich Stille zu umgehen setzte ich mich in Bewegung. Tim folgt mir. Äste knacken unter meinen Schulsolen, kleine Sandkörnchen dringen in die Schuhe ein und kleine Steinchen drücken in die Haut. "Du hast Angst", stellt Tim fest. Ich sehe erschrocken auf. Ich bin so in Gedanken vertieft gewesen, dass ich ihn völlig vergessen hatte. Aber er hat recht. Ich habe Angst, Angst allein zu sein, Angst zurückzukehren, Angst mich zu erinnern und Angst nicht mehr zurückzukommen. Zögernd nicke ich. "Drei Jahre", hauche ich und sehe zu Boden. "Drei Jahre hatte ich Zeit es zu verarbeiten und ich bin kaum einen Schritt weiter als damals." Ich spüre seinen Blick auf mir, die Augen die versuchen mich zu verstehen, überlegen ob es der richtige Augenblick ist und es lassen. "Das stimmt nicht", sagt er und ich sehe auf. "Was stimmt nicht?", frage ich überrascht. Ich kann mir vorstellen, was meint, aber ich will es aus seinem Mund hören. "Du hast dich verändert, Blou. Erinnerst du dich noch an den Tag, als wir uns zum ersten mal gesehen haben? Damals hattest du auf nichts Lust. Du wolltest nur allein sein und in deinem Frust ertrinken." Ich muss bei den Gedanken lächeln. Wie bescheuert ich damals gewesen war. "Und heute", Tim legt eine kurze Pause ein. "Heute bist du ein vollkommen anderer Mensch. Du hast deine Vergangenheit hinter dir gelassen. Und da ist sie gut. Lass sie dort, Blou. Ich habe mich nicht in das Mädchen von damals verliebt." Erst kann ich den Satz nicht verstehen. Er hört sich so belanglos an. Es könnte alles heißen. Im Bruchteil eines Sekunde schießen mir Millionen Gedanken, Gefühle und Erinnerungen durch den Kopf. Meint er das erst. Liebt er mich? Und liebe ich ihn? Was soll ich machen? Die wunderschönen Tage mit ihm. Jede Sekunde habe ich genossen, wollte immer bei ihm sein. Die Tage ohne ihn: öde, einsam und langweilig. In diesem Moment kann ich mir nicht vorstellen wieder solche Monate ohne ihn erleben zu müssen. Ich will hier bei ihm sein und für immer neben ihm her laufen, seine Stimme hören und seine Wärme spüren. Ich sehe auf und in seine Augen. Das braun wirkt so vertraut und gleichzeitig habe ich das Gefühl ihm zum aller ersten mal in die Augen zu sehen. Heute Morgen noch war ich mir sicher gewesen ihn niemals zu lieben und nun verliere ich mich in den Augen, in die Jahre lang geschaut und nichts gefühlt hatte. "Schlechtes Timing", hauchen ich und schaffe es nicht meinen Blick abzuwenden. "Ich weiß", sagt er genauso leise. Wir stehen jetzt völlig allein auf einem Kilometer langen Strand. Die Sonne steht nur noch knapp über dem Horizont und eigendlich mussten wir uns beeilen, doch mir ist das alles jetzt egal. Ich will nur noch ihn. Langsam beugt er sich zu mir runter. Ich spüre seinen warmen Atem auf meinen Lippen und kann nicht glauben, was ich gerade tue. Als ich seine Lippen auf meinen spüre, ist der Moment perfekt. Es fühlt sich so gut an, dass ich ihn nie wieder loslassen will. Als er sich von mir löst, habe ich das Gefühl Stunden wäre vergangen. "Wir haben den Sonnenuntergang verpasst", flüstere ich ohne den Blick von ihm zu nehmen. "Ist doch egal", sagt er und küsst mich wieder.

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