Lichtblick

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Letztendlich ist Andre derjenige, der mich wieder zur Schule schickt. Er merkt wohl , das es mir nicht wirklich 'schlecht' geht. Ich lasse die Tage über mich ergehen und gehe mit offensivem Desinteresse voran. Nachts drücke ich kein Auge zu und tagsüber schlafe ich im Unterricht mehrfach ein. Mich interessiert es nicht mehr was andere von mir denken und wie ich mit ihnen umgehe. Jeder noch so kleine Satz aus meinem Mund scheint keinen Sinn zu machen und dass ich allen das Gefühl gebe, sie seien für meine Laune verantwortlich interessiert mich nen scheiß Dreck. Nach einigen bösen Auseinandersetzungen beginnen alle mir aus dem Weg zu gehen. Mein Klamottenstil wird dunkler, was mir einfach angenehmer ist, weil ich keine Lust auf fröhliche Farben habe. Regelmäßig fange ich mir besorgte Blicke und Aufmunterungsversuche von Emma oder Liz, aber alles prallt an mir ab. Ich lächle nicht, dass passt mir einfach nicht. Ich weine nicht, weil mir das Wasser für die Tränen ausgegangen ist. Aber ich sage ich nichts mehr- zumindest nicht, solange es nicht nötig ist. Mein Blick ist ständig auf den Boden gerichtet und langsam verliere ich die Gedanken an freudige Gesichter. Mehr mal versuchen mich die anderen aufzumuntern, schlagen Unternehmungen vor oder versuchen mich auf irgendeine Art abzulenken, aber nichts hilft, nichts durch dringt die dicke Mauer aus Trauer, die ich mir selbst aufgebaut habe. Ich verstecke mich hinter dieser Mauer und ignoriere die lauten Hilferufe aus meinem Inneren. Die lächelnden Gesichter meiner Eltern sind langsam grau und düster geworden. Nun sind sie die leblosen Körper, die unter den weißen Leichentüchern liegen und die starren Glieder in zwei bechschwarzen Särgen.

Als ich eines morgens aufwache ist es noch viel zu früh um aufzustehen. Mein Wecker zeigt sechs Uhr und am liebsten würde ich die Augen wieder schließen und einschlafen, aber mein Gehirn lässt das nicht zu. Es ruft mir zu daran zu denken, wie es mir geht und schreit mir zu ich soll das lassen. Bilder jagen mal wieder durch meinen Kopf- wie eigentlich jeden Tag, wenn ich für mich allein bin. Die verschlossene Tür, zwei Säge und ihre leblosen Gesichter. Ich versuche sie zur Seite zu schieben, aber es gelingt mir nicht, also lasse ich es über mich ergehen und schließe die Augen, in der Hoffnung das es dadurch besser werden könnte. Aber wie ich es erwartet hatte wird es dadurch nur noch schlimme. Schließlich stehe ich auf, greife nach meinem Handy, das wie jede Nacht auf meinem Nachtisch liegt.

Überraschenderweise keine Nachricht von Emma oder Liz oder Sam oder sonst wem.

Ich streife mir die ausgewaschenen Klamotten ab, dusche mich kurz und ziehe dann einfach einen schwarzen Stickpullover und Schwarze Overknees über eine schwarze Seidenstrumpfhose. Dazu schwarze Schnürschuhe, die mir Emma beim letzten Shoppen aufgezwungen hatte- was ungelogen fünf Wochen her ist. Als ich das Zimmer verlasse um mich im Badezimmer zu schminken, ist es schon viertel vor sieben. In der Küche sitze ich einfach nur stumm am Esstisch und warte darauf, dass Andre runter kommt. Plötzlich vibriert mein Handy und ich betrachte die Nachricht, die mir Liz geschrieben hat. Morgen süße, hoffe dir geht's einigermaßen. Heute wird ein besonderer Tag. Ich stocke einen Moment und betrachte den Chat. Er besteht eigentlich nur aus ihren regelmäßigen Nachrichten. Ganz oben habe ich mal geantwortet, während sich seit zwei Wochen nur noch Nachrichten auf der linken Seite tummeln. Mein Bruder kommt zur Tür rein und sieht mich einen Augenblick erschrocken an.

"Konnte nicht schlafen", erkläre ich ihm mein pünktliches Auftreten und er nickt nur. In der letzten Zeit haben wir nicht wirklich viel miteinander geredet. Ich glaube er hat aufgeben darüber nachzudenken, was er machen kann, damit es mir besser gehen könnte. Er hat seien eigenen Probleme und ich muss meine selbst lösen, auch wenn ich noch nicht ganz weiß, was mein Problem ist.

Auch die Autofahrt vergeht stumm. Ich blicke aus dem Fenster und überlege mir, wie ich den Tag überleben soll.

Am Schultor wartet Liz auf mich und begleitet mich ohne ein Wort zu sagen. Sie scheint sich dran gewöhnt zu haben. Meine Mitschüler haben sich angewöhnt mich nur noch hinter meinem Rück anzustarren und zu tuscheln, als hätten sie Angst ich könnte es mitbekommen. Ab und zu höre ich etwas von wegen 'Was ist denn mit der passiert'. Am liebsten würde ich ihnen ins Gesicht schreien 'Das Leben', aber was würde das bringen?

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