75~ Gewissheit

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„Mr. Styles?" Sofort erhoben Louis und ich uns zeitgleich.
„Folgen Sie mir bitte." Das taten wir natürlich und wurden in einen Raum geschickt, welcher total kalt gestaltet war. Keine Bilder, keine Farben. Es war schlicht in weiß gestrichen und lediglich eine lieblos hingestellte künstliche Pflanze brachte etwas Leben in dieses Zimmer.

Wir setzten uns so wie auch vorhin auf die freien Stühle und warteten. Laut der Krankenschwester konnte es ein wenig dauern, bis der Arzt kommen würde, da heute viel los war. Kein Wunder, es war schließlich Samstagabend und die meisten Menschen feierten zu dieser Zeit, machten Unsinn, so wie auch ich früher. Je länger wir warteten und diese Stille im Raum immer unangenehmer wurde, desto mehr Angst machte sich in mir breit.
Was, wenn er mir gleich sagen würde, dass der Krebs gestreut hat und ich alles noch einmal durchmachen musste? Dieser Gedanke schwirrte seit Wochen durch meinen Kopf und die Tatsache, das jeden Moment eine Antwort darauf kommen würde, machte es nicht wirklich besser. Louis, welcher direkt neben mir saß, wurde ebenfalls spürbar nervös und das Wiederrum machte auch mich noch nervöser. Gott, das war ja wie ein Teufelskreis. Diesmal war ich es, der seine Hand in die von Louis legte. Ich dachte einfach, dass wir beide diese Nähe im Moment einfach bitter nötig hatten.

„Ich liebe dich." flüsterte ich mit zittriger Stimme und drückte seine Hand etwas fester. Er sah zu mir, schenkte mir ein Lächeln und beugte sich etwas vor, um mir einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Genau in dem Moment, wo wir uns voneinander lösten, öffnete sich die Tür und der selbe Arzt von vorhin trat ein.

„Also." setzte er an und nahm dabei Platz.
„Die Ergebnisse sind da." Er kramte aus einer Akte einen kleinen Stapel mit Papieren und legte diese vor sich auf den Tisch. Meine Atmung wurde schneller und ich sah verunsichert zu Louis.
„Sie haben ein Lipom." Fragend sah ich ihn an, da ich dieses Wort noch nie zuvor gehört habe.
„Das ist ein gutartiger Tumor." Hatte ich eben richtig gehört? Ein gutartiger Tumor? Das, was die ältere Dame auch gesagt hat?
„Allerdings muss dieser so schnell wie möglich entfernt werden, sonst wächst es weiter und kann sich zu Krebs entwickeln." Sofort nickte ich. Eine Operation war wirklich meine kleinste Sorge. Hauptsache es war kein Krebs. Ich hatte kein Krebs! Das bedeutete, keine Chemotherapie. Kein monatelanger Aufenthalt im Krankenhaus. Keine unerträglichen Schmerzen. Lediglich ein gutartiger Tumor...
„Am Besten wäre es, wenn wir es morgen schon raus operieren. Machen Sie bitte einen Termin und vergessen Sie nicht, nüchtern zu bleiben."

„Okay. Haben Sie vielen Dank." sagte ich und verließ mit Louis das Zimmer. Ich machte einen Termin um acht Uhr aus und lief geradewegs auf das Auto zu. Ich setzte mich und schloss die Tür.

„Du hast kein Krebs!" rief Louis freudig und sprach somit meine Gedanken aus. In mir schossen Freudentränen auf und auch mein Freund hatte glasige Augen. Es fühlte sich an, als würde diese Last endlich weg fallen. Wie sagt man so schön? Mir fällt ein Stein vom Herzen? Genauso fühlte es sich an. Ich konnte nicht in Worte beschreiben, wie erleichtert ich darüber war, dass ich nur eine Operation machen musste und keine Chemotherapie.
„Ich liebe dich auch." grinste er über beide Ohren, bezog sich damit vermutlich auf vorhin, und gab mir einen liebevollen Kuss.

Zu Hause angekommen rief ich sofort Gemma an und bat sie, auch noch am nächsten Tag auf Mia aufzupassen. Ohne zu zögern willigte sie ein und ich setzte mich auf das Sofa. Ich war total erschöpft, aber weniger körperlich, eher mental. Dieses Adrenalin der letzten Stunden machte einfach extrem müde.

„Ich bin so froh, dass es 'nur' ein gutartiger Tumor ist." sagte mein Freund und setzte sich neben mich. Er deckte uns zu und ich kuschelte mich sofort an ihn.

„Ich auch." flüsterte ich, legte meinen Kopf auf seine Brust und lauschte seinem Herzschlag. Es war stockdunkel und ich merkte, wie mir allmählich die Augen zufielen. Kurze Zeit später schweiften meine Gedanken dann komplett ab und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

Nein! Nein! Bitte nicht!
Ich konnte nicht atmen, so sehr ich es auch versuchte. Ich schwitzte extrem und wurde in dieses schwarze Loch gezogen. Am anderen Ende waren Mia und Louis, welche versuchten, mich zu erreichen. Doch der Abstand war zu groß.
Ich versuchte es. Ich versuchte mit aller Kraft, nicht hineinzurutschen, aber es gelang mir nicht.
Ich hörte die Stimme meines Freundes und die meiner Tochter, doch ich konnte die Worte nicht verstehen. Es hörte sich an, wie ein Flehen und ich versuchte, mich mit Händen und Füßen vor diesem schwarzen Loch zu schützen.
Warte... was... was war das?
Liam? Liam, bist du das? OH MEIN GOTT, LIAM! Ich rannte ihm entgegen. So schnell ich konnte versuchte ich, in seine Arme zu springen. Doch ich kam nicht näher. Er kam mir nicht entgegen.

„Haz!" hörte ich eine dumpfe Stimme, doch konnte diese nicht zuordnen.
„Wach auf, Haz!" Wie auf einen Schlag wurde alles total hell und ich sah wieder klar. Ich sah Louis' Gesicht.
Luft! Ich brauchte Luft!
„Atme ruhig. Tief ein... und aus." Ich tat, was er verlangte. Zumindest versuchte ich das und nach einer gefühlten Ewigkeit klappte es auch tatsächlich.
„Du hast mir so einen Schrecken eingejagt." Er ließ sich neben mich fallen. Was war das eben? Da war Liam. Ich hatte ihn gesehen! Ganz deutlich!
„Du hattest schon wieder einen Albtraum." Es war nur ein Traum?
Ich... aber wie? Unkontrolliert schossen mir die Tränen in die Augen. Ich hatte ihn gesehen. Ich war so nah dran. Fast hätte ich ihn endlich wieder umarmen können.
Louis nahm mich sofort in die Arme und strich beruhigend über meinen Rücken.
„Es ist alles gut." flüsterte er. Alles gut? Ich hatte gerade meinen besten Freund gesehen. Wurde ich jetzt komplett verrückt?
„Versuch, noch etwas zu schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag." Ich schloss meine Augen und versuchte, den Strom meiner Tränen aufzuhalten. Das Beben meiner Brust wurde immer weniger und immer mehr Luft gelang in meine Lungen.

𝚂𝚞𝚗𝚏𝚕𝚘𝚠𝚎𝚛 ~ Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt