21~Geschenk

1.2K 100 3
                                    

„Harry? Ich hab' dich tausend mal angerufen. Ist alles okay?" fragte er besorgt. Scheiße...

„Tut mir leid, Lou. Ich war bei meiner Cousine. Sie hat mir heute mitgeteilt, dass sie schwanger ist." antwortete ich, wobei meine Mundwinkel augenblicklich in die Höhe schossen.

„Was, echt jetzt?" sprach er so laut, dass ich mein Handy etwas von meinem Ohr weg hielt.

„Ja." kicherte ich.

„Das ist ja wundervoll. Ich freu mich so für euch." sagte er wieder etwas ruhiger.

„Danke, Louis." antwortete ich fröhlich.

„Harry, in drei Tagen beginnt schon meine Tour. Die wird ein halbes Jahr gehen und ich weiß nicht, ob ich in der Zeit nochmal nach New York kommen kann. Können wir uns nochmal sehen? Bist du zu Hause?" fragte er hoffnungsvoll.

„Lou... ich bin immer noch bei meiner Cousine und ich bleibe da auch bis morgen. Dann kommt schon meine Familie und wir feiern Weihnachten. Ich weiß nicht, ob ich das noch schaffe." log ich, obwohl ich in diesem Moment nichts mehr wollte, als in seine Arme zu fallen.

"Ich lasse dir dein Weihnachtsgeschenk neben deine Wohnung stellen. Wenn du also von deiner Cousine kommst, steht es hinter dem Blumentopf." sagte er und ich musste Lächeln.

"Danke, Lou. Das ist wirklich nett." Ein schlechtes Gewissen breitete sich in mir aus, denn ich hatte doch kein Geschenk für Louis. Außerdem wusste ich ganz genau, dass ich meine Wohnung für eine lange Zeit nicht mehr sehen würde und genau dieser Gedanke war es, der mich wieder traurig werden ließ.

"Nichts zu Danken." Er hörte sich wirklich gut gelaunt an.
"Wie geht es dir sonst so?"

"Gut, ganz gut." antwortete ich nur trocken. Ich vernahm laute Stimmen im Hintergrund und wie Louis mit ihnen redete.

"Hör zu, ich muss auflegen. Wir sehen uns schlimmstenfalls nach der Tour, okay?"

"Okay." sagte ich. Ich würde ihn so gerne noch länger reden hören.

"Bis dann, Hazza." sagte er schnell. Der Kosename ließ meine Mundwinkel immer in die Höhe schießen.

"Bis da-" doch da hörte ich schon, dass er aufgelegt hatte. Ich nahm es ihm nicht übel. Er war schließlich ein vielbeschäftigter Promi und hatte wahrscheinlich einfach nur Stress. Ich überlegte kurz und wählte dann Emily's Nummer.

„Harry? Ist etwas passiert?" fragte sie besorgt.

„Nein, es ist nichts passiert. Aber ich wollte fragen ob du morgen vielleicht kurz vorbei kommen könntest. Ich brauche dich." sprach ich, wobei ich den letzten Satz so leise sprach, dass ich nicht sicher war, ob sie es überhaupt verstand.

„Ja klar. Ich wollte sowieso vorbei kommen. Passt für dich vormittags?" antwortete sie.

„Ja, perfekt. Danke Emily. Schlaf gut." sprach ich und wir verabschiedeten uns.

Schon wieder klopfte es an der Tür, welches mich auch weckte. Morgendliche Visite war angesagt. Es war alles beim Alten. Keine Veränderungen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es schon sieben Uhr war. Also stand ich aus dem unfassbar unbequemen Bett auf und putzte meine Zähne. Zum Glück würde Emily heute wieder kommen, denn ich brauche einfach etwas Gesellschaft. Gesellschaft von Menschen, die keine Ärzte oder Krankenschwester waren.
Das Spiegelbild vor mir zeigte meine unfassbar blasse Haut. Man sah es mir jetzt schon an, dass etwas nicht stimmte. Meine Energie und sonst gewohnte positive Einstellung gegenüber allem war auch im Keller. Ich fuhr mir noch einmal durch meine braunen Locken. Heute Abend würde ich ohne meine Haare schlafen gehen. Dieser Gedanke daran machte den Tag noch schlimmer, als er so schon war.
Gegen elf Uhr kam dann auch endlich Emily und ich war unendlich froh, sie in meine Arme schließen zu können. Zu meiner Überraschung hatte sie einen Strauß voller Sonnenblumen mitgebracht und eine Schüssel voller Blaubeeren. Sie wusste wohl, was ich liebte. Diese kleine Geste hob meine Einstellung für den Tag ein kleines bisschen an, obwohl mir jegliche Energie fehlte.

„Emi, ich will dir wirklich nicht zur Last fallen, aber könntest du vielleicht später zu mir fahren und mir ein paar Sachen bringen?" fragte ich.

„Natürlich, Harry. Das ist doch selbstverständlich." antwortete sie und ich atmete erleichtert aus.

„Aber davor muss ich noch etwas erledigen und ich brauche deine Hilfe dabei." sagte ich bedrückt und lief langsam in das Badezimmer. Aus einer Schublade holte ich einen elektrischen Rasierer heraus und drückte ihn meiner Cousine in die Hand.
„Kannst du das bitte machen? Ich schaffe es nicht." flüsterte ich und hatte Mühe, meine Tränen zurückzuhalten.

"Bist du dir sicher?" fragte sie mich und ich nickte schnell, um es so schnell wie möglich hinter mir zu haben.
Sie setzte den passenden Aufsatz auf und steckte den Rasier an. Dann setzte sie den Rasierer an meinem Scheitel an. Ich sah mich ein letztes mal mit Haaren im Spiegel an und schloss meine Augen. Das Brummen des Rasierers versuchte ich, so gut wie möglich, auszublenden und mir einzureden, dass es doch nur Haare waren. Die würden doch wieder nachwachsen.
Emily schaltete den Rasierer aus und legte ihre Hände auf meine Schultern, um mir den nötigen Halt zu geben.
Ein letztes Mal atmete ich tief ein und aus und öffnete meine Augen. Was ich vor mir sah, was nicht der Harry, der ich war. Vor mir sah ich ein gebrochenes und ängstliches Ich mit Augenringen, die aussahen, als hätte ich fünf Tage nicht geschlafen. Unkontrolliert lief eine Träne meine Wange hinab und sofort nahm mich Emily in ihre Arme. Es vergingen vermutlich Minuten, in denen ich ihr Oberteil durchnässte. Ich hatte einfach so große Angst vor der Zukunft. Vor dem, wie sich der Krebs entwickeln würde und vor dem, wie sich die Beziehung zu Louis verändern würde. Ich konnte ihm das alles einfach nicht antun...
Ein Klopfen durchbrach schon wieder unseren Moment und ich erkannte sofort, dass es Mrs. Malik war. Das hatte dann wohl nichts Gutes zu bedeuten.

„Danke. Du kannst jetzt gehen. Ich kann das alleine, ehrlich." vergewisserte ich meiner Cousine und setzte mich in den Rollstuhl, den die Krankenschwester bei sich hatte. Emily verließ mit mir zusammen den Raum, ging die Treppen allerdings nach unten, anstatt nach oben.
Im Zimmer angekommen, verlief alles genauso, wie am Tag zuvor. Heute hatte ich die Chemo erstaunlicherweise etwas besser vertragen und musste mich wenigstens nicht übergeben.

Als ich wieder in meinem Zimmer war, kam wenig später auch Emily mit einer großen Tasche und ein kleines, weihnachtlich verpacktes Päckchen.

„Was ist das?" fragte ich verwirrt.

„Das stand neben deiner Haustür, hinter einem Topf. Keine Ahnung, von wem das ist. Ich muss auch schon wieder los. Antoine und ich haben uns heute noch zum Essen verabredet." sprach sie voller Vorfreude.

„Okay. Danke, dass du mir die Sachen gebracht hast." sagte ich und drückte sie kurz in eine Umarmung, bevor sie das Zimmer verließ. Nun wurde mir auch klar, von wem das kleine Päckchen war. Ein Lächeln breitete sich sofort in meinem Gesicht aus und ich setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett. Der Aberglaube, dass es Unglück bringen würde, Geschenke vorher zu öffnen, war mir in dem Moment nun auch egal. Gespannt öffnete ich die perfekt gebundene Schleife und befreite das Paket von dem Geschenkpapier. Neugierig und dennoch ein wenig ängstlich, öffnete ich das Paket. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper, als ich sah, was der Inhalt war.

𝚂𝚞𝚗𝚏𝚕𝚘𝚠𝚎𝚛 ~ Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt