"Die Westküste"
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Es war, wie es für den Winter in Südkorea eben üblich war, ein kalter, bewölkter Tag, an dem man am allerliebsten einfach in seinen eigenen vier Wänden geblieben wäre, im Idealfall noch vor einem Kamin, unter einer kuscheligen Decke und mit einer heißen Schokolade in der Hand. Für Jungkook aber war dieser Wintertag sein allererster Arbeitstag in seinem ganzen Leben, auf den er sich schon unglaublich sehr freute, obwohl er noch gar nicht wusste, was in den nächsten Wochen denn überhaupt so auf ihn zukommen würde, immerhin erzählte man ihm nur, dass er eben alles mache solle, was Direktor Kim ihm auftrug, selbst wenn das hieß, dass er noch vor Beginn und auch nach Ende seiner Arbeitszeiten etwas machen musste.
So war es auch heute, denn zwei Stunden, bevor er eigentlich beginnen sollte, erhielt er eine Nachricht von seinem Chef, dass er bitte eine Stunde früher schon mit dem Auto vor dem Firmengebäude auftauchen sollte, da sie heute, obwohl es der erste Tag war, schon außerhalb des Büros arbeiten würden. Ein Glück war Jungkook früher aufgestanden als eigentlich geplant, da seine zwei besten Freunde nach der gestrigen Nacht bei ihm übernachtet hatten und heute Morgen selbst früh raus mussten. Komischerweise musste er aber feststellen, dass die Nummer von Taehyung ebenfalls bereits in sein Handy eingespeichert war, somit also die Person, die ihm gestern schrieb, irgendein Fremder sein musste, der ihn aber kannte. Weiter dachte er darüber aber nicht nach, da er vor dem Firmengebäude angekommen war und sah, dass sein Chef schon dort stand und wartete.
,,Wie ich sehe, kannst du dich relativ schnell an ein neues Auto gewöhnen", bemerkte Taehyung, als sein Sekretär ihm die hintere Tür zum Auto aufhielt. Er lachte ein wenig über diese dann doch äußerst altmodische Geste, obwohl er in viel Stress war und es auch ziemlich eilig hatte. Er konnte es sich nicht wirklich erklären, aber irgendwie ließ die Anwesenheit des Jüngeren ihn etwas beruhigter fühlen. Aus dem Nichts waren seine Sorgen wie vergessen, weil das einzige, woran er noch denken konnte, das strahlende Lächeln Jungkooks war. ,,Nett von dir, dass du wohl so viel Respekt vor mir hast, aber ich bin kein König oder so. In Zukunft brauchst du mir die Tür nicht aufhalten, immerhin bist du mein Sekretär und nicht mein Fahrer. Außerdem werde ich vorne mit dir sitzen."
So ließ der Ältere seinen Arbeiter perplex dort rumstehen, ehe er sich mit einem schwachen Grinsen auf den Lippen auf den Beifahrersitz setzte. Jungkook war gar nicht darauf eingestellt, dass es so normal zwischen den beiden ablaufen würde und dass er dachte, er müsse seinem Chef die Tür zum hinteren Platz in dem Auto aufhalten, bewies nur, dass jegliche Lebenserfahrung, die er vorgab zu haben, aus irgendwelchen Filmen und koreanischen Dramaserien genommen wurde, die er in seiner freien Zeit geschaut hatte. Er musste definitiv auf den neusten Stand der Dinge kommen, wenn er nicht sofort rausgeschmissen werden wollte.
Es war eine fahrt an die Westküste, nach Incheon, wo Jungkook am Tag seines Bewerbungsgesprächs fälschlicherweise mit dem Bus hingefahren war, weshalb er von vorne rein schon nicht gut eingestellt war auf diese Stadt. Dass dann aber die ganze Fahrt über kein Wort gesagt wurde, weil Taehyung seinen Blick die ganze Zeit auf Dokumente vor sich gerichtet hatte, machte das alles noch schlimmer. Weil der Schwarzhaarige nicht stören wollte und auch nicht wusste, ob es ihm erlaubt war, er sich aber nicht traute zu fragen, obwohl er seinem Arbeitgeber vor einer Woche erst ins Gesicht gesagt hatte, wie attraktiv er ihn fand, lief nicht einmal das Radio, sodass man nur hin und wieder ein angestrengtes Seufzen und das dauernde Geräusch der Reifen auf dem kalten Asphalt wahrnahm.
Tatsächlich verlief der restliche Tag nicht anders. Jungkook war für heute, auch wenn Taehyung was anderes gesagt hatte, nur der Fahrer, da er aus irgendeinem Grund nicht an dem Meeting teilhaben durfte, zu dem er ihn gefahren hatte. So verbrachte er mehrere Stunden in Incheon, wanderte durch die Straßen, ohne dabei zu wissen, was er tun sollte, da man ihm keinen weiteren Auftrag gegeben hatte. Seinen ersten Arbeitstag hatte er sich definitiv aufregender vorgestellt, dachte er sich.
Bevor es dann aber soweit war, dass er wieder zurück zum Auto müsse, da in diesem Zeitraum auch das Meeting langsam enden sollte, hielt er an einem kleinen Kiosk an, um sich einige Snacks zu kaufen, da sein Magen sich meldete. Er hatte großen Hunger, aber keine Zeit dazu, sich jetzt großartig irgendwo hinzusetzen und etwas zu essen. Das würde er dann in Seoul tun, wenn sie am Abend wieder zurückkehren würden. Für den Moment aber reichten die wenigen Snacks, die er in einer weißen, raschelnden Plastiktüte mit zum Auto nahm.
,,Hast du Hunger?", hörte er dann plötzlich die tiefe Stimme, die ihm jedes Mal einen Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ, hinter sich. ,,Nein, ich wollte nur einige Snacks", murmelte der junge Mann sofort und drehte sich dann um. Für einen Augenblick wurde es dann wieder ruhig, ehe er anfing breit zu Lächeln und die Tüte dann seinem Chef entgegen zu halten. ,,Ich habe auch für Sie etwas gekauft! Greifen Sie nur zu!", meinte Jungkook sofort und auch an diesem wolkigen Tag, an dem es schon dunkel geworden war, schien die Sonne wieder aufzugehen, sobald Taehyung das Lächeln seines Gegenübers sah.
Natürlich wollte er sich nicht anmerken lassen, dass man ihn mit dieser netten Geste vollkommen überrumpelte, weshalb er instinktiv einfach nur seinen Blick zur Seite wandte und sich leise räusperte. Jungkook verstand dies als eine Ablehnung, verlor sein schönes Lächeln schnell wieder und hielt die Tüte nicht länger vor.
,,Wenn du fertig bist mit deinen Snacks, dann lass uns ein wenig am Hafen entlang spazieren. Ich brauche nach diesem langen Meeting die frische Luft", gab der Braunhaarige nur von sich, kramte kurz in der Tasche seines Mantels eine Zigarette hinaus, die er zwischen seine Lippen nahm, ehe er sie anzündete und somit anfing zu Rauchen. Jungkook bekam das erst mit, nachdem er sich wieder zu dem Mann gedreht hatte, da er vorher noch die Tüte auf die Rückbank des Autos legte, ehe er denn den Geruch wahrnahm, der ihm eigentlich gar nicht gefiel.
Aber so wie Taehyung da stand, mit dieser Zigarette zwischen den Fingern seiner männlichen Hände, kurz die Augen schließend, da er wohl genau das nach diesem stressigen Tag brauchte, komplett gekleidet in schwarz und die Haare zurückgelegt, mit jedoch einer einzigen Strähne, die ihm vor die Stirn gefallen war, konnte Jungkook der Geruch des Rauchens vollkommen egal sein, denn er bekam einen halben Herzinfarkt bei diesem Anblick.
Aber er musste sich zusammenreißen.
,,Ich mag die Küste hier nicht, es ist alles so unnatürlich und industriell", setzte der Jüngere irgendwann inmitten des ruhigen Spaziergangs an. ,,Alles hier ist von Menschenhand geschaffen und wird so erstickend, weshalb ich es gar nicht mag. Ich würde gerne mal an einen Strand gehen, an eine natürliche Küste, die kaum berührt wurde", sagte er dann noch vor sich hin und bekam die volle Aufmerksamkeit seines Chefs, ohne dass er es merkte, da er eher nur seine Gedanken laut aussprach, als dass er sich Taehyung gegenüber öffnete.
Dieser musste natürlich leicht grinsen, als er das hörte, da ihm somit eine gute Idee für die Zukunft kam, was er vorerst aber noch für sich behielt, da es sonst keine Überraschung mehr sein würde. Mit diesem stolzen Grinsen also, ging er weiter neben Jungkook, der weiterhin über die Natur schwärmte, zündete sich dann auch eine zweite Zigarette an.
,,Rauchen Sie immer so viel?", fragte man ihn dann aber. ,,Also nicht, dass mich das stören würde, es ist ja Ihr Leben und Sie können tun, was Sie wollen, aber Sie sind noch so jung, da kann es doch auf keinen Fall gut für Sie sein, wenn Sie jetzt schon so viel rauchen."
Jungkook hatte wirklich kaum etwas gesagt, aber sorgte mit diesen wenigen Worten dennoch dafür, dass Taehyung vollkommen genervt davon war, weshalb sie den Spaziergang abbrachen, zurück zum Auto gingen, einstiegen und sich auf den Weg nach Seoul machten.
Und wieder eine langatmige, unangenehme Autofahrt, bei der kein einziges Wort gesagt wurde, währenddessen nicht einmal mit dem Radio im Hintergrund. Ja, genau so hatte sich Jungkook den Start ins Arbeitsleben nicht vorgestellt.
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Was für eine Überraschung Taehyung wohl plant? Und wer diese fremde Nummer ist? Mhhh....
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secretary jeon ᵛᵏᵒᵒᵏ
Fanfic»Für gewöhnlich schlief man nicht mit seinem Chef, aber Jungkook war das ziemlich egal. Ein Taboo in der Gesellschaft, weil sie beide Männer waren und obendrein auch noch eine verzweifelte, einseitige Liebe. Alle Karten standen gegen ihn, die Hoffnu...