»65«

432 52 12
                                    

"Sag mir nicht, du brauchst mich"

Auch als Jungkook Nachhause kam, in ihre gemeinsame Wohnung, herrschte eine Totenstille zwischen den beiden Männern. Es war unangenehm, das war klar, aber keine tat was dagegen. Nicht einmal, nachdem bereits eine ganze Woche vergangen war, in der sie distanzierter denn je gelebt hatten, obwohl sie sich doch so sehr liebten.

Und tatsächlich wechselten sie kein einziges Wort miteinander, bis in die späte Abendstunde, in der Jungkook sich fertig gemacht hatte und gerade das Haus verlassen wollte, dafür aber an Taehyung vorbeiging, der mit einem Buch in seiner Hand auf dem Sofa im Wohnbereich saß, sich eigentlich ablenken wollte, nun aber verwundert zum Schwarzhaarigen schaute. ,,Wo möchtest du so spät noch hin?", fragte er leise. Vielleicht hätte er das nicht tun sollen, denn die Antwort, die daraufhin folgte, war keine, über die er sich freuen konnte.

Ganz im Gegenteil.

,,Ich treffe mich gleich mit Hobi", erzählte der Jüngere und machte eine kurze Pause, weil er es eigentlich für keine gute Idee hielt, seinem Freund davon zu erzählen, weshalb er noch weiter sprechen wollte, aber das war nicht mehr möglich, denn sobald Taehyung diesen Namen höre, gingen bei ihm alle Alarmglocken los und er hatte sich nicht mehr länger unter Kontrolle, verfiel in alte Verhaltensmuster einer Diskussion, wie damals, als Jungkook noch neu im Büro war.

,,Dann tu das, geh zu diesem dreckigen Mann und lass dich von seinen verschmutzten Händen berühren, als seist du seine billige Hure", entkam es dem älteren Mann in einem derartig niedermachenden Ton, dass bei jedem Wort, das er sagte, dass Herz von Jungkook ein kleines Stückchen weiter zerbrach. Er konnte sich nie erklären, auch jetzt nicht, um zu sagen, er treffe sich nur mit Hoseok, um diesen endgültig aus seinem Leben zu schneiden. Er blieb wieder nur ruhig, senkte seinen Blick und seufzte leise.

Taehyung hatte auch nichts anderes erwartet, weshalb er daraufhin ganz unachtsam das Buch neben sich fallen ließ, hektisch aufsprang und sich ganz dicht vor Jungkook stellte, der fast schon Angst bekam. Immerhin war er kleiner, schwächer, hatte keine eigene Wohnung mehr und wäre ganz auf sich allein gestellt in Seoul, wenn sein Freund sich dazu entscheiden würde, ihn jetzt rauszuschmeißen.

Das tat er aber nicht.

,,Worauf wartest du eigentlich noch? Wolltest du nicht losgehen? Ich bin mir sicher, dass dieser Feuerkopf schon nur so darauf wartet, dich mit seinem dreckigen Schwanz zu durchbohren und sich damit wie der größte Mann auf dieser Welt zu fühlen, weil er es geschafft hat, dich ins Bett zu bekommen. Aber wenn ich so darüber nachdenke, war es nie schwierig, dich ins Bett zu bekommen, also frage ich mich jetzt, wie viele Männer du schon in dir hattest? Auch während ich der einzige sein sollte, der das dürfe. Ist dieser Hoseok der erste? Oder nur einer von vielen, mit denen du mich glücklich lächelnd betrogen hast?", entgegnete der Größere fragend und stellte sich dabei noch ein kleines Stückchen näher an sein Gegenüber. 

,,Du redest von mir, als sei ich irgendeine dahergelaufene Schlampe", murmelte Jungkook nur leise, kämpfte im Inneren schon damit, nicht gleich los zu weinen. Er versuchte stark zu bleiben, aber nichts war schwieriger als das, wenn man sich in einer solchen Diskussion befand und dann auch ausgerechnet noch mit dem Mann, den man über alles liebte.

,,Sag mir doch, wie ich das nicht könnte, wenn du dich genauso verhältst? Du gehst rum und küsst andere Männer, während du mir sagst, wie sehr du mich doch liebst. Hast du schonmal darüber nachgedacht, wie sehr du mich damit verletzt oder denkst du nur darüber nach, wen du denn als nächstes an Land ziehen könntest, um mich um deinen Finger zu wickeln!"

,,Hör doch endlich auf damit, das ist alles nic-", sprach der Schwarzhaarige gerade, wurde aber unterbrochen, da Taehyung mit seiner flachen Hand gegen die Wand schlug, an die Jungkook sich ganz nervös presste. Er zuckte zusammen, kniff kurz die Augen zu und hielt die Luft an. ,,Womit soll ich aufhören? Die Wahrheit zu erzählen? Magst du es nicht, wenn ich dich daran erinnere, dass du ein Seitenspringer bist?"

,,Taehyung, lass das bitte! Du weißt, wie sehr ich dich liebe und du weißt auch, dass das alles nicht wahr ist! Ich würde niemals aus eigener Hand fremdgehen, wenn du der Mann bist, den ich will. Du bist die einzige Person, die ich liebe und das wird auch immer so bleiben", entgegnete der eigentliche Sekretär und nun vermerkte man schon das schwache Zittern seiner Stimme. ,,Du hast mich in dich verlieben lassen und mir zum ersten Mal in meinem Leben gezeigt, was es bedeutet, jemanden an seiner Seite zu haben, der mindestens genauso viel von einem hält, wie man selbst von ihm. Willst du das jetzt wirklich einfach so wegwerfen, weil Hobi mich geküsst hat? Kennst du überhaupt die ganze Geschichte? Weißt du, dass ich diesen Kuss nicht wollte, aber verzweifelt und traurig war, was er für sich ausnutzte?"

Es blieb ruhig.

,,Was machen wir hier bloß?", fragte Jungkook und legte seine beiden Hände an die Wangen von Taehyung, der es aber nicht wagte, seinem Freund in die Augen zu schauen, da er befürchtete, er würde durch den Anblick schwach werden, wie die Worte, die er sagte, es beinahe zur Folge hatten. ,,Wir lieben uns und das wissen wir auch. Ohne dich, bin ich nichts, wieso sollte ich dann andere Männer an meiner Seite wollen? Taehyung, ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt und ich würde niemals von deiner Seite weichen wollen."

Weiterhin gab der Ältere keine Antwort. Er sorgte lediglich mit einem Schritt nach hinten dafür, dass Jungkook seine Hände von ihm nehmen musste.

,,Dann ist es wohl so", seufzte der Schwarzhaarige. Diese Geste eben gerade, gab ihm das Gefühl, in dieser Wohnung, aber genauso auch in dieser Beziehung nicht mehr gewollt zu sein. Noch etwas tun, konnte er nicht, so dachte er, also schaute er seinen Freund, den Mann seine Träume und die Person, die er in sein Herz geschlossen hatte, ein allerletztes Mal an, seufzte leise und drehte sich gerade wieder in die Richtung der Haustür, um zu gehen.

Doch bevor er noch seinen ersten Schritt machen konnte, spürte er plötzlich einen unglaublich festen Griff an seinem Handgelenk, der ihn davon abhielt.

–––


secretary jeon ᵛᵏᵒᵒᵏ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt