Prolog: Dunkelheit

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Sie schwebte in einer nahezu undurchdringlichen Dunkelheit.

Ihr war weder kalt, noch warm. Sie spürte keine Schmerzen, ebenso wenig wie ihren Körper. Um sie herum war Nichts und sie fühlte, dass sie lange ein Teil dieser gewesen war.

Doch etwas hatte sie verwirrt, hatte sie aus der Leere ihres Nichtseins gerissen und orientierungslos in der Schwärze zurückgelassen.

In ihren Erinnerungen suchte sie nach ihrem Namen.

Mildred.

Sie glaubte, dass dieser Name zu ihr gehörte, so wie die Schmerzen und die Hitze, die ihren Körper beherrscht hatten. Das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ferne Erinnerungen, die sie nicht verstehen konnte.

Doch es war etwas anderes, was an ihrem Bewusstsein nagte, das hinter dem Schmerz und der Hilflosigkeit lag. Es war wichtig und beunruhigt versuchte sie ihre Vergangenheit zu fassen zu bekommen, scheiterte aber.

Nur ihr Name war ihr geblieben und sie klammerte sich an diesen, bevor er ihr wieder entgleiten konnte.

Sieh' dir das an!", rief eine unbekannte Stimme und sie hörte das Schaben von Stein über Stein, das Knirschen von Steinen unter Schuhen und das Klirren von Metall. Es klang unnatürlich laut in der Leere, in der sie bis gerade eben noch gewesen war.

War es das ,was sie geweckt hatte?

Fremde waren in der Finsternis, hatten die Ruhe gestört und sie spürte Ärger. Entschlossen versuchte sie mehr zu sehen, als die Schwärze um sie herum. Offensichtlich musste es mehr als die Dunkelheit geben.

Tatsächlich schien langsam ihre Sicht wiederzukehren.

Sie erkannte eine Decke aus Stein über sich, in die Muster gemalt worden waren. Immer noch war alles sehr verschwommen, doch ihre Sicht klärte sich mit jedem Augenblick ein wenig mehr.

Sie ist immer noch schön", stellte eine der Stimmen fest und für einen Moment bewegte sich eine Hand in ihr Gesichtsfeld, welche eine ihrer Haarsträhnen in die Höhe hielt. Rötlich-braunes Haar, leicht gewellt.

Lass' das!", herrschte ein anderer ihn an. „Was ist falsch mit dir?"

Der andere Mann lachte auf. „Ich mach' doch gar nichts!", verteidigte er sich.

Du bist krank!", sagte der erste voller Verachtung in der Stimme.

Mildreds Stimmung wechselte von Ärger zu Wut. Was nahmen sie sich eigentlich heraus, sie zu wecken und dann auch noch ungefragt zu berühren? Für wen hielten sich diese Männer? Und wo waren die Wachen, um sie in ihre Schranken zu weisen? Es gab doch bestimmt Wachen an diesem Ort!?

Es dauerte noch einige Momente bis sie ihre Umgebung klar wahrnehmen konnte. Sie sah die fremden Männer, die gekommen waren und für Chaos sorgten. Die Steinmauern um sie herum. Statuen und Symbole.

Mit einem Ruck erhob sie sich, doch sie wurde ignoriert. Niemand würdigte sie auch nur eines Blickes. Stattdessen verstauten sie Schmuck in Beuteln und zerbrachen Gefäße, teils aus Versehen, teils mit Absicht, in der Hoffnung etwas Kostbares zu finden.

Mildred zuckte zusammen. Alles war so laut und viel zu hell.

Sie hielt sich die Hände an den Kopf und starrte auf die Männer. Wut kochte in ihr hoch, je länger sie diese beobachtete und sie nicht beachtet wurde.

Mit einem Mal schien die Welt vor ihren Augen zu kippen. 

Ein roter Schleier hatte sich vor ihre Augen gelegt und von den Wänden und Böden ging ein Glühen aus. Der Stein selbst sang unheilvoll von dunkler Magie, die den gesamten Raum auszufüllen schien. Sie ließ ihre Arme wieder sinken.

Nun endlich hatte sie die Aufmerksamkeit der Männer erregt.

Sie erhob sich, fühlte sich leicht und befreit von allem, was sie noch vor wenigen Momenten in der Leere gehalten hatte.

Sie hörte ihre Schreie, sah den Schock in ihren Gesichtern und widerstand dem Drang sich wieder die Ohren zuzuhalten.

Sie verzog das Gesicht.

Dies war ein besonderer Ort und die Fremden waren in ihren Handlungen und ihrer Lautstärke respektlos.

Als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan griff sie hinaus zur Magie und richtete sie gegen die Männer.

Sie wollte, dass sie still waren und diesen Ort mit Respekt behandelten.

Kurze Zeit später sackten ihre Körper leblos auf dem Boden vor ihr. Einige Momente schaute Mildred auf sie herunter, ihre Wut verebbte langsam. Es war vielleicht nicht das was sie beabsichtigt hatte, aber wenn sie darüber nachdachte war es ein durchaus angemessenes Ende.

Sie war wieder alleine.

Die Stille war zurückgekehrt.

Sie verließ den Raum, wankend und schwach. Ihr Blick war immer noch getrübt, Rot lief wie Blut die Mauern hinab und ihre Umgebung verschob sich kontinuierlich, sobald sie sich auf etwas zu konzentrieren versuchte.

Als sie in einen größeren Raum gelangte, wurde ihr mit aller Macht ihre Einsamkeit bewusst.

Ihre Unwissenheit.

Weder wusste sie wo sie war, noch wo ihr Platz in dieser Welt war. Ihre Vergangenheit schien nicht zu existieren und erneut wütend geworden schrie sie auf.

Ihr Wesen war Eins mit der Leere gewesen. Ohne Schmerzen, ohne Angst und Fragen, ohne Bewusstsein. Mildred war sich sicher, dass es guter Zustand gewesen war, so viel besser als das Chaos in dem sie sich nun befand.  

Die Fremden waren an allem Schuld.

Voller Zorn schlug sie mit ihrer Magie die Tür zu dem kleinen Raum zu, aus dem sie gerade eben gekommen war. Die Leichen könnten dort verrotten, sie würde ihn sowieso nie wieder betreten.

Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt