Heute dann wieder früher einen Teil, weil das Kapitel zu lang war und ich mir dachte, dass es besser ist, wenn es geteilt wird.
—————————————————————————————————————————————————
Mildred stand vor dem kleinen Nachttisch im Schlafgemach des Ehepaares. Als sie den Raum betreten hatte, hatte sie niemanden gesehen.
Nur die Melodie der Spieluhr, auf die sie hinunter schaute, erklang im Raum. Mildred hatte sie schon oft gehört und unbewusst summte sie diese mit und betrachtete gedankenverloren die kleine Tänzerin die sich zur Musik im Kreis drehte.
Doch dieser Mechanismus einer tanzenden Figur, in langen wallenden Gewändern, die sie wie Wasser zu umgeben schienen, die Musik, welche im Inneren des Kastens erzeugt wurde, war nicht das was sie so sehr in den Bann zog. Es waren die Trauer und die Sehnsucht, welche in dem glatt polierten Holz hauste, die unauffällige Stärke dahinter.
„Tabea?", flüsterte sie leise und legte eine Hand gegen das Holz.
„Wer bist du?", fragte eine dünne Stimme.
Mildred lächelte fast, als sie eine Gegenwart dicht an ihrer Seite spürte, wandte aber noch nicht den Blick von der sich drehenden Figur ab.
„Ich bin Mildred", antwortete sie.
„Du bist wie ich", hauchte Tabea und jetzt drehte sich Mildred langsam zu ihr um.
„Mehr als du denkst", sagte sie freundlich. „Ich wohne in einem Ring, oft auch in einem Schwert. So wie du in dieser Spieluhr lebst. Bestimmt auch schon lange, oder?"
Tabea seufzte und schien sich zu entspannen. „So lange!", sagte sie und schaute sehnsüchtig auf den Garten auf der anderen Seite des Fensters. „Aber niemand spricht je so freundlich mit mir wie du. Im Gegenteil..."
Mildred atmete tief durch und versuchte sich an alles zu erinnern, was Kelsu ihr erklärt hatte. Sie war zu lange tot um noch mit dieser Welt verbunden zu sein und sie trieb Menschen in den Tod. Wahrscheinlich unbeabsichtigt, aber Kelsu war sich nicht sicher gewesen. Überhaupt war sich keiner der von den beiden Kriegern Befragten sicher gewesen warum sie es tat.
Den Namen hatte sie nur durch die Spieluhr erfahren, so merkwürdig dies auch schien.
Da sie als Geist wiedergekehrt war, musste sie einen gewaltsamen Tod erlitten haben. Oder sich schuldig fühlte. Doch warum sie Menschen tötete leuchtete ihr nicht ein. Dies war ein Aspekt, der für sie keinen Sinn ergab, da sie nie das Bedürfnis verspürt hatte fremden Menschen grundlos zu schaden.
„Es ist eine schöne Spieluhr", sagte Mildred freundlich und hielt ihre Hand dicht über das Holz des Kastens. Er strahlte so viel Wärme und Liebe aus. Geborgenheit. Die Spieluhr sang nicht einfach nur das Kinderlied und ließ die Frau tanzen. Sie sang von Kinderlachen und Sonnenstrahlen, die durch bunte Fenster in das Zimmer fielen. Von Gesang und Tanz, bewundernden Blicken. Diese Box hatte einen unschätzbaren Wert für die lebende Tabea gehabt.
Tabea tauchte durchscheinend an ihrer Seite auf.
„Meine Mutter hat sie mir geschenkt als ich noch klein war. Sie sang mir immer dieses Lied vor und als ich heiratete nahm ich sie mit."
„Ich habe auch etwas von meiner Mutter mitgenommen, als ich geheiratet habe", antwortete Mildred leise und erinnerte sich mit plötzlicher Klarheit an das Buch, aus welches ihre Mutter ihr immer vorgelesen hatte. Es handelte von den Sagen dieser Welt und erzählte von den entlegendsten Gegenden. Unbekannten Städten und fremden Menschen, die ganz anders lebten und dachten als sie selbst. „Sie hat mir immer aus einem Buch vorgelesen. Ich fühlte mich wohler in meiner neuen Familie. Immer wenn ich es aufgeklappt habe, hat es mich an mein Zuhause erinnert."
DU LIEST GERADE
Das letzte Echo
FantasíaEine menschenfeindliche Welt, voller Schatten und Dämonen. Ein Geist ohne Erinnerung, mit zerstörerischer und unkontrollierbarer Magie. Und zwei Krieger, in einem ewigen Kampf gegen die Dunkelheit. Auf der Suche nach ihrer Erlösung und ihrer Vergang...