Langsam ging die Sonne über Layana auf, die Vögel begannen zu zwitschern und Kelsu öffnete mühsam seine Augen.
Seine Kleidung war feucht und die Grashalme waren noch mit dem Frost der Nacht bedeckt. Er fröstelte in der kühlen, klaren Luft und richtete sich mit steifen Gliedern in eine sitzende Position auf.
Mit schmerzendem Kopf blickte er Richtung Jerud, der zu seiner Überraschung immer noch die Augen geschlossen hatte und offenbar noch schlief. Ebenso erstaunlich war fast die Tatsache, dass sie beide noch am Leben waren.
Er hatte gestern das erste Mal in seinem Leben auf ganzer Linie versagt, ohne dass er eine Rechtfertigung für sein Handeln geben konnte. Seine Fehler hatte selbst Jerud nicht mehr ausbügeln können, der sein Vertrauen in ihn gesetzt hatte, nur um am Ende von ihm enttäuscht werden zu müssen.
In Erwartung der Diskussion die unweigerlich folgen würde, lehnte er sich zu Jerud hinüber und stieß ihn an.
„Hey!", sagte er mit müder Stimme und nicht halb so laut wie er es sich vorgestellt hatte.
Dennoch hatte ihn der Krieger gehört und öffnete grummelnd die Augen.
„Das... ist deine Schuld", brachte er hervor, während er sich aufrichtete und ihn mit kleinen Augen anblinzelte. Kelsu konnte ihn so unmöglich ernst nehmen und schaute auf seinen Ring hinunter.
Die Erinnerung an die vergangene Nacht verfolgte ihn immer noch. Er hatte noch nie so viel Wut in Geistern gespürt und hätte nicht einmal für möglich gehalten, dass sie in der Lage wären ein Band untereinander aufzubauen, welches sie fast als ein Wesen agieren ließ.
Während er noch unbeweglich im nassen Gras saß, war Jerud bereits zu seinem Schwert gewankt und hielt es in der Hand. „Hast du den Ring immer noch nicht zerstört?"
Erschöpft schaute Kelsu ihn an.
Er hatte nie darüber nachgedacht, was Mildred tun würde, wenn sie ihre Ketten loswerden würde. Auf der anderen Seite hatte er nie gegen einen solche Fall wie in der Nacht Vorkehrungen getroffen, da ihm die Möglichkeit nicht einmal in den Sinn gekommen war. Sie hatte einen Teil ihrer Freiheit wieder erlangt, aber er wusste, dass er ihr immer noch begrenzt Befehle erteilen konnte. Wie jedes Medium. Wenn er wollte, könnte er die Ketten sogar wieder erneuern.
Mit einer Hand winkte er ab. „Wir hätten so oder so keine Chance gehabt", behauptete er.
Fassungslos schaute Jerud ihn an. „Nimmst du es gerade in Schutz?"
Kelsu schüttelte den Kopf und stand mit einem leisen Seufzen auf. Es war viel zu früh um über solch ernste Themen zu diskutieren. Das traf umso mehr zu, da er noch nicht seinen ersten Kaffee getrunken hatte und seine Kleidung klamm an seinem Körper lag.
Er bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen und legte eine Hand in den Nacken.
„Wir haben die Gruppe an Geistern unterschätzt. Das passiert."
„Es hat den Schutzkreis zerstört!" Jerud schritt wütend auf ihn zu und Kelsu trat automatisch einen Schritt zurück, hob abwehrend die Hände.
„Ich bin an einer Kontaktaufnahme gescheitert."
Jerud fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Es ist nicht deine Schuld. Dein Geist hat sich gegen uns gewandt."
Damit war es also doch am Ende seine Schuld und er wagte unbehaglich einzuwenden: „Sie hat sich aber auch umentschieden und war bereit ihr eigenes Leben zu geben."
„Welche Bedeutung sollte das haben, wenn sie es war, die uns erst in diese Situation gebracht hat?"
„Es ist der Gedanke der zählt?", versuchte es Kelsu und Jerud verdrehte die Augen.
„Du möchtest also sagen, dass du es nicht zerstören möchtest", stellte er ruhig fest.
„Ich bin mir nicht sicher..."
Sein Partner nickte in Richtung Ring. „Kann es überhaupt überleben, nachdem es in Kontakt mit deinem Zauber kam?"
Kelsu zuckte mit den Schultern. „Sie wird nicht sterben, so lange sie hier drin ist. Aber außerhalb bin ich mir nicht sicher, ob ich es aufhalten und die Schäden wieder rückgängig machen kann."
„Warte... das heißt, wenn du es nicht zurückgerufen hättest, wäre es gestorben? Wie alle anderen? Du hast keinen irgendwie speziellen Zauber genutzt, der es nur geschwächt hätte?"
„Ja, sie wäre ins Nichts gegangen." Stur schaute er Jerud an.
„Oh bei allen Göttern, Kelsu! Kannst du nicht einmal den Dingen ihren normalen Lauf lassen? Es hätte eine Ende gefunden, es war bereit seine Existenz aufzugeben. Was war denn so schwer daran, sie einfach gehen zu lassen?"
Kelsu öffnete den Mund um etwas zu erwidern, wusste aber nicht was er zu seiner Verteidigung sagen konnte.
„Gib mir den Ring!", forderte Jerud, trat auf ihn zu und packte ihn am Arm.
Das Medium schüttelte empört den Kopf und als Jerud die Hand mit dem Ring hoch hielt, ballte er diese zur Faust.
Jerud hatte nicht die Macht hinter Mildred gefühlt. Sie war es erst gewesen, die die Gruppe befähigt hatte ihnen schaden zu können. Er glaubte nicht, dass es ihr überhaupt bewusst war und es war davon abgesehen sein Punkt, den er Jerud gegenüber niemals erwähnen sollte.
„Sie stand unter ihren Einfluss und konnte nicht klar denken. Andernfalls hätte sie uns niemals angreifen können. Du erinnerst dich, wie ängstlich sie war, als sie hier auftauchte?"
„Gib mir den verdammten Ring! Wenn du es nicht zerstören kannst, dann werde ich es tun, aber ich werde nicht zulassen, dass es dich weiter in Gefahr bringt!"
Kelsu schaute ihn einen Moment lang geschockt an, trat dann aber auf ihn zu und erwiderte grollend: „Wag es mir den Ring abzunehmen!"
Wütend starrten sich beide einige Momente lang an.
„Von mir aus!", gab Jerud schließlich auf und ließ ihn los. „Ich hoffe dir ist bewusst, dass wir uns gerade um einen Geist in einem verdammten Ring gestritten haben. Findest du nicht, dass du es ein bisschen übertreibst mit deiner Heiligennummer?"
Kelsu schaute ihn uneinsichtig an und verschränkte die Arme. „Ich werde ihr Vertrauen in uns und das Opfer, das sie gebracht hat nicht mit ihrer Zerstörung vergelten."
Resigniert wandte sich Jerud ab. „Du interpretierst zu viel in sein Verhalten hinein. Beim nächsten Fehltritt wirst du es zerstören. Ich werde unter keinen Umständen zulassen, dass es dich am Ende tötet."
Kels begab sich auf die Suche nach seinem Beutel und dem Rest seiner Kugeln und antwortete Jerud für eine Weile nicht. Er verstand, dass er sich nur Sorgen machte. Wahrscheinlich zu Recht. Er konnte ihm nicht erklären, warum er so überzeugt war, dass er Mildred retten musste. Er hatte keine Manipulation ihrerseits feststellen können und doch konnte er sich Jeruds Beunruhigung nur anschließen. Sein Verhalten, so weit es Mildred betraf, konnte man nicht länger als normal bezeichnen.
Jeden anderen Geist hätte er längst aufgegeben.
Doch mit Mildred war es anderes. Da war eine Verbindung zwischen ihnen, sie war etwas Besonderes. Kelsu war sich sicher, dass ihr Schicksal miteinander verknüpft war.
Nachdem er glaubte alles wiedergefunden zu haben, was er verloren hatte, kehrte er zu Jerud zurück und nickte. „Gut. Ich werde dir zeigen, wie du den Zauber brechen kannst. Aber ich selbst kann sie nicht zerstören!", teilte er ihm schweren Herzens seine Entscheidung mit.
Zufrieden mit dieser Aussage nickte Jerud. Er verstand, dass in seiner Weigerung keine Sturheit lag, sondern einfach die Unfähigkeit diesen Schritt zu gehen. So wie Kelsu verstand, dass Jerud ihm Mildred nicht aus Boshaftigkeit nehmen wollte, sondern um seine Sicherheit besorgt war. Um sein Leben.
Kelsu gähnte und legte einen Arm um Jerud, um sich auf ihn zu stützen. „Ich brauche Kaffee. Und ich habe Hunger", teilte er ihm ernst mit. „Wir sollten uns Frühstück auf unser Zimmer bestellen, bevor wir weitere Pläne schmieden."
Jerud schien einen Moment zusammen zu sacken, vielleicht war er verletzt, doch weder sagte er etwas, noch schob er ihn von sich.
„Bevor du weitere Pläne schmiedest", verbesserte er ihn und zog ihn mit sich.
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Das letzte Echo
FantasyEine menschenfeindliche Welt, voller Schatten und Dämonen. Ein Geist ohne Erinnerung, mit zerstörerischer und unkontrollierbarer Magie. Und zwei Krieger, in einem ewigen Kampf gegen die Dunkelheit. Auf der Suche nach ihrer Erlösung und ihrer Vergang...