Kapitel 32: Verlorene Seelen

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Mal ein Zwischenstück etwas eher, da ich ja jetzt so oft später dran war :) 

Viel Spaß damit. 

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Sie hatte Sajan noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Ihre Eltern hatten die Hochzeit schon vor ihrem sechsten Lebensjahr arrangiert und sie hatte nie Zweifel daran gehabt, dass dies der richtige Weg für sie war. Der einzige Weg, den sie in ihrem schlechten gesundheitlichen Zustand gehen konnte. Sie war ihren Eltern und auch Sajan dankbar, dass sie diese Chance bekam.

So kniete Mildred nun in einem weißen Kleid vor dem Altar, der Schleier verhüllte ihr Gesicht und sie war alleine. Es war völlig still in der kalten Halle und sie wandte den Blick nicht von ihren Händen ab.

Den Tag zuvor war sie so aufgeregt gewesen, dass sie nicht hatte schlafen können. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte sie sich nicht mehr so weit von dem Anwesen ihrer Eltern entfernt. Sie war zu krank gewesen um auch nur in die Stadt reisen zu dürfen. Doch heute war ihr Tag. Sie war zur Grabstätte ihrer Ahnen gegangen, um sie um eine glückliche Ehe und viele Kinder zu bitten. Ihre größte Angst war gewesen, dass sie ihre Heirat vielleicht doch nicht gutheißen würden. Doch die Zeichen standen gut und sie war zum Tempel gebracht worden, wo sie allein auf ihren Ehemann warten würde.

Wenn er überhaupt käme.

Noch hatten sie beide eine Chance die Hochzeit platzen zu lassen. Wenn sie jetzt aufstand und ging, müsste sie Sajan nicht heiraten.

Ihre Eltern wären natürlich enttäuscht. Wie Sajan und seine Familie es sehen würden konnte sie nicht abschätzen. Sie hatte sich die letzten Wochen viele Gedanken darüber gemacht und wahrscheinlich wären sie glücklicher, wenn sie nicht hier auf ihn warten würde.

Damit war die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sajan nicht auftauchen würde.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich Gedanken machte, was dies für ihre Zukunft bedeuten würde.

Wenn er käme, würde er sie mit zu seinem Anwesen nehmen, wo sie auch seine Familie kennenlernen würde. Danach würden sie in seinem Haus alleine leben. Mildred war gespannt auf ihre Schwiegermutter und auch ihre neuen Schwestern. Ihr Schwiegervater, die Tanten und Onkel, Nichten und Neffen. Ihre Familie würde um ein vielfaches anwachsen.

Doch am meisten fieberte sie der Zeit mit Sajan entgegen.

Sie hoffte er würde ihr ihre Schwäche nachsehen. Ihre Mutter hatte sie darauf vorbereitet, dass er sich wahrscheinlich andere Frauen nehmen würde, doch das sollte sie nicht traurig stimmen. Etwas leise, damit es niemand hörte, hatte sie ihr noch mit auf dem Weg gegeben, dass sie ebenso handeln könnte, wenn ihr Sajan nicht gefallen sollte. Sie sollte nur vorsichtig sein, dass es niemand erfuhr.

Niemand konnte von ihr verlangen ihre Aufmerksamkeit nur einem Mann zu schenken, der für sie ausgesucht worden war.

Mildred fragte sich, ob ihre Mutter wohl auch andere Männer in ihrem Leben gehabt hatte. Und ob ihr Vater davon wusste und damit einverstanden war. Hatte ihr Vater auch andere Frauen?

Warum heiratete man dann offiziell einen anderen Menschen?

Natürlich wusste sie die Antwort, aber sie fragte sich dennoch, ob es nicht auch einen anderen Weg geben könnte, um dieses Ziel zu erreichen.

Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt