Kapitel 29: Das Vampirnest

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Seine Zuversicht über ihren Erfolg im Keller hatte nur kurz angehalten.

Sie hatten schnell erkennen müssen, dass der von Sianna angerichtete Schaden im Keller nicht so weitreichend gewesen war, wie sie es sich erhofft hatten. Ganze Räume waren zerstört worden, doch wie er bereits vermutete hatte, waren weitere Vampire im Gebäude selbst untergebracht gewesen und der Keller war längst nicht mehr nur ein einfacher Keller gewesen. Sie hatten genug Zeit gehabt, es zu einem wahren Nest auzubauen.

Sie hatten die Vampire unterschätzt und obwohl sie viele Gewandelte hatten töten können, waren es doch zu viele.

Zudem waren sie langsamer gewesen als geplant. Die bereits untergehende Sonne wurde durch die vernagelten Fenster zurückgehalten und der Weg zum Ausgang war ihnen versperrt worden. Sie waren von allen Seiten auf sie zugekommen und hatten sie eingekreist.

In all dem Chaos und den vielen Räumen und Treppen hatten sie versucht denjenigen zu finden, der sie vereint hatte. Oder diejenigen. Sie wussten bisher nicht einmal ob es tatsächlich nur einer war. Er hatte schnell die Orientierung und die Übersicht verloren. Sie hatten es bis in eine große Halle geschafft, der Weg zum Ausgang war ihnen versperrt worden. Die Halle war dunkel und es kam nahezu kein Licht durch die Ritzen des Bretter hindurch. Der Kampf dauerte bereits zu lange und das Blatt hatte sich zum schlechteren für sie gewendet.

Sie alle waren hungrig auf ihr Blut und Kelsu spürte einen Druck in seinem Kopf. Er brauchte nur wenige Augenblicke um zu realisieren woher dieser kam.

Zunehmend desorientiert schloss er die Augen und konzentrierte sich auf seine Barrieren. Einerseits geschah das was Sianna vorgeschlagen hatte ohne, dass er sich viel Mühe geben musste, doch auf der anderen Seite war er ein Medium. Er war kein mächtiger Magier, der mental gegen einen der Alten kämpfen konnte.

"Du bist fähig", sagte eine sanfte, freundliche Stimme in seinem Geist. Es kostete ihn Mühe seine Barrieren aufrecht zu erhalten, wo doch alles in ihm danach schrie ihn hinein zu lassen. Weiter seiner Stimme zu lauschen und ihn zu finden.

Stattdessen trat er in Gedanken und auch in der Realität einige Schritte zurück.

Er wusste wer in seinen Gedanken war, ohne seinen Namen zu kennen. Ihm war, als würde er sich nur umdrehen müssen und er würde hinter ihm stehen. Doch um ihn waren nur seine Kinder, die noch nicht alt genug waren um ohne seine Führung überleben zu können. Sie alle waren ein Teil von ihm und folgten seinen Befehlen.

Wenn er es schaffte die Bindung zu unterbrechen, würden sie die Orientierung verlieren und wären einfacher zu bekämpfen.

Doch dies war kein Geist und er konnte das Alter spüren und seine - Freundlichkeit?


Sianna feuerte auf einen Vampir nach den anderen, ebenso wie Tyrael, der an Jeruds Seite kämpfte. Doch trotz der wachsenden Anzahl an Gegnern die sie tötete, strömten immer mehr von ihnen nach und sie bedauerte, keine weiteren Granaten mehr werden zu können. Sie hatte die meisten auf der Flucht aus dem zweiten Obergeschoss genutzt und jene, die sie noch übrig hatte, würden ihre Mitkämpfer mehr verletzen, als die Vampire.

Sie warf Kelsu einen Blick zu und verfluchte ihn in Gedanken. Warum konnte er sich nicht mal als nützlich erweisen? Er hatte nicht einmal sein Schwert gezogen und erwies sich in den letzten paar Minuten als besonders unzuverlässig.

Außerhalb der Festung musste es dunkler geworden sein, sie hatten mehr Zeit gebraucht als sie gedacht hatten.

Leise fluchend wich sie einer Attacke aus, doch der nächste Gegner schlug ihr das Gewehr aus der Hand. Sie sprang leichtfüßig zurück und griff nach ihren Wurfdolchen, die sie schwungvoll in einem Kreis um sich herum auf die Vampire schleuderte. Es spielte keine Rolle, ob sie diese traf, sie brauchte nur einen Moment Zeit, um eine der kleinen Glasfläschchen von ihrem Gürtel zu lösen.

Sie erinnerte sich an Jeruds Aussage, dass sie mehr Waffen besaß, als eine ganze Truppe an Kriegern. Doch in ihren Augen waren Waffen wie Kaffee und Sex, von keinem konnte es ihrer Meinung nach ein "Zuviel" geben.

Für einen Moment bedauerte sie es, diese Fläschchen nun nutzen zu müssen. Es hatte sie viel gekostet diese zu erstehen und sie fragte sich, ob Kelsu in der Lage wäre ebenfalls welche zu produzieren. Bisher schien er noch nicht auf diese doch sehr naheliegende Idee gekommen zu sein.

Sianna schleuderte das fragile Gefäß mitten unter die Vampire, um dann einem der Angreifer den Schädel gegen die Wand zu schlagen und Abstand zwischen sich und den Vampiren zu bringen. Kurz darauf stand sie mit dem Rücken zur Wand. Ein weiterer Nachteil für sie.

Mit einem Klirren zersprang das Glas und blendend helles Licht explodierte in einem Kreis um sie herum. In wenigen Sekunden gingen die Vampire in Flammen auf und nur schwarze Asche blieb von ihnen übrig. Doch auch sie hatte zumindest kurz ihre Augen vor dem Licht schützen müssen und ihre Mitstreiter verfluchten sie lautstark, als sie geblendet wurden.

„Achtung!?", rief sie laut. Eine Warnung wäre in ihren Augen sowieso überflüssig gewesen, es würde ihnen ja nicht sagen was sie machen wollte.

Sie griff nach einem weiteren Fläschchen und schleuderte dieses in Richtung Tür, durch die weitere Vampire in den Raum strömten, trotz der Tatsache, dass viele ihrer Kameraden bereits zu Asche geworden auf dem Boden lagen. Vielleicht konnte sie so zumindest den Strom der nachrückenden etwas verlangsamen.

Danach griff sie zu ihren Wurfsternen und tauchte sie in das letzte bisschen Vampirgift, welches sie noch von der Behandlung ihrer Kugeln übrig hatte. Ihr Gewehr war vorerst verloren, bis dahin würde sie sich so durchkämpfen.


Kelsu hatte geblendet den Blick abwenden müssen, als Sianna ohne Vorwarnung was auch immer in den Raum geworfen hatte. Bunte Flecken tanzten noch einige Sekunden vor seinen Augen und er stöhnte genervt auf, als sich das Licht nahe der Tür wiederholte. Zum Glück musste er nicht sehen um seine Magie wirken zu können. Er versuchte sich im Hintergrund zu halten und vertraute auf Jeruds und tatsächlich auch Tyraels Schutz.

Woher hatte Sianna nur all dieses Zeugs? Sie kämpfte nicht nur mit den Waffen der Hexen, sondern ebenso abgewandelten Zaubern von Druiden und Priestern, Schamanen und mit einem Schaudern glaubte er auch die Handschrift der Unsichtbaren erkennen zu können. Doch bei ihrer Abneigung ihnen gegenüber konnte er sich das eigentlich nicht vorstellen.

Vampire rückten immer näher und er hatte keine andere Wahl mehr als seine präparierten Kugeln zu nutzen. Wenn ihm einer der Gewandelten zu nahe kam, ließ er sie auf sie zufliegen und sie gingen mit einem Schrei zu Boden. Deutlich waren die Adern unter ihrer Haut zu erkennen, die sich schwarz verfärbten. Für mehrere Sekunden lagen die Getroffenen sich windend auf dem Boden, bis sie schließlich starben. Sie zerfielen nicht zu Staub, stattdessen starrten sie ihn mit offenen Augen vorwurfsvoll an und er versuchte sich einzureden, dass sie zumindest eine Chance gehabt hatten. Anders als die Schlafenden. Doch anders als die Schlafenden würden ihn diese Vampire in seinen Träumen verfolgen.

Er warf einen Blick Richtung Jerud und realisierte, dass sie immer weiter auseinander gedrängt wurden. Egal wie viele sie töteten, sie konnten weder den Raum verlassen, noch zusammen bleiben. Er war überrascht, wie schnell sie es geschafft hatten die Gruppenmitglieder voneinander zu trennen.

Doch während Kelsu immer mehr in Bedrängnis geriet, schien Jerud nichts erschüttern zu können. Mildred hatte vermutlich längst die Kontrolle verloren, vielleicht hatte sein Partner ihr aber auch wider Erwarten freie Hand gelassen. Das Schwert glühte in einem tiefdunklem Rot, die Runen waren kaum mehr zu erkennen und das Licht hatte sich in einem weiten Kreis um ihn herum ausgebreitet. Es war ihm, als hätte sich ein Stück einer fremden Welt in diese Realität gedrängt, die nun alles in seinem Umkreis zerstörte. Magie hing fast sichtbar in der Luft um ihn herum und jeder, der den Kreis aus unheilvollen roten Licht überschritt ging in Flammen auf. Es hatte sich bereits ein zweiter Kreis, dieser komplett aus Asche, um ihn herum gebildet und weder Jerud noch Mildred schien dieser Kampf zu erschöpfen.

Anders Kelsu. Er hatte seine Blutmagie nur als letzten Ausweg nutzen wollen, doch der Zeitpunkt zu dem er keine andere Wahl mehr hatte, war schneller gekommen, als er gedacht hätte. Er hätte auf sein Gefühl hören sollen. Ein Kampf mit diesen Chaoten konnte kein gutes Ende nehmen.

Die Vampire kamen immer näher und er stellte voller Grauen fest, dass er seine Kugeln verbraucht hatte.

„Jerud!?", rief er laut und zog sein Schwert.


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