Kapitel 24: Der Wald wandert (Teil 1)

11 2 0
                                    

Kelsu hatte den Großteil der Nacht sitzend in Meditation verbracht. Er hatte versucht seinem Geist wieder Klarheit zu bringen und Nishas Gegenwart zu vergessen.

Als er am Morgen die Augen wieder öffnete, konnte er in den Schatten kein Gesicht mehr erkennen. Nisha war fort und erleichtert atmete er auf.

Er war durchgefroren von der Nacht auf dem kalten Steinfußboden und stand auf, streckte seine steifen Glieder. Wie gerne hätte er jetzt eine Tasse Kaffee. 

Er warf einen Blick auf Jerud, dann hin zum Loch in der Wand und beschloss, dass es an der Zeit war weiter zu reisen. Er stellte sich neben seinen Partner und stieß ihn leicht mit dem Fuß an. „Hattest du eine erholsame Nacht?", fragte er, als dieser sich grummelnd zur Seite drehte.

Verschlafen blinzelte er ihn vom Boden aus an.

„Es ist kalt", beschwerte er sich und Kelsu lachte freudlos auf. Er griff in eine seiner Tasche und schloss für einen Moment konzentriert die Augen, bevor er seinem Freund einen rot glühenden Stein in die Hand drückte.

Zufrieden lächelte dieser ihn an. „Besser", stellte er fest.

„Ich weiß", grinste Kelsu und rieb sich seine geröteten Augen.

Er selbst konnte jederzeit einen Wärmezauber auf sich wirken, doch es war anstrengend ihn aufrecht zu erhalten, so hatte er darauf verzichtet. Jerud war er allerdings etwas schuldig. Das Mindeste was er hatte tun können, war einen Teil seiner Magie in diesen Stein zu bannen.

Der Krieger erhob sich schwerfällig und Kelsu begann seine Sachen zusammenzupacken, spürte dabei überdeutlich seine schmerzenden Rippen, ließ sich allerdings nichts anmerken.

„Ich denke, es wird Zeit weiter zu gehen", sagte er leise und stützte Jerud, so dass sie das Kloster verlassen konnten. Er wollte nicht länger an diesem Ort bleiben und Jerud schien es nicht anders zu gehen.

Doch schlussendlich kamen sie nur langsam voran. Er hatte nie damit gerechnet, dass Jerud so schwer verletzt werden würde. In der Stadt könnte er ihm eine bessere Behandlung zukommen lassen, den Großteil seiner Utensilien hatte er im Zimmer gelassen.

Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als sie den Wald erreichten und die Hauptstraße in Richtung Stadt. Die ersten Schatten legte sich über die Bäume, die Sonne versank langsam hinter dem Horizont, doch die Straße blieb hell und sicher. Dennoch fühlte er sich unwohl, da er sich wegen Jerud nicht so auf den Weg konzentrieren konnte, wie er es normalerweise tat.

Er hatte ein schlechtes Gefühl seit er in der Nacht zuvor Nisha in den Schatten zu sehen gehabt glaubte.

Beunruhigt fühlte er in den Ring hinein und versuchte Mildred wahrzunehmen. Doch ihn empfing nur Leere, ohne dass er wusste, ob dies ein positives oder negatives Zeichen war. Schließlich rief er sie doch herbei.


Blass und durchscheinend tauchte sie vor ihm aus dem Nichts auf. Sie fühlte sich als müssten sich ihre Gedanken durch einen zähen Sumpf quälen und mit einer Hand hielt sie sich den Kopf. Mildred fühlte sich genauso wie an dem Morgen, als sie Nacht hindurch wach geblieben und Alkohol getrunken hatte. Eine ihrer Dienerinnen hatte eine Flasche Wein mitgebracht und in kleiner Runde hatten sie diese geleert. Es war ihr erstes Mal gewesen, dass sie mehrere Gläser Wein getrunken hatte.  Bei der einen Flasche war es nicht geblieben. 

Sie hielt verblüfft inne.

Ihr war nicht klar gewesen, dass es etwas anderes als negative Erfahrungen in ihrem alltäglichen Leben ohne Sajan gegeben hatte. Sie hatte offenbar so etwas wie Gesellschaft in Form einiger ihrer Dienerinnen gehabt. Es machte durchaus Sinn. Diese Menschen waren immer um sie herum gewesen und die einzigen, zu denen sie längerfristig Kontakt haben konnte. Diese Frauen hatten keine andere Wahl gehabt, als sich mit ihr abzugeben. Für sie hatte es wahrscheinlich keine Rolle gespielt, dass sie unter ihrem Befehl standen. Alles war besser als Einsamkeit und ihre neue Familie.

Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt