Kapitel 4: Ankunft in Lumiel

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Nach der missglückten Beschwörung Mildreds setzten sie ihren Weg schweigend fort.

Kelsu grübelte, wie er Mildred begreiflich machen könnte, dass sie tot war und dass sie ihr helfen wollten. Er glaubte sich vorstellen zu können, dass es auch ihm schwer fallen würde, den Fakt zu akzeptieren, dass er gestorben war. Von außen betrachtet war es im ersten Moment unverständlich, warum sie am Leben festhielt. Sie hatte ohne Nahrung und Wasser in der Gruft gelebt, sie war substanzlos, ohne Atem und Herzschlag. Dennoch war die menschliche Psyche zu erstaunlichem fähig, wenn es darum ging sich seine eigene Realität zu erschaffen.

Es würde ihr schwer fallen, ihren Tod und vor allem auch ihr Dasein als Geist zu akzeptieren.

Kelsu unterdrückte ein Gähnen. Er würde heute keine Lösung mehr für sein Problem finden können.

Langsam verschwand die Sonne hinter dem Horizont und er war froh, dass sie wieder auf der Hauptstraße zur Stadt reisten. Hier wären sie geschützt und beide waren müde. Sie waren bereits seit dem Vorabend wach, einzig die Kräuter, die sie eingenommen hatten, hielten sie auf den Beinen.

Die Straße war menschenleer. Die einzigen, die sich um diese Zeit noch außerhalb von Stadtmauern aufhielten, waren reisende Krieger wie sie.

Als sie die Stadt bereits in der Ferne sehen konnten, tauchten auch die ersten blutgetränkten Kreuze am Wegesrand auf. Sie ragten hoch hinauf in den Himmel und warfen keinen Schatten auf die blumenreichen Wiesen, die sich zwischen der Hauptstraße und den Feldern befanden. An ihnen hingen noch die Überreste der unterschiedlichsten Kreaturen. Werwölfe, zum Teil mitten in der Verwandlung getötet und zur Warnung ans Kreuz genagelt. Fey und Dämonen verrotteten an den Kreuzen und wurden nur abgenommen, um Platz für die nachrückenden Verurteilten und Toten zu machen. Dazwischen sahen sie immer wieder vertrocknete Köpfe von Vampiren, deren straff über ihre Schädel gespannte Haut den Blick auf spitze Zähne frei gab. Magie verhinderte, dass sie zu Staub zerfielen. Sie hingen in Gruppen von den Querbalken herunter und schaukelten leicht im Wind.

Das Holz und die Eisen-und Silbernägel waren mit heiligen Symbolen versehen, die sicherstellten, dass sich keiner befreien konnte. Gegenwärtig hingen allerdings nur Tote an den Kreuzen.

Bis auf das Rauschen der Felder war es still.

In der hereinbrechenden Dunkelheit entzündeten sich die magischen Lichter am Wegesrand und tauchten ihre Umgebung in ein blasses, orangefarbenes Licht. Je näher sie Lumiel, der Hauptstadt kamen, desto deutlicher spürte er die Erschöpfung in seinen Knochen.

Die gewundenen Türme und spitzen Dächer der Stadt waren das erste was Reisenden auffiel, kurz bevor sie die Magie sahen, die als blau schimmernder Nebel aus dem Stadtgraben emporstieg. Der Anblick hatte etwas tröstliches für Kelsu. Lumiel war der Inbegriff ihres Sieges über das Unnatürliche und ihrer Zukunft.


Als sie endlich den Graben und die Zugbrücke erreicht hatten, atmete er tief ein. Vor den eisernen Toren standen Wachen und auf dem Wehrgang der Mauer konnte er weitere auf Patrouille sehen. In den massiv gebauten Türmen mit ihren kleinen Fenstern, leuchtete ein helles Licht weit über die Stadtmauern hinaus. Sie waren ein deutlicher Kontrast zu den schlanken und filigranen Bauwerken innerhalb der Stadt.

Die beiden Krieger durchschritten den Nebel, dessen Magie warm über ihre Körper strich und für wenige Momente verschwand das Gefühl der Müdigkeit. Die Wachen vor den Toren nickten ihnen zu und sie tauchten in das bunte Nachtleben Lumiels ein.

So still und menschenleer es nach Einbruch der Nacht im Umland der Stadt war, so laut und chaotisch war es in den Städten selber. Hier wagten sich nicht nur die Begabten auf die Straße, die Krieger, Schamanen, Hexen und Priester, sondern auch die unbegabten Menschen. Die Hilflosen, die darauf angewiesen waren, dass es Menschen wie sie gab, die ihre Häuser und Felder mit ihrer Magie schützten.

Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt