Kapitel 1
Sugar
„Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas", hörte ich den Protagonisten, der nebenbei laufenden Hörspiels schwafeln und schnaufte verächtlich, während ich den alten Landrouter durch die Wüste hinter der Grenze von Las Vegas navigierte und versuche in der Finsternis eine Stelle zu finden, wo ich meinen Mistkerl von Stiefvater vergraben konnte.
Noch immer spürte ich die Überlastung in meinen Oberarmen, weil ich viel zu lange auf den Bastard eingestochen hatte, ohne daran zu denken, dass ich das schwere Arschloch auch noch irgendwie in diese Rostlaube hiefen musste, um ihn tatsächlich endgültig loszuwerden. Ja, ich war offensichtlich kein Profi und zu behaupten, dass mein erster Mord aalglatt gelaufen wäre, wäre maßlos übertrieben. Aber zu meiner Verteidigung: Es war so nicht geplant gewesen.
Ich meine, versteht mich nicht falsch. Ja. Ich hatte geplant meinen Stiefvater umzubringen, allerdings nicht so. Und schon gar nicht heute. Es sollte in ein paar Wochen passieren, wenn ich die Knochensäge und die Chemikalien besorgt hatte, die aus ihm nur einen Haufen Glibber gemacht hätten, den ich die Toilette herunterspülen konnte.
Dummerweise hatte er ausgerechnet heute gemeint einen zweiten Anlauf zu unternehmen, um meine Schwester zu vergewaltigen und ich hatte zu Plan B greifen müssen. Dem Küchenmesser. Er, der Mann, der nach der Überdosis unserer Mutter alles gewesen war, was wir noch hatten, hatte versucht sie anzufassen. Seine eigene Tochter! Nachdem ich ihm bei dem Versuch mich anzufassen, eine seiner Hoden in den Unterbauch gekickt hatte.
Ich hatte ihm noch an selben Tag gesagt, dass ich ihn umbringen würde, wenn er so etwas bei mir oder Pearl auch nur noch einmal versuchen sollte und ich wusste, dass er mir jedes Wort davon abgekauft hatte. Ich hatte diese Wirkung.
Ich mochte klein, schmal und blond sein, aber ich war immer dazu in der Lage gewesen mir mit wenigen Worten und einen eisigen Blick Respekt zu verschaffen. Pearl war da anders. Meine kleine Halbschwester war kleiner als ich und sehr viel zierlicher und hatte die Aura eines Hundebabys. Keine Monster-Möpse und ausladenden Hüften, wie ich und auch keine langen blonden Locken. Ihr Teint war der einer typischen Nachfahrin, mexikanischer Einwanderer und ihre Haare dunkel und glatt. Nur die blauen Augen, die ich ebenfalls hatte, hatte unsere gemeinsame Mutter ihr vererben können.
Augen, die sich durch den Rückspiegel nun in meine bohrten, als sie auf der Rückbank wach wurde und sich den dunklen Kaputzenhoody mit den Katzenohren aus dem Gesicht zog.
„Sind wir schon da?", fragte sie mit sanfter Stimme und ich nickte nur und achtete weiter auf den Weg.
Da ich meinen Plan, mit dem Mord meines Stiefvaters, etwas zu zeitig gewesen war, hatte ich mich dazu entschieden, es auf die klasse Art zu beenden: Mit einer Schaufel in den Teil der amerikanischen Wüste, die dafür bekannt war, dass dort Leichen abgelegt worden. Auf den ersten Blick schien das nicht besonders clever zu sein, weil man meinen könnte, dort suchten die Behörden als erster. Aber es war genau das Gegenteil der Fall: Dort hin verirrte sie kein Beamter. Zu viel Papierkram.
„Und er ist ganz sicher tot?", fragte sie mich noch einmal und ich nickte wieder. Das hatte sie mich auch schon gefragt, als ich die Plane geholt hatte, um seine Leiche zum Wagen zu ziehen. Da war sie noch ein zitterndes Häufchen Elend gewesen und ich hatte sie unter die warme Dusche gesetzt, während ich mich daran machte meine eigene Sauerei zu beseitigen.
Sie war erst siebzehn und musste nun wirklich nicht alles mitansehen. Schlimm genug, dass sie dabei gewesen war, als ich hatte zuschlagen müssen und das es unter diesen Umständen passieren musste. Ich hatte geplant ihn sauber mit einer Tüte zu ersticken, weil ich nicht so dumm war, zu glauben, dass sich ein Serien-Vergewaltiger lange im Zaum halten könnte. Seit dem Tag, als er mir fast meinen Arm gebrochen hatte, um sich an mir abzureagieren und ich ihm mit einen Tritt einen Hoden gebrochen hatte, wusste ich, dass es nur eine Frage Zeit sein würde, dass er sich weitere Opfer suchte: Trotz meiner Drohung. Ich war heute gerade noch rechtzeitig gekommen. Pearl hatte mir versichert, dass es nicht zum äußersten gekommen war. Dennoch musst er weg. Er hätte es wieder versucht.
Triebtäter tickten so nun einmal.
„Ich will ihn mit vergraben", brabbelte sie unsinniger Weise und ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Du bleibst hier im Wagen, wie wir es besprochen haben. Wenn etwas sein sollte, habe ICH ihn umgebracht und ICH habe ihn vergraben. Du bist unschuldig. Keine Fingerabdrücke von dir irgendwo oder andere DNA spuren. Nur ich. Verstanden?", fragte ich und blickte ernst zu ihr nach hinten und sie nickte mit gesenkten Kopf. Damit war ich zufrieden und trat auf die Bremse.
Ich würde nicht zu weit in das berüchtigte Wüstengebiet hineinfahren und stellte den Wagen hinter einer kleinen Düne ab, bevor ich aus dem Wag stieg. Ich würde erst das Loch graben und dann noch einmal zum Fahrzeug zurückkommen, um die Leiche zu holen. Pearl würde drinnen sitzen bleiben und so tun, als wäre sie nicht da.
„Was machst du, wenn du ein anderes Fahrzeug siehst?", fragte ich sie, als wäre sie ein Kind, aber in ihrem traumatisierten Zustand musste ich auf Nummer sicher gehen, dass sie sich richtig verhielt. Ich war lediglich sieben Jahre älter als sie aber ich würde die Verantwortung für sie tragen, wie ich es seit ihrer Geburt getan hatte.
„Ich verstecke mich und versuche nicht, dich zu warnen. Wenn du bis zum Sonnenaufgang nicht zurück bist, oder ich mich hier bedroht fühle, klettere ich nach vorne und fahre weg ohne zurückzublicken. Ich lasse den Wagen irgendwo stehen, nehme nur das Bargeld aus der Tüte und verschwinde", murmelte sie wie ich es ihr beigebracht habe und ich verengte kurz die Augen, um ihr zu zeigen, dass ich es bitterernst meine.
„Sieh mich an Pearl!", befahl ich etwas harsch und wartete bis sie ihren Blick hob.
„Du wirst das auch genau so machen, kapiert? Versprich mir das!", verlangte ich und sie nickte sehr zögerlich aber glaubte ihr kein Wort. Aber anstatt mich mit ihr darüber weiter zu streiten, schmiss ich die Tür vom Wagen zu und ging zum Kofferraum, wo ich mir die Schaufel und die Gummistiefel griff, die ich vor ein paar Jahren aus den willen herauf, nur einmal irgendetwas Hübsches zu besitzen, aus einer Edel-Boutique geklaut hatte. Sie waren kreisch Pink und für das Wetter in Las Vegas so ungeeignet, dass ich sie nie zuvor getragen hatte, aber nun war ich froh sie zu besitzen.
Ich schlüpfte aus meinen zerschlissenen Ballerinas und zog mir die Gummistiefel an, dann schloss ich die Heckklappe des Wagens wieder, lächelte Pearl noch einmal aufmunternd zu und machte mich daran eine gute Stelle zu finden, wo ich meinen Stiefvater vergraben konnte.
Es war für immer vorbei. Nach heute Nacht würde für mich und Pearl ein neues Leben beginnen.
Ab morgen würden wir nicht mehr die Kinder einer drogensüchtigen Hure und ihren zweiten Ehemann sein, der uns betatschte. Ich würde nicht mehr in knappen Shorts und engen Shirt in einem abgeranzten Strippclub, alten Männern ihre Drinks servieren müssen. Ich würde mir von meiner Chefin nicht mehr vorwerfen lassen müssen, dass mir zu schade war um mich auszuziehen oder mich in ihrem schmuddeligen Hinterzimmer gar ganz kaufen zu lassen. Das alles würde vorbei sein.
Ich hatte genug Geld zusammen um mich und Pearl aus diesem elend freizukaufen. Nicht von meiner Arbeit – zumindest nicht nur, sondern vor allem, weil ich wusste, wann man den alkoholisierten Typen im Club ein paar Scheine mehr aus der Tasche ziehen konnte. Oder wie man in die Kasse griff, ohne erwischt zu werden.
Vielleicht war das nicht das moralische auf der Welt, aber darauf spukte ich! Ich war heute von einer Diebin zur Mörderin geworden und würde es jeder Zeit wieder tun, um aus diesem Elend zu entkommen. Gott würde mich vielleicht bestrafen, aber die alternative war es, mich irgendwann im Hinterzimmer des Clubs meiner Chefin zu Prostituieren, wie es meine Mutter getan hatte und meine kleine Halbschwester meinen Stiefvater zu überlassen. Wenn mir Gott beschissene Karten gab, würde ich sicher nicht brav dasitzen und mein Schicksal akzeptieren. Ich würde lügen und betrügen, um an bessere zu kommen!
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Morgen schon das nächste Kapitel :)
Hinterlasst doch mal ein Kommi, damit ich weiß woran ich bin. LG
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Sugar wants to kill you
RomanceDa ist man nur ein paar Minuten weg und schon wird das Grab, dass man gerade in mühevollen acht Stunden mitten im Nirgendwo ausgegraben hatte, von einem Fremden belegt. Er legt seine beschissenen Leichen dort ab, wo ich die Leiche meines Stiefvaters...