Kapitel 16
Sugar
Pearl blieb in unserem Zimmer und ich wusste nicht, ob ihre schlechte Laune mich dazu brachte mich langweilen, oder ob die Langeweile erst die treibende Kraft hinter meiner schlechten Laune war. Als das Fernsehprogramm, dank fehlenden Pay-TV, noch trostloser wurde, begann ich damit, die Männer zu beobachten.
Hunter war irgendwann gegen Mittag weggefahren und sagte mir auch auf Nachfrage, nicht wohin er sich verpisste. Was wahrscheinlich auch gut zu war. Crow blieb erst eine Zeit lang am Computer, dann setzte er sich an den Küchentisch und reinigte seine Pistole.
Es machte mich nervös ihn mit einer Waffe hantieren zu sehen, aber es wurde sogar noch schlimmer, als ich bemerkte wie routiniert er damit schien. Er kannte sich mit Waffen aus und ich war mir ziemlich sicher, dass er auch damit umgehen konnte. Toll. Ich war ihm also nicht nur körperlich unterlegen, sondern hatte auch weniger bedrohliche Fähigkeiten als er. Eine Diebin gegen einen Mörder. Das war alles andere als gut.
Als Crow meinen Blick bemerkte, grinste er mich an, während er genüsslich eine Patrone nach der anderen ins Magazin einlegte. Er musste mir wahrlich nicht offensichtlicher drohen. Doch ich hielt seinen Blick stand, weil ich mich weigerte, meine Furcht oder ihn, gewinnen zu lassen.
„Sugar?" rief Pearl von der Treppe herunter und ich erhob mich und ging in den Flur um zu sehen, was sie hatte. Sie stand am oberen Ende der Treppe und sah mitleidig zu mir herunter. Tränen in den Augen. Sie zitterte.
Sofort war ich alarmiert, lief zu ihr hoch und nahm sie in meine Arme. Sie erwiderte die Umarmung, schniefte ein paar Mal kräftig und stolperte dann fast über ihre eigenen Worte.
„...mir leid...weiß nicht, was ich jetzt hab", haspelte sie, aber im Gegensatz zu ihr wusste ich genau was los war. Nach der anstrengenden Nacht und den eher nervenaufreibenden Morgen, kam sie jetzt endlich zu ruhe. Sie hatte sich in das Zimmer zurückgezogen um zu schmollen, aber währenddessen hatte sie den Ernst der Lage erst richtig verstanden. Jetzt kam die Angst und das Gefühl der Hilflosigkeit. Alles wovor ich selbst immer noch davon rannte. Damit war sie sogar weiter als ich selbst.
Obwohl ich rein logisch die Bedrohung wahrnahm, schien mein Verstand sie noch nicht richtig realisiert zu haben, anders konnte ich mir nicht erklären war ich gegenüber Crow hauptsächlich Frustration empfand als Angst. Selbst als er vorhin mit der Waffe herumgewedelt hatte.
„Es wird alles gut, du wirst sehen. Wir bekommen das schon hin, so wie immer!" versprach ich ihr und schwor mir, dass es keine Lüge sein würde. Pearl war für mich das wichtigste auf der Welt und ich würde sie mit meinem letzten Atemzug verteidigen.
Als die Tür aufging und Hunter zurückkam, wich Pearl schnell aus meiner Umarmung zurück und flüchtete sich zurück ins Zimmer. Ob sie nicht wollte, dass einer der Männer sie mit Tränen sah oder ob sie schlicht Angst hatte, konnte ich nicht sagen. Es war aber auch nicht wichtig.
Hunter grinste vom Flur aus zu mir hoch, ein Paar Einkaufstaschen in der Hand und diesmal war dieses Lächeln alles andere als freundlich.
„Zeit dir deine Brötchen zu verdienen, Sugar" verkündete er und diese Aussage schien nicht nur mich zu verwundern. Crow stand plötzlich im Durchgang zur Küche.
„Was? Wüsste nicht das wir schon wieder einen Auftrag hätten. Erstmal sollten wir den abklären der letzten Nacht so schiefgegangen ist." schiefgegangen? Wenn Crow damit auf die beiden Leichen anspielte, die er in mein Grab gelegt hatte, dann war "schiefgegangen" das falsche Wort dafür. Zu schwach. Zu harmlos.
„Scheiß darauf, sie haben versucht uns zu bescheißen, du hast sie umgelegt und ich habe gerade mit jemanden gesprochen, der uns das doppelte für einen relativ einfachen Job bezahlt", sagte er und zog einen Stick aus seiner Tasche, den Crow ihm aus den Fingern riss und damit in das Wohnzimmer spazierte.
Ich kam langsam die Treppe herunter und ließ mir von Hunter die Einkaufstüten geben. Darin enthalten waren einige Verpackungen, in denen sicher irgendwelche Kleidungsstücke lagen. Wobei die Verpackung wahrscheinlich mehr Wert war, als alles was ich jemals getragen hatte.
„Ich will euch ja wirklich nicht in eure Geschäfte hineinreden. Aber wenn ihr mehr verdient mit weniger Risiko, würde ich nach den haken an der Sache suchen"meinte ich zu Hunter und der grinste nur breit.
„Oh einen Haken gibt es"
„VERDAMMT SCHEIß! HAST DU VOLLKOMMEN DEN VERSTAND VERLOREN?" schrie Crow plötzlich und ich ahnte, dass er besagten Hacken wohl gefunden hatte. Aber Hunter schien davon wenig beunruhigt. Ganz im Gegenteil, er sah fast schon zufrieden aus. Zu zufrieden.
„Wir nehmen ihn an Crow. Darauf bestehe ich!" erwiderte Hunter ungewohnt direkt und ernst. Er war sonst nicht der eisenharte Typ, aber seine Stimme ließ keinerlei Widerspruch zu. Und seine Augen. Oh Mann, sie glitzerten mörderisch, selbst als Crow wieder zurück in den Flur kam.
Sein Blick fiel kurz zu der Tüte in meiner Hand, dann in mein Gesicht und wieder zu Hunter.
„Du bist verrückt. Das können wir nicht bringen! Es gibt einen Kodex, Hunter. Willst du die ganze beschissene Unterwelt gegen uns aufbringen?" fragte Crow sehr mysteriös und ich wagte es nicht ihn zu unterbrechen, weil ich hoffte mehr darüber zu erfahren, um was es hier eigentlich ging.
„Als würde ihm auch nur einer hinterher trauern. Zudem hab ich das Kopfgeld nicht auf ihn ausgesetzt, denn da würde die Summe doppelt so hoch sein", erwiderte Hunter und ging fast schon gelassen in die Küche, um sich etwas von dem Kamillentee zu nehmen. Crow folgte ihm. Ich versuchte der Unterhaltung weiter zu lauschen und vor allem die Reaktionen der Männer zu sehen, aber Crows breiter Rücken versperrte mir die Sicht, egal wie sehr ich auch meinen Hals streckte.
„Ich versteh dich, okay? Nach allem, was er in Afghanistan abgezogen hat, will ich ihn auch tot sehen. Aber du kennst die Regeln: Auftragsmördern jagen keine andere Auftragsmörder, egal was für ein Segen das für die Welt wäre. Dieses Gesetz schützt uns nicht nur, es sorgt dafür, dass jeder seine Geschäfte nachgehen kann, ohne Rache zu fürchten. Zudem wird er von dem Kopfgeld wissen und den Braten riechen, vor allem wenn du dabei bist."
Hunter nippte an seiner Tasse und sein Blick glitt kurz zu mir, die es geschafft hatte sich so zu stellen, dass ich doch noch an Crow vorbei Linsen konnte.
„Aber wenn wir sie mitbringen, wird er es dennoch riskieren. Er kann nicht anders. Der Drang sie zu foltern und zu ermorden wird er nicht widerstehen können."
Moment. Was?
Moment. Was?
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Sugar wants to kill you
RomanceDa ist man nur ein paar Minuten weg und schon wird das Grab, dass man gerade in mühevollen acht Stunden mitten im Nirgendwo ausgegraben hatte, von einem Fremden belegt. Er legt seine beschissenen Leichen dort ab, wo ich die Leiche meines Stiefvaters...