Kapitel 5
Sugar
Ich konnte es nicht fassen. Der Kerl lebte nicht nur immer noch, er hatte es auch geschafft aufzustehen und Pearl einen seiner komplett tätowierten, dunklen Arme um den Hals zu legen, wobei sie dabei noch zierlicher und kleiner wirkte, als sie ohnehin schon war. Er sah erst zu meiner Schwester herunter, bevor er ohne den Hauch eines Lächelns, einfach auf mich starrte, als wäre ich tatsächlich eine Bedrohung für ihn.
Das sollte mich schmeicheln, weil Männer, gerade Männer wie er, mich normalerweise komplett unterschätzten, solange bis ich ihnen bewies, dass das ihr letzter Fehler sein könnte. Er tat das nicht. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass ich schon mal auf ihn losgegangen war und er nicht so aussah, als würde er diese Situation auf die leichte Schulter nehmen.
„Du hättest ihr die Schaufel geben sollen, Maria!", sagte er mit tiefer Bassstimme zu meiner Schwester und ich presste die Lippen zusammen. Er sah ihre olivfarbene Haut, ihre dunklen Haare, stellte fest, dass sie lateinamerikanische Wurzeln hatte und gab ihr den Standard Namen, den wohl alle Latinas in seiner Welt hatten: Maria.
„Okay, das war rassistisch! Lass sie sofort los!", blaffte ich in an und seine tiefliegenden, dunklen Augen fixiert mich so lange, bis mir ein kalter Schauer über den Rücken lief, allerdings nur halb aus Angst. Ich hatte in meinen ganzen Leben noch keine Angst vor Männern gehabt, obwohl es mir definitiv einiges leichter gemacht hätte, die die ich jetzt spürte, gebührte der Sorge, die ich um Pearl hatte. Die andere Hälfte war der beschissenen Feststellung geschuldet, dass da ein absolut heißer Kerl von mir stand. Ich war keine Rassistin, auch wenn viele mich sofort als solche abstempelten, einfach nur, weil ich weiß und blond und damit automatisch privilegiert in ihren Augen war.
Aber das stimmte nicht. Ich stand auf heiße Kerle, die Hautfarbe war mir dabei egal, auch wenn dieser Mokkaton dem Kerl da definitiv noch einmal ein extra 'Yummi' verlieh. Strenge, kantige Gesichtszüge, breites Kinn, einen kurzer Militärhaarschnitt und dann diese Narben. Die könnten ihn entstellen, taten es aber nicht: Er sah mit den Narben und diesen ganzen bösen Tattoos aus wie ein Krieger und im Gegensatz zu den Gang-Boys aus meiner Nachtbarschaft, die mit ihren zu weiten Hosen und Achselhemd durch meine Straße gingen, war der hier gekleidet wie ein Kerl, der wusste wie man sich anzog. Abzugshose und Hemd, beides zerknittert, beides staubig aber passgerecht und genau nach meinem Geschmack. Scheiße.
Würde dieser Wichser nicht meine Schwester bedrohen, würde ich mit den Augen klimpern und mich von ihm nett ausführen und vögeln lassen, bevor ich ihm beklaute. Ernsthaft!
„Sonst was, Püppchen? Verteilst du mein Hirn auf dem Sand? Vorher hab ich der Kleinen das Genick gebrochen und das weißt du, auch wenn du nur ein bisschen cleverer bist, als deine Haarfarbe impliziert." Was für ein Wichser! An seinen Manieren muss er definitiv arbeiten, abgesehen davon, hasste ich es Püppchen genannt zu werden! Allerdings hatte er echt. Mit den Muskeln sah er definitiv aus, als könnte er Pearls Genick brechen, wie ein verdammtes Streichholz. Was mache ich jetzt nur?
„Nimm deine Griffel von meiner Schwester, oder ich schwöre dir, ich filetiere dich beim lebendigen Leib!" drohte ich giftig, weil Einschüchterung bei den meisten Kerlen nämlich tatsächlich meist funktionierte. Aber der hier war sicher kein Maulheld. Er betrachtete mich absolut unbeeindruckt und dann dachte ich wieder an die beiden Leichen, die er in mein Loch gepackt hatte. Er war ein Mörder und er hatte meine Schwester. Verdammte scheiße! Der Kerl war die Personifikation von Gefährlich.
„Ich es clever mir zu drohen?" Nein, war es nicht, aber mein Temperament sprudelte immer über, wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühlte und nie zuvor habe ich mich so hilflos gefühlt wie jetzt. Pearls panischer Blick begegnete meinen. Ich sah wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Verfickte scheiße!
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Sugar wants to kill you
RomanceDa ist man nur ein paar Minuten weg und schon wird das Grab, dass man gerade in mühevollen acht Stunden mitten im Nirgendwo ausgegraben hatte, von einem Fremden belegt. Er legt seine beschissenen Leichen dort ab, wo ich die Leiche meines Stiefvaters...