Kapitel 37 - Eine neue Welt

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Ich war mit dem Geruch des Meeres aufgewachsen, mit spritzender Gischt und kreischenden Vögeln der See. Der leichte Wind auf den Außenplattformen war ein ewiger Begleiter und manchmal, wenn er aus westlicher Richtung wehte, brachte er leichte Brisen vom Festland mit, das hinter dem Horizont lag.

Auf der höchsten Brüstung von Atlantis stehend konnte ich den kommenden Regen bereits riechen, lange bevor die ersten Tropfen die Wände aus Glas trafen und daran herab perlten. Die Winde, die um meine Heimatstadt auf den Ozean gestrichen waren, hatten mir ein Gefühl von Freiheit und Ruhe vermittelt und die aufschäumenden Wellen an den unteren Ausläufern der schwimmenden Stadt hatten mir an vielen Tagen geholfen die Wogen in meinem eigenen Innersten zu glätten.

Ich hatte oft dort unten gestanden und meine Sorgen vom Wind über das Meer davon tragen lassen, so wie er den salzigen Geruch mitten zwischen durch die Türme und Gebäude trug. Seit meiner Ankunft auf der Erde hatte ich nichts vergleichbares mehr gespürt, denn im Stargate-Center ging nur ein Luftzug, wenn ein Ventilator lief oder irgendwo ein Belüftungsrohr eine Öffnung hatte.

Als ich durch das Stargate trat und die Erde hinter mir ließ, hatte ich jedenfalls nicht erwartet auf der anderen Seite direkt einen lauwarmen Sommerwind zu spüren, der mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht wehte und sanft kleine Wolken am hellblauen Himmel entlang schob. Falls jemand in der vorherigen Missionsbesprechung die Windstärke erwähnt hatte, so war es mir entfallen.

Da es bisher keinen Kontakt zu einer eventuellen Bevölkerung des Planetens gegeben hatte, bestand die Besprechung ohnehin nur aus einigen Fakten zum Klima und den bislang vom MALP gesammelten wissenschaftlichen Daten. Ich hatte mir Mühe gegeben mit den Gedanken nicht abzuschweifen, jedoch war es mir nicht gelungen. Das war einfach nicht mein Fachgebiet und ich wollte endlich richtig los legen.

Umso mehr freute ich mich als es endlich los ging und ich gemeinsam mit SG-1 den Ereignishorizont durchschritt. Nun auf dem anderen Planeten schien mich eine innere Ruhe und Erleichterung zu fluten, da ich das Grau des Stützpunktes hinter mir gelassen hatte. Das Stargate war inmitten einer sanften Landschaft aus Feldern, Wiesen und Ackerland installiert worden. Die Sonne schien angenehm warm auf uns herab, sodass ich schon bald die Weste öffnete und auch das Basecap aus meiner Ausrüstung aufsetzte. Einige Vorzüge hatte die neue Kleidung doch.

Das Team sah sich neugierig um, doch außer dem Feldweg auf dem sich das Sternentor befand und den beackerten Flächen neben uns gab es bislang zuerst keinen weiteren Hinweis auf Zivilisation. Dann entdeckte Daniel am Horizont hinter einer Hügelkuppe gleichmäßig Rauch aufsteigen, wie er von Schornsteinen aus Häusern kommen könnte.

Der Feldweg führte ebenfalls in diese Richtung also begannen wir im zu folgen. Ich war kurz zurück geblieben, weil ich einen weiteren Teil meiner neuen Ausrüstung hervor geholt hatte. Es handelte sich um eine kleine Handkamera, die man an der Seite aufklappen konnte und die daraufhin einen integrierten Bildschirm offenbarte. Sam hatte mir zuvor gezeigt wie sie zu aktivieren war und genau das tat ich nun.

Auf dem Bildschirm leuchtete eine Wiedergabe meines eigenen Blickwinkels auf, ich begann das geschlossene Sternentor zu filmen und den Weg, auf dem vor mir SG-1 lief. Daniel war stehen geblieben und sah zu mir zurück. Als er mich mit der Kamera sah, winkte er leicht und lächelte. Ich schloss zu ihm auf und dokumentierte die Landschaft. 

Meine neue Aufgabe machte mir Freude und das schöne Wetter trug seinen Teil dazu bei meine Stimmung zu erhellen. Fast wirkte es auf mich wie ein einfacher Spaziergang, man konnte leicht vergessen dass wir auf einer Mission waren. Daniel sah zu, wie ich einen einheimischen Wildvogel im Flug mit der Kamera einfing.

„Schön, nicht wahr?“ fragte er.

„Faszinierend,“ bestätigte ich.

Ich fühlte mich in meinem ganzen selbst als Lantianerin, so wie es früher gewesen war.

„Ich fürchte allerdings die Batterien werden nicht lange halten, wenn die Kamera dauerhaft läuft,“ sagte Daniel.

„Du hast Recht,“ antwortete ich und schaltete dann das Gerät aus.

Der Wildvogel verschwand hinter der nächsten Baumkuppe. Wir folgten dem Pfad weiter, dann traten wir ebenfalls in die Schatten des Waldes. Der Weg stieg nun leicht an, Wurzelwerk machte den Boden uneben, über uns in den Wipfel rauschte leise der Wind und Vögel sangen mit mir unbekannten Stimmen.

„Ich bin froh wieder mit euch auf Mission gehen zu können,“ sagte ich schließlich zu dem Archäologen neben mir.

„Das freut mich. Wir werden dieses Mal besser darauf achten, dass du nicht abhanden kommst,“ sagte er in Erinnerung an die letzte Mission.

„Was geschehen ist hat mir die Augen geöffnet, ich bereue diese Erfahrung nicht,“ erklärte ich.

„Es  hätte besser laufen können,“ sagte Daniel leicht zerknirscht.

„Aber auch schlechter,“ sagte ich und lächelte ihn ermutigend an.

Er lächelte zurück und nickte verstehend. Dann sah er mich fragend an.

„Der hohe Rat hat sich seitdem nicht mehr bei dir gemeldet?“

„Nein,“ seufzte ich. „Ich habe darüber nachgedacht, doch ich finde keine eindeutige Erklärung dafür. Mein Handeln kann ihnen unmöglich gefallen haben, doch sie hatten mir bereits zuvor angekündigt nicht jede Mission mit mir auswerten zu wollen.“

„Ist es möglich, dass sie es schlichtweg nicht mitbekommen oder gesehen haben?“ fragte er nach.

Wir kletterten gerade über ein paar umgestürzte Baumstämme, die den Weg versperrten. Ich wich einem tiefhängenden Ast aus, bevor ich antwortete.

„Das halte ich für unwahrscheinlich. Sie beobachten mein Verhalten und wie ich mich bei euch einbringe. Ich denke eher, dass sie mir mehr Handlungsfreiraum lassen wollen, damit ich mich weiter von ihnen los löse. Ich soll meine Entscheidungen eigenständig abwiegen, ohne mich auf den Rat zu verlassen. Vermutlich gab ich ihnen bei den letzten Treffen den Eindruck zu sehr an der Vergangenheit festzuhalten,“ überlegte ich.

„Ich verstehe. Es ist nicht einfach loszulassen, aber ich glaube zu einem gewissen Teil hast du das schon.“

Ich sah ihn nachdenklich an, dann neigte ich zustimmend den Kopf. Wir hatten die anderen drei unterdessen eingeholt. Sam, Jack und Teal'c standen auf der Hügelkuppe und sahen auf etwas unter ihnen liegendes hinab. Wir erreichten sie und stellten und daneben. Unter uns lichtete sich der Wald wieder, Häuser und gepflasterte Straßen kamen zum Vorschein. Rauch stieg wie erwartet aus Schornsteinen auf, auf den Wegen herrschte geschäftiges Treiben.

Männer in Leinengewändern und Frauen in knielangen Kleidern gingen umher, Körbe unter den Armen und Pferde und Ochsen an Leinen führend. Gelächter drang aus einer Gasse, woanders spielte Musik. Ich schätzte die Bevölkerung auf wenig fortschrittlich ein, dennoch faszinierte mich das bunte Treiben unter uns.

„Dann wollen wir mal,“ sagte Jack und ging voran den Hügel hinab.

Wir anderen folgten ihm hintereinander, bis wir schließlich zwischen die ersten Häuser traten und uns begannen umzusehen. Einige Dorfbewohner hielten neugierig in ihrer Arbeit inne, doch ich sah in keinem der Gesichter negative Emotionen wie Furcht oder Feindlichkeit. Ich war darüber angenehm überrascht, schließlich hatte ich nach den letzten Missionen beinahe schon damit gerechnet wieder mit dem Team in Schwierigkeiten zu kommen. Nun ja, was noch nicht war konnte ja noch werden.

Vorerst jedoch wurden wir freundlich empfangen und etwas weiter im Dorf auch direkt angesprochen. Ich beobachtete wie SG-1 den üblichen ersten Kontakt aufnahm und hielt mich im Hintergrund. Die Atmosphäre zwischen dem Team und den Dorfbewohnern war entspannt und es gab keinen Grund zur Besorgnis.

Daniel hatte begonnen vorsichtig nach den Goa'uld zu fragen, er beschrieb dabei ihre glühenden Augen und ihre Schiffe. Doch die Menschen schienen nicht zu wissen von er sprach. Scheinbar war dieser Planet nicht versklavt und die falschen Götter nicht einmal bekannt. Fast etwas ungläubig nahm SG-1 diese Mitteilung auf. Konnte es tatsächlich sein, dass dies eine freie Welt war?

Bald waren wir von neugierigen Dorfbewohnern umringt, von allen Seiten wurden uns freundlich Fragen gestellt. Scheinbar war es nicht relevant ob wir sie alle beantworteten, denn die Menge freute sich offen über uns als Besucher und es erschien ihnen nicht merkwürdig, als wir erklärten aus einer anderen Welt zu kommen.

Als uns von einigen älteren Frauen Kostproben frisch gebackenen Kuchens angeboten und von jüngeren Kindern Blumen gereicht wurden, schien es kein ehrlicheres und offeneres Willkommen zu geben. Doch so sehr ich mich über die Offenheit dieser Menschen freute, gleichzeitig hatte ich nicht vergessen, dass auch die letzte Mission sehr ähnlich begonnen hatte und dann fatal verlaufen war.

Als wir fast unbeabsichtigt von den Menschen weiter durch das Dorf begleitet wurden und uns einem großen steinernen Gebäude am Ende der breiten Straße näherten, wurde mir bewusst dass es den restlichen Mitgliedern von SG-1 ebenfalls so ging. Daniel und Sam hatten mich ohne dass ich es wirklich gemerkt hatte in ihre Mitte genommen und rückten näher, als es auch die Dörfler taten. Von Jack, der uns voraus ging, schweifte manchmal ein Blick zurück, als würde er sich vergewissern wollen, dass ich noch da war und auch Teal'cs Anwesenheit spürte ich in meinem Rücken, wenn sein Schatten über uns fiel, die Sonne in unserem Rücken.

Plötzlich durchströmte mich das Gefühl, dass jemand auf mich Acht gab und obwohl ich mich nie zuvor besonders hilflos gefühlt hatte, immer wissend, dass jemand aus meinem eigenen Volk bei mir sein würde, war dieses neue Gefühl mit den Menschen willkommen und hatte eine beruhigende Wirkung. Ich schenkte Sam ein Lächeln, als sich unsere Blicke kreuzten und sie erwiderte es.

Die Menge hielt vor dem Gebäude an, einer der Bewohner eilte darauf zu und verschwand im Eingang. Das Bauwerk hob sich von den anderen des Dorfes deutlich ab. Das Holz, geschlagen aus den Bäumen des umgebenden Waldes, wurde von hellem grauen Stein ersetzt, zu glatt bearbeitet, als dass es vom Stil her zu den Dörflern passen würde. Gerade Säulen säumten den Eingang und flache Stufen führten zu einem offenen Eingangsbogen. Daniel schien als einziger außer mir die Unterschiede in der Architektur und den gestalterischen Stylen zu bemerken, er hatte ein leichtes Stirnrunzeln auf dem Gesicht.

„Es wirkt, als wären an diesem Ort zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander getroffen, nicht wahr?“ sprach ich ihm leise zu.

„Mit ebenso unterschiedlichen zeitlichen Entwicklungsstufen,“ bestätigte er nickend.

„Was redet ihr da?“ fragte Jack, der uns zugehört hatte und uns nun ansah.

Daniel und ich tauschten einen Blick aus.

„Dieses Gebäude wurde nicht von den Dorfbewohnern errichtet,“ sagte ich dann.

Das Team blickte zurück zu der tempelartigen hellgrauen Anlage vor uns und eine leichte Anspannung wanderte durch die Gruppe.

„Ich stimme Miwa Joshin und Daniel Jackson zu. Auch wenn die Bewohner dieses Dorfes nichts von den Goa'uld wie wir sie kennen zu wissen scheinen, könnte es sie hier dennoch geben. Wir sollten vorsichtig sein,“ sagte Teal'c.

„Sind wir doch immer,“ sagte Jack.

Wir beobachteten wie der zuvor hinein geeilte Dorfbewohner wieder heraus kam, die Stufen hinab hastete und vor uns stehen blieb. Er atmete kurz durch, dann zeigte er einladend auf den Eingang hinter sich.

„Die Führer unseres Volkes möchten euch kennen lernen. Bitte, folgt mir.“

Sobald er fertig gesprochen hatte, drehte er sich wieder um und eilte wieder die Stufen hinauf. Als er bei einem Blick nach hinten bemerkte dass wir ihm nur zögerlich folgten, mäßigte er seine Schritte und wartete, bis Jack an der Spitze des Trupps zu ihm aufgeschlossen hatte. Dann traten wir weiter geführt von ihm durch den steinernen Torbogen ins Innere.

Hinter dem Eingang erstreckte sich zuerst ein kleiner Innenhof, den wir überquerten und dann durch einen weiteren Durchgang in das eigentliche Gebäude traten. Die hohen Säulen wurden durch kleinere ersetzt, auf einem langen Flur, der schließlich in einem schlichten Raum endete. Erstaunlicherweise wurde der graue Stein hier von einer metallenen Optik abgelöst, dessen Beschaffenheit wiederum einen Zeitsprung von mehr als 500 Jahren vermuten ließ.

Überrascht sah ich mich um, der in der Mitte platzierte Tisch schien Technologie zu beinhalten, wie man sie von Raumschiffen kannte. In der Mitte glaubte ich einen Hologramm-Projektor zu erkennen und elektrisches Licht strahlte von der Decke und den Wänden herab. In jedem Fall wurde meine und Daniels vorherige Theorie bestätigt, diesen Schluss konnte ich nicht nur in dem Gesicht des Archäologen neben mir sehen.

Hinter dem Tisch mit dem Rücken zu uns gewandt stand ein Mann, gekleidet in schlichte graue Gewänder und mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt. Der Dorfbewohner der uns her geführt hatte, räusperte sich kurz um die Aufmerksamkeit des anderen Mannes zu gewinnen. Dieser drehte sich nun zu uns um. Dunkelbraune Haare rahmten ein ausdrucksloses Gesicht, das sich uns zuwandte.

„Danke, Keel. Du kannst dich nun wieder deiner Arbeit auf den Feldern widmen. Und sag der Menge draußen, dass sie ebenfalls wieder ihre Arbeit aufnehmen können. Ich werde unsere Besucher empfangen,“ sagte der Mann in grau zu dem Dörfler.

Der Mann namens Keel nickte und verschwand nach einer kurzen Verabschiedung aus dem Raum. Der andere uns gegenüber blickte uns kurz an, dann deutete er auf die Stühle am Tisch.

„Willkommen auf diesem Planeten. Mein Name ist Borren, ich bin der Verwalter dieser Welt. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ fragte er völlig ausdruckslos.

„Wir kommen von einem Planeten namens Erde,“ begann Jack bemüht diplomatisch.

Während wir uns setzten und der Reihe nach vorgestellt wurden, meine lantianische Herkunft wurde dabei nicht erwähnt, hörte Borren weiterhin zu.

Zwar hatte er eine offene Miene, doch sein Gesicht zeigte keine Mimik, kein noch so kleiner Ausdruck huschte darüber. Die scheinbare vollkommene Abwesenheit von Gefühlen kannte ich bisher nur von Teal'c und sie irritierte mich.

„Ihr seid nicht mit einem Raumschiff auf diesen Planeten gekommen,“ stellte Borren fest.

„Nein, wir benutzen das Sternentor um zu reisen,“ erklärte Sam.

Zum ersten Mal seit diesem Treffen huschte ein kurzer Ausdruck von Interesse über Borrens Gesicht.

„Dieses System ist meinem Volk noch recht unbekannt. Womöglich könnten wir voneinander lernen und einander helfen.“

„Was genau schwebt dir da vor?“ fragte Jack nach.

„Eine Allianz,“ antwortete Borren.

„Nun, das klingt toll. Aber wir wüssten auch gerne im Gegenzug einige Dinge über dich und dein Volk,“ sagte Jack etwas überrascht.

„Uns ist bei unserer Ankunft aufgefallen, dass es gravierende Unterschiede in der Entwicklung und Technologie dieses Planeten zu geben scheint. Woher kommt das?“ fragte Daniel.

„Und woher weißt du was ein Raumschiff ist, wenn die Bewohner offenbar keine genauen Vorstellungen von intergalaktischen Reisen zu haben scheinen?“ schloss sich Sam an.

„Wie ich es bereits sagte, ich bin der Verwalter dieses Planeten, das von den Volianern besiedelt wird. Doch ich gehöre ihrem Volk nicht an und die fortschrittlichen Unterschiede die ihr bemerkt habt sind auf die Leitung durch mein eigenes Volk zurück zu führen,“ erklärte Borren.

„Und wie nennt sich dein Volk?“ fragte Jack.

Borren blickte ihn ungerührt an.

„Wir sind die Aschen.“

10.000 Jahre im Eis (Stargate SG1 FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt