Kapitel 23 - Unter der Oberfläche II

83 7 10
                                    

Als der Fels aufhörte zu beben und keine weiteren Gesteinsbrocken um uns herum aufschlugen, öffnete ich vorsichtig die Augen und blinzelte. Der aufgewirbelte Staub kratzte in meinem Hals und ich hustete. Vorsichtig tastete ich um mich herum und suchte nach der Taschenlampe, die ich Mal wieder in dem Chaos verloren hatte. Schließlich fand ich den kalten Griff auf Metall und knipste sie an. Das Licht flackerte kurz, dann leuchtete der Strahl die Umgebung vor mir aus.

Erst konnte ich durch den Staub nicht viel erkennen, doch langsam begann er sich zu legen und ich identifizierte die ersten Umrisse. Geröllbrocken lagen verstreut herum, die Wand hatte Risse bekommen. In einigem Abstand zu mir regten sich Gestalten.

"Alles ok? Ist jemand verletzt?" kam es von Lieutenant Nolan.

"Mir geht es gut," sagte Tema, die sich ebenfalls ausrichtete.

Ich sah suchend zu meiner rechten, als von dort ein leises Stöhnen kam.

"Major Warren?" fragte ich.

Er hatte mir den Rücken zugedreht, ich trat an ihn herum und richtete meine Taschenlampe auf ihn. Er hielt seinen linken Arm an seine Brust gepresst, die Augenbrauen unter dem Staub schmerzhaft zusammen gezogen.

"Ich habe mich wohl beim Sturz an einem scharfkantigen Stein geschnitten," presste er hervor.

Ich kniete vor ihm nieder.

"Lassen Sie mich Mal sehen," bat ich ihn.

Er reichte mir seinen Arm und ich besah ihn mir vorsichtig. Ein tiefer blutender Schnitt zog sich an der Unterseite entlang, Dreck hatte die offene Stelle verkrustet.

"Das muss gereinigt und verbunden werden," entschied Lieutenant Nolan, die sich neben mich gestellt hatte.

"Es geht schon," murmelte Major Warren.

"Doktor Fraiser sollte sich das auf jeden Fall ansehen," sagte auch ich.

Lieutenant Nolan zog Verbundzeug aus ihrer Weste und machte sich daran die Wunde zu verbinden. Tema war derweil vorsichtig näher zu uns heran getreten.

"Vielleicht kann ich helfen," sagte sie zögerlich.

"Inwiefern?" fragte Lieutenant Nolan überrascht nach.

"Hai'tare," erkannte ich.

Tema nickte bestätigend.

"Bitte was?" fragte Major Warren und sah auf.

"In diesen Höhlen wachsen heilige Pflanzen, welche in der Lage sind schnell Wunden und Krankheiten zu heilen. Wir könnten dich zu einer bringen und die Ahnen bitten dich zu heilen," erklärte Tema.

"Ich weiß ja nicht," sagte der Major skeptisch.

"Ich fürchte uns bleibt keine große Wahl," sagte ich.

Die anderen blickten fragend zu mir, doch ich leuchtete nur weisend in eine Richtung. Der obere Tunnelausgang war verschüttet, um zurück zum Stargate zu kommen mussten wir also ohnehin zurück zur großen Höhle gehen und von dort aus einen neuen Weg nehmen. Der Major seufzte resigniert.

"Na schön."

Ich half ihm auf, dann machten wir uns auf den Weg. Ich lief neben Tema und grübelte über etwas nach.

"Tema, sag Mal. Erlebt ihr solche Beben hier öfter?" fragte ich dann.

"In den vergangen Jahrzehnten sind sie immer Mal wieder gekommen, doch in der letzten Zeit häufen sie sich und werden mehr. Wir wissen nicht was das bedeutet, vielleicht sind die Ahnen unzufrieden mit uns oder wollen uns wegen etwas warnen."

"Ich vermute eher eine andere Ursache," murmelte ich.

Wir erreichten die Haupthöhle. Auch hier waren Geröllbrocken von der Decke gekommen und lagen nun verstreut auf dem Boden herum. Wir sahen uns suchend nach bekannten Gesichtern um und fanden schließlich den Colonel und Dr. Sanchester.

"Geht es euch gut?" fragte der Colonel alarmiert, als wir wir zu ihnen traten.

"Mehr oder weniger, Sir." antwortete der Lieutenant und deutete auf Major Warrens Verletzung.

"Sir, Tema hat angeboten ihm zu helfen, sie scheinen ein Heilmittel vor Ort zu haben," fügte sie hinzu.

"Ich muss natürlich erst die Ältesten um Erlaubnis fragen," sagte Tema.

"Das wird nicht nötig sein," erklang die Stimme der alten Frau hinter uns.

"Wir vertrauen euch und erlauben euch nun die Hai'tare und die Ahnenquellen zu sehen. Tema, führe sie dorthin," sagte sie.

"Moment Mal, ist das denn sicher? Wie wirkt dieses Heilmittel?" fragte der Colonel nach.

Auch Major Warren sah wenig zuversichtlich aus, allerdings war er zusätzlich etwas blass im Gesicht.

"Die Ahnen schicken ihren Segen und Leben in die Pflanze und ermöglichen es uns damit zu heilen. Wir vertrauen euch, nun müsst ihr uns vertrauen," sagte der alte Mann.

Der Colonel blickte Major Warren an, der sich seinen bandagierten Arm hielt.

"Ihre Entscheidung, Major. Wir können Sie auch sofort zurück durchs Gate schicken und Dr. Fraiser kümmert sich darum."

Der Major seufzte.

"Schon gut. Einen Versuch ist es wert. So schlimm ist es nun auch wieder nicht, dass wir deswegen direkt zurück müssen."

Wir ließen uns also von Tema zu einer Ahnenquellen führen, die Ältesten waren zurück geblieben. Der Colonel ging neben Major Warren her, ich wieder neben Tema. Wir bogen in einen Gang der Höhle ab, an dessen Ende ein blasses blaues Leuchten zu sein schien. Schon von weitem hörte ich das Plätschern von Wasser, jedoch war es kein starkes Brausen wie bei den anderen Quellen, welche ich zuvor gesehen hatte. Vielmehr hörte es sich an wie ein sanftes Tropfen. Als wir schließlich die kleinere Höhle betraten, erkannte ich ein Becken mit Wasser, in das von mehreren Zugängen aus kleine Wasserströme flossen. Tropfen perlten von der Decke hinab und schlugen sanfte Wellen auf der glatten Wasseroberfläche.

Neben dem Wasser registrierte ich erneut diese blaue Leuchten und als wir um einen Felsen herum traten sah ich die Hai'tare. Eine etwa kniehohe Pflanze mit langen schmalen Blättern und einer hellen breitgefächerten Blüte wuchs nah am Wasser. Aus dem Inneren diese Blüte schien bei genauerer Betrachtung weniger Licht zu strahlen, vielmehr schien sie zu fluoreszieren.

Tema trat ehrfürchtig näher und bedeutete dem Major ebenfalls mitzukommen. Beide kniete sich ans Wasser neben die Pflanze. Ich sah fasziniert zu. Tema nahm nun sanft seinen Arm zwischen beiden Hände und schöpfte Wasser darüber aus der Quelle neben ihr.

"Zuerst reinigen wir die Wunde mit dem Wasser der Ahnen, sie mögen dir Kraft schenken und ihren Segen bei der Heilung."

Dann wandte sie sich der Pflanze zu. Vorsichtig pflückte sie ein Blütenblatt und eines vom Stiel, tauchte beides kurz ins Wasser und lege sie dann auf die offene Wunde. Der Major zuckte kurz zusammen.

"Was ist?" fragte der Colonel alarmiert.

"Nichts, Sir. Ich hab mich nur erschreckt, es fühlt sich überraschend kalt an," antworte Major Warren.

Tema wickelte den pflanzlichen Verband um seinen Arm und verknotete ihn zum Schluss. Dann träufelte sie erneut etwas Wasser darüber.

"Ich bitte die Ahnen um Heilung für diese Wunde und danke für die Hai'tare," sagte sie.

Kurz schwiegen wir gebannt.

"Und jetzt?" fragte der Colonel dann.

"Spüren Sie schon etwas, Major?" fragte Lieutenant Nolan neugierig.

Der Major schien zu überlegen und starrte den Verband aus Blättern an.

"Die Schmerzen werden weniger," sagte er dann.

"Lass die Hai'tare einige Zeit wirken, dann bist du geheilt," sagte Tema und erhob sich.

"Na, darauf bin ich ja Mal gespannt," sagte der Major etwas skeptisch.

Die Dorfbewohnerin führte uns zurück zur großen Höhle, wo wir bereits erwartet wurden. Die Ältesten lächelten zufrieden als die die Pflanze am Arm des Majors entdeckten. Der Colonel beschloss mit dem Team an die Oberfläche zu gehen und nun gemeinsam nach den Ruinen Ausschau zu halten, hier unten gab es nichts mehr für uns zu tun. Wieder im Tageslicht angekommen, liefen wir durch den Wald in die uns angewiesene Richtung. Ich grübelte schweigend vor mich hin.

Erst als sich der Wald lichtete und erste aufeinander geschichtete Steine erkennbar wurden, konzentrierte ich mich wieder intensiv auf meine Umgebung. Die Ruinen der Häuser waren zerfallen, Efeu rankte sich den nackten Stein hinauf und Gras wuchs dort wo wohl ursprünglich eine Straße gewesen war. Die Dächer des Dorfes waren verschwunden, Türen und Fenster bestanden aus leeren Rahmen. Die Szenerie hatte etwas schauriges und schönes zugleich.

Über einigen Türöffnungen waren noch eingravierte Symbole im Stein zu erkennen, Goa'uld-Symbole, wie mir Dr. Sanchester erklärte. Hinter dem Dorf war eine riesige Fläche kahl, kein Baum stand dort, nur grüne Wiese wuchs.

"Hier muss das Goa'uld-Schiff gestanden haben, es werden nicht alle durch das Tor verschwunden sein," überlegte Major Warren.

"Ich dachte für einem Landeplatz der Goa'uld wird eine Pyramide benötigt," erwiderte Lieutenant Nolan.

"Hier offenbar nicht. Vielleicht war der Aufenthalt auch nicht so lang, dass sie extra eine gebaut haben."

Ich wandte mich von der kahlen Fläche ab und wieder den Ruinen zu. Der Platz war für einen Außenposten nicht ungeeignet, wenn auch etwas weiter weg vom Sternentor gelegen. Ich beschloss mir die verfallenen Häuser genauer anzusehen, vielleicht fand ich ja Technologie oder kulturelle Hinterlassenschaften. Nach einiger Zeit musste ich enttäuscht feststellen dass beides nicht der Fall war. Alles was ich fand waren zerbrochene Tonkrüge und verrostete Eisengebilde, über denen wohl früher gekocht wurde.

Als es dunkel wurde beschlossen wir zurück zum Stargate zu gehen und auf der Erde Bericht zu erstatten. Erst im Besprechungsraum angekommen wurde mir bewusst wie lange wir tatsächlich unterwegs gewesen waren, auch hier war es mittlerweile schon spät abends. Ich spürte wie mich langsam Müdigkeit überkam, es war ein langer Tag gewesen.

Der Colonel berichtete dem General von dem neuesten Stand der Dinge und Dr. Sanchester und der Major ergänzten mit ihren wissenschaftlichen Ergebnissen. Ich überdachte erneut meine Theorien, nun wo Zeit war. Als der Colonel die Erdbeben erwähnte, schickte der General den Major direkt im Anschluss auf die Krankenstation, Dr. Fraiser sollte sich das nochmal anschauen. Dann wandte er sich mir zu.

"Möchten Sie etwas beitragen, Botschafterin? Sie sehen so aus, als hätten sie sich bereits eigene Gedanken dazu gemacht."

Ich sah ihn überrascht an, offenbar hatte er mein Grübeln bemerkt. Vor dem General sollte ich mich lieber in Acht nehmen. Ich richtete mich etwas im Stuhl auf.

"Ich fürchte der Planet könnte für einen Außenposten doch nicht unbedingt geeignet sein."

"Wieso das?" fragte der General nach.

Ich sah ihn überlegend an und entschied mich dann für die direkte Wahrheit - auch wenn dies bedeutete dass ich Schwierigkeiten mit dem hohen Rat bekommen könnte.

"Ich habe eine Theorie bezüglich der Erdbeben, aufgrund meiner Beobachtungen und der Erzählungen der Bewohner. Wie wir bereits festgestellt haben sind die Höhlen durch Gaseinschlüsse im Magma entstanden, doch es scheint noch immer unterirdische vulkanische Aktivitäten zu geben, durch welche auch die Quellen erwärmt werden."

Die wissenschaftlich bekundeten im Team nickten zustimmend. Ich fuhr fort.

"Nun zu meiner Theorie. Ich denke dass der Druck im Planeteninneren steigt, jedoch kann das Magma nicht an die Oberfläche entweichen. Aus diesem Grund kommt es zu den Beben, welche in letzter Zeit häufiger werden. Ich vermute zwei aufeinander treffende Erdplatten oberhalb des flüssigen Planeteninneren, durch dessen dazwischen entstehenden Spalt Magma nach oben gelangt. Die Erdbeben werden also nicht aufhören, ich vermute dass sie in ihrer Zahl sogar noch steigen werden und die Höhlen irgendwann unbewohnbar machen. Die Menschen dort befinden sich also in wachsender Gefahr, ebenso wie alle die sich auch oberhalb ansiedeln wollen."

Schweigende Gesichter sahen mich an, bevor Lieutenant Nolan mich ansprach.

"Das haben Sie alles aus ihren Beobachtungen geschlossen?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"So kompliziert ist das nicht."

"Nun, überirdisch könnten wir vielleicht erdbebensichere Gebäude errichten, dafür gibt es bereits Methoden. Doch was ist mit den Bewohnern? Wenn die Höhlen unbewohnbar werden, können sie nirgendwo anders hin. Sie sagen noch immer dass das Tageslicht sie krank macht," überlegte Colonel Coleman.

"Wir sollten dieser Sache nochmal auf den Grund gehen, vielleicht stimmt es doch nicht," sagte Lieutenant Nolan.

"Dieser Meinung bin ich nicht," widersprach ich.

"Sie glauben ihnen?" fragte der General nach.

"Ja, zumindest teilweise. Nachdem ich die Malereien der Geschichte des Planeten im Inneren der Höhle gesehen habe, ist mir ein weiterer Gedanke gekommen. Offenbar erlebte die Sonne dieses Systems vor einiger Zeit eine Veränderung, Natur und Menschen passten sich im Laufe der Zeit genetisch daran an. Doch die Natur an der Oberfläche entwickelte sich zusammen mit der Sonne, auch als diese wieder einen normalen Zustand zurück gelangte. Die Menschen unter der Oberfläche taten dies nicht, weil sie die Sonne mieden. Ich denke daher dass sie aufgrund ihrer früheren Anpassung tatsächlich nicht mehr in der Lage sind bei Tag draußen lange zu überleben."

Jetzt war ich endlich auch meine zweite Theorie los geworden, es tat gut Mal alle Gedanken laut auszusprechen.

"Zu dieser Theorie würde auch mein Erlebnis von vorhin passen," sagte Dr. Sanchester.

Wir sahen sie fragend an.

"Oh, das hab ich in der Aufregung mit dem Erdbeben ganz vergessen zu erzählen. Ich fragte ein Mädchen namens Saira wann sie das letzte Mal bei Tag draußen gewesen wären und wir gingen kurz darauf zu einem Ausgang. Sie schien mir beweisen zu wollen dass ihre Aussagen wahr waren. Wir hatten den Tunnel noch nicht Mal richtig verlassen, das Sonnenlicht drang nur gedämpft zu uns hinein, da bekam sie auch schon Kopfschmerzen. Ich will nicht wissen was passiert wäre wenn sie direkten Kontakt mit dem Tageslicht gehabt hätte, wir sind daraufhin sofort zurück gegangen. Ich denke also ebenfalls dass sie die Wahrheit gesagt haben."

Wir saßen am Konferenztisch und dachten nach.

"Es muss aufgrund ihrer genetischen Veränderung etwas in ihrem Körper geben oder nicht geben, das sie von uns unterscheidet. Denn wir sind nicht betroffen," überlegte Lieutenant Nolan.

"Ich werde mich mit Dr. Fraiser dazu besprechen, vielleicht hat sie eine Idee. SG-8, Sie dürften fürs erste wegtreten, gehen sie schlafen. Wir treffen uns morgen um Nullachthundert wieder hier," entschied der General.

"Ja, Sir!"

Wir erhoben uns und verließen den Raum. SG-8 trennte sich, ich wurde von dem bereits wartenden Sergeant West zu meinen Quartier begleitet. Völlig erschöpft ließ ich mich nach einer warmen Dusche in mein Bett fallen und schlief ein. Ich träumte von Atlantis, meiner Heimatstadt.

Ich ging durch die schlichten Gänge, durch die Fenster sah ich das im Sonnenlicht reflektierende Wasser. Ruhig schwamm die Stadt auf dem Meer und das leise Plätschern der Wellen erklang auf dem Steg auf dem ich mittlerweile stand. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf in den strahlend blauen Himmel. Die Sehnsucht hatte mich erneut gepackt und umklammerte mein Herz. Seufzend ließ ich mich tiefer in den Traum gleiten und vergaß für einen Moment, dass nichts hiervon real war.



10.000 Jahre im Eis (Stargate SG1 FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt