Miss Johansson

Kapitel 31: More Than A Feeling

Du legst den Gang ein und fährst los Richtung Autobahn. Dein Herz schlägt wie verrückt. Dein Navi leitet dich, dir stehen knappe 5 Stunden Autofahrt bevor, vielleicht etwas weniger, wenn du zügig fährst.

Der Feierabendverkehr hat sich größtenteils gelichtet, du müsstest also freie Fahrt haben. Die bekannten Straßen deiner Stadt lässt du zunehmend hinter dir.

Was wenn du daneben liegst und Johansson doch nicht dort ist?

Was, wenn sie dich gar nicht sehen will? Schließlich kommst du erst gegen 01.30 Uhr dort an..

Du atmest hörbar aus. Solltest du dich geirrt haben, fährst du einfach wieder zurück. An Schlaf ist sowieso nicht zu denken. Und sollte sie dich nicht sehen wollen.. Keine Ahnung was dann.

Du schmunzelst, als du an ihre Worte denkst, dass du weniger nachdenken sollst. Tja, genau das tust du jetzt.

Wobei du nicht aufhören kannst an die unzähligen "was-wäre-wenn's" zu denken. Du zwingst dich dir einzureden, dass du die Dinge so nehmen müsstest, wie sie kämen.

Und wenn Johansson dich wegstoßen würde, dann müsstest du das akzeptieren..

Du trittst das Gaspedal durch und scherst vom Beschleunigungsstreifen auf die dreispurige Autobahn. Es sind nur wenige Autos unterwegs.

Auch auf der gegenüberliegenden Fahrbahn kommen dir nur wenige Lichter entgegen. Du öffnest dein Fenster einen spaltbreit, das Rauschen erfüllt den Innenraum.

Du schaltest das Radio ein, Musik würde dich etwas ablenken. Du beschleunigst erneut. Das Tempolimit ist aufgehoben und du quälst deinen Wagen auf 130km/h hoch.

Im Radio dudelt ein schnulziges Lied, du schaltest um.

140km/h.

Auf dem nächsten Sender spielen sie Nirvana. Augenblicklich denkst du an Samstag, als du zu selbigem Lied Muffins in Johanssons Küche gebacken hast.. Du schluckst schwer und schaltest wieder um.

150km/h.

Aus den Lautsprechern ertönt nun Boston - More Than A Feeling. Du seufzt. Ein Lied, in dem es darum geht, wie ihm ein Mädchen entgleitet und sie durch die Musik in ihm weiterlebt. Hoffentlich ist das kein schlechtes Zeichen...

160km/h.

Als das Lied endet, leitet dich das Navi auf die Zufahrt zur A1. Es folgen die Verkehrsmeldungen. Auf deiner Strecke ist zum Glück alles frei.

Die Menge an LKWs wird auch weniger, die Rastplätze sind maßlos überfüllt. Du siehst auf deine Tankanzeige, du müsstest definitiv nochmal anhalten. 150 Kilometer hättest du noch.

Du fährst auf der rechten Spur, nur gelegentlich musst du ausscheren, um einen PKW zu überholen. Ob du Johansson nochmal anrufen sollst? Vielleicht wäre es nicht die schlechteste Idee, wenn sie sich darauf vorbereiten könnte.

Du verwirfst den Gedanken. Du weißt nicht, was du tun würdest, wenn sie sagen würde, dass du wieder umkehren sollst... Weil das könntest du nicht. Also wäre es besser, wenn du den Überraschungseffekt auf deiner Seite hast.

Wie im Tunnelblick fährst du weiter. Die Lichter rasen an dir vorbei, es ist mittlerweile stockdunkel. Das Radio hast du wieder ausgestellt. Zu viele Lieder über Herzschmerz und verlorene Lieben.

Du zwingst deine Gedanken zur Ruhe. Sie sollen dir endlich mal eine Verschnaufpause gönnen, doch leider ist dein Kopf ein Arschloch und malträtiert dich weiterhin.

Wie sollst du Johansson weiterhin begegnen, wenn sie dich nicht mehr wollen würde?

Du weißt diese Frage, hast du dich bereits unzählige Male gefragt, aber bislang noch keine Antwort darauf gefunden. Ihr jeden Tag im Büro zu begegnen, wäre die reinste Tortur.