⇴73/despair

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{Jungkook}

Als ich am nächsten Morgen durch die Helligkeit, die meine Lider kitzelt, aus dem Schlaf gezogen werde, befindet sich Jimin nicht mehr in meinen Armen. Das ist das Erste, was mir eben sofort auffällt. Denn sonst liegt er immer an mir, wenn ich aufwache. Und wenn er zuerst aufwachen würde, dann würde er mich wecken.
So war es immer. Aber jetzt starre ich nur an den mit der Decke umschlossenen Rücken.

Mein Blick wandert seufzend zur Uhr. Plötzlich weite ich meine Augen, denn es ist gerade mal sechs. Wie kann ich denn jetzt schon wach sein?
Ein weiterer Blick zu Jimin verrät mir, dass er tief und fest schläft. Sein langsamer und gleichmäßiger Atem zeigt das deutlich.

Ich spiele mit dem Gedanken, ihn einfach wieder zu mir zu ziehen, oder der 'großen Löffel' zu sein. Doch irgendwie fühle ich mich nicht danach. Liegt es etwa daran, dass ich es ihm gestern nicht sagen konnte? Oder liegt es an etwas, was ich mal wieder nicht erklären kann?
Ich würde ihn zu gerne berühren. Ich würde ihn zu gerne liebkosen.
Eine unsichtbare Gestalt aber flüstert mir, dass er es nicht will.

Wie kann ich mir da überhaupt so sicher sein? Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass er sich im Schlaf gedreht hat.
Ich sollte aufhören, so viel darüber nachzudenken. Ich brauch' Luft.

Mühevoll zerre ich mich aus dem Bett und ziehe mir wärmere Sachen an. Ich werde rausgehen. Luft schnappen. Das ist, was ich jetzt brauche. Klare Gedanken. Einen freien Kopf.
Schnell kritzle ich auf eines der Notizpapiere, die immer auf den Tischen in Hotels liegen, mit einem Kugelschreiber eine Nachricht für Jimin:

Guten Morgen, Baby

ich bin draußen vor dem Hotel.
Geh schon mal zum Essen, ich komme nach.

Ich liebe dich <3
J. K.

Ohne ihn zu wecken, lege ich das Stück Papier auf meine Bettseite, denn ich bin mir sicher, dort wird er als erstes hinsehen.

Zügig in meine Schuhe geschlüpft und meine Jacke übergezogen, verlasse ich das Zimmer, lasse den Schlüssel aber dort.
Wie von selbst bringen mich meine Füße das Treppenhaus hinunter. Die Hände habe ich schon einmal vor der Kälte schützend in meine Jackentaschen geschoben.
Sobald ich dann durch die Türe hinaus gelaufen bin, bedeckt schon meine Kapuze meinen Kopf.
Ein leichter Wind weht, lässt Blätter über den Asphalt schweben, sowie die Wasseroberfläche des Sees wie Espenlaub zittern. Auch ich zittere nun ein wenig. Wie ein einsamer Junge, der von zuhause weggelaufen ist und nun verloren irgendwo im Nirgendwo herumirrt. So fühle ich mich. Deutlich macht es die Schwere in meiner Brust. Das Stechen in meinem Herzen. Die Tränen an meiner Wasserlinie.

Ich habe es noch nie so sehr realisiert wie jetzt. Es tut weh. Mit jedem Schritt verschlimmert sich die Wunde in meiner Seele und mir wird klar, dass ein Teil davon von mir gerissen wird. Mir wird klar, dass ich diese klaffende Wunde, die entstehen wird, nie wieder heilen kann.

Panisch setze ich mich auf eine alte, hölzerne Bank, die ungefähr 40 Meter vor dem See steht. Kälte erfasst meinen Hosenboden und meine Oberschenkel, sowie meinen Rücken. Von Gänsehaut geplagt kauere ich mich zusammen, um an Wärme zu gewinnen. Vergebens.

Die Gedanken in mir werden heftiger, stärker, lauter. Ich will es nicht glauben. Ich will davor fliehen. Aber es ist nicht meine Entscheidung gewesen. Es ist alles seine Schuld. Die Schuld meines Vaters.

Ich will Jimin nicht verlassen.

Aber ich muss.

Und mit dieser Erkenntnis fängt mein Herz an zu bluten. Es zerfetzt sich selbst. Es reißt auseinander in Millionen Stücke. Die Last auf mir breitet sich aus, verschluckt jede einzelne Zelle in mir, tränkt sie in Schmerz und Verzweiflung, bis sie ersticken.
Ich spüre, wie mir durch den hitzigen Fluss meiner Adern heißer wird, doch die Kälte von außen beißt sich in meine Haut. Zitternd schließe ich meine Augen. Ich presse sie aufeinander. Doch die Tränen brechen aus, als gäbe es keinen anderen Weg, sie zu verlieren.
Ich werde gehen. Ich werde ihn allein lassen. Ich werde mich von ihm trennen.
Und ich Idiot wollte ihm gestern von dem Umzug erzählen! Nach dem, was wir getan haben. Nach diesem Akt, der uns zusammengeschweißt hat. Viel mehr, als alles andere. Und ich Idiot wollte wirklich diese Stimmung zerstören.

Let's talk about SEX⇴{𝐣𝐣𝐤~𝐩𝐣𝐦}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt