Kapitel 33 - Erinnerungen

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Es ist dunkel. Angenehm weich. Mailin vergräbt ihr Gesicht ein wenig tiefer in ihrem Kissen, noch nicht bereit aus diesem seit langem erholsamen Schlaf zu erwachen.

An diesem Morgen fühlt sie sich sicherer als sonst, in dem alten Holzbett. Es ist sehr viel wärmer. Sehr viel kuscheliger. Am liebsten würde die junge Frau noch ein wenig länger schlafen. Doch so langsam ist es für sie an der Zeit aufzustehen. Zeit ihre müden und schmerzenden Gliedmaßen erneut dem Training zu unterziehen.

Ihre Augen flattern ein wenig. Bei dem angenehmen Duft in ihrer Nase entweicht Mailin ein zufriedenes Seufzen.

Doch je mehr ihr schläfriger Verstand in die Realität zurückkehrt, desto bewusster wird ihr, dass an diesem Morgen etwas anders ist. Etwas stimmt nicht. Dieser Geruch. Die Art und Weise, wie sich der weiche Stoff des Bettes an ihr Gesicht schmiegt.

Es ist warm.

Und atmet?

Mit einem Schlag öffnet die junge Frau ihre Augen. Sie starrt geradewegs auf einen weißen Untergrund, worauf ihr Kopf und einer ihrer Hände ruhen. Er bewegt sich langsam auf und ab.

,,Du bist wach," stellt eine dunkle Stimme nüchtern fest. Erst nach und nach kehren ihre Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück. Dann schnellt ihr Kopf erschrocken in die Höhe. Mailin stützt sich auf ihr Hände und blinzelt ein paar Mal, ehe ihr die gesamte Situation vollends bewusst wird.

,,Xiao du-... du bist ja immer noch hier," stottert sie überfordert. Ihr Gesicht bekommt immer mehr Farbe, während sie den Adepten betrachtet. Er lehnt mit dem Rücken gegen die Kopflehne des Bettes. Ihre Fingerspitzen auf der Matratze trennen nur weniger Millimeter von seinem Bauch, worauf vor wenigen Sekunden noch ihr Kopf gelegen hatte.

,,Das war doch deine Bitte."

Er mustert die junge Frau mit ausdrucksloser Miene. Diese versucht unterdessen ihre Gedanken zu ordnen.

,,Ja... ja ähm," schüttelt sie noch immer mit verschlafenem Geist den Kopf, ,,ich dachte nur nicht, dass du bis zum Morgen hier bleiben würdest."

Der Yaksha setzt sich nun etwas aufrechter hin und seufzt leise.

,,Als ich aufstehen wollte, hast du mich festgehalten und an dich gezogen," erklärt er ihr und sieht in die andere Richtung. Mailins Gesicht hätte wohl kaum noch roter werden können, als in dieser Sekunde.

,,Tatsächlich? Das... das tut mir leid."

Erneut treffen seine Augen auf ihre. Ein Gefühl der Verlorenheit überkommt die junge Frau, als sie in das Goldgelb seiner Iris starrt.

,,Muss es nicht," entgegnet Xiao lediglich. In seinem Blick liegt plötzlich ein Funkeln, das ihr bislang noch nie begegnet war. Es löst eine angenehme Wärme in ihrer Bauchregion aus. Mailin kann nicht anders, als seine Worte mit einem Lächeln zu erwidern.

,,Ich sollte jetzt gehen." Mit diesen Worten schwingt sich der Adept mit einer lautlosen Bewegung von dem Bett.

,,Ja, ich auch," nickt die junge Frau zustimmend und wirft ihre Beine über die Bettkante, ,,also zum Training, meine ich."

Sie trägt ein kleines Lächeln auf den Lippen und streckt sich müde, ehe sie aufsteht und sich in Richtung Tür bewegt. Bevor der Yaksha verschwunden ist, dreht sie sich jedoch noch einmal zu ihm um.

,,Du wirst doch wiederkommen oder?"

Xiao, welcher sie bloß wortlos beobachtet hatte, nickt leicht. Dann löst er sich aus seiner Starre. Mit seinem Verschwinden wird der Raum für den Bruchteil einer Sekunde in grünes Licht gehüllt. Mailin verharrt noch eine Sekunde in ihrer Position und lässt sich die Geschehnisse der vergangenen Nacht sowie dieses Morgens durch den Kopf gehen. Es ist schon seltsam, wie die Dinge sich verändern können. Noch vor ein paar Wochen hätte sie sich nicht einmal vorstellen können, dass der distanzierte Adept eine solche Seite in sich trägt. Endlich hat sie das Gefühl zu erfahren, wie sein Wesen wohl vor einigen Jahrhunderten gewesen sein muss. Vor all dem Leid und Schmerz.

MailinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt