Die Dämmerung bricht herein, während Mailin sich mit einem Bündel bunter Blumen zum Grab ihres besten Freundes begibt. Es ist ein abgelegener Ort. Niemand außer ihr kommt jemals hier her.
Sie entfernt die älteren Blumen von dem Grab und platziert ihre neu gepflückten darauf.
,,Ich kann nicht fassen, dass bereits über hundert Jahre vergangen sind, seitdem du gestorben bist," seufzt die junge Frau, ,,es ist so einsam hier ohne dich, Bennet."
Mailin verweilt noch einige Minuten an seinem Grab. In Gedanken an den weißhaarigen Pechvogel schleicht sich jedoch ein leichtes Grinsen auf ihr Gesicht. Ihn zu vermissen ist schrecklich. Dennoch bereute sie es bis zum heutigen Tag nicht eine Sekunde, dass er sie auf ihrem Weg begleitet hatte.
Auch wenn sie inzwischen alleine ist. So verbringt sie dennoch jeden Tag damit ihren wachsamen Blick dieser Welt zu widmen.
Als die junge Frau das Grab ihres Freundes schließlich verlässt, erleuchtet das weiße Licht des Mondes bereits die grüne Hügellandschaft. Sie durchquert ein Thal, welches aufgrund eines kleinen Baches entstanden ist. Auf der anderen Seite ragen steile Berggipfel in die Höhe und grenzen die menschliche Zivilisation von der grünen Umgebung ab. An der Spitze angelangt, lässt Mailin sich auf einem breiten Felsvorsprung nieder.
Ihre Beine baumeln frei in der Luft. Unter ihren Füßen strahlende Lichter in verschiedenen Farben. Der Fortschritt der Menschheit im letzten Jahrhundert ist beachtlich. Elektrizität. Neuartige Fortbewegungsmittel. Ihre Kreativität ist bewundernswert.
In den ersten Jahren ihrer Ankunft gab es schier endlos viel Arbeit. Aether, Lumine und Paimon unterstützten die junge Frau natürlich dabei. Wenige Jahrzehnte später hatten sie solide Grundlagen der Zivilisation errichtet.
Ein System, in dem jeder in Frieden leben kann.
Dann zogen die Zwillinge zusammen mit Paimon weiter. Sie nahmen ihre Aufgabe als Wächter der Welten wieder an und verließen die Erde.
Für lange Zeit gab es lediglich Mailin und Bennet. Und es war eine sehr glückliche Zeit. Doch mit den Fortschritten der menschlichen Zivilisation, wurde ihre Hilfe immer weniger benötigt. Nach Bennets Tot zog die junge Frau sich schließlich vollständig aus den Angelegenheiten der Menschen zurück.
Nun ist es an der Zeit sie ihren eigenen Weg einschlagen zu lassen. So wie Zhongli es auch bei ihr Tat, würde sie den Menschen Entscheidungsfreiheit gewähren. Damit sie in der Lage sind aus ihren Fehlern zu lernen. Selbständig Regeln und Gesetze zu entwerfen. Und sich alleine weiterzuentwickeln.
Wenn die junge Frau so darüber nachdenkt, gleicht ihre Rolle nun mehr der des Yakshas aus Liyue. Wachsam aus der Ferne. Darauf bedacht den Kontakt zu den Menschen zu meiden. Ironisch, nicht wahr? Und während sie so auf die strahlenden Häuser unter sich blickt, kann sie sich kaum mehr vorstellen, wie es wäre unter den Menschen zu leben. Vermutlich versteht Mailin ihre Denkweise nach all den Jahren genauso wenig, wie Xiao es tat.
Doch wenn das Kind lernt auf eigenen Beinen zu stehen, wird es seine Eltern schon bald nicht mehr brauchen. So entfernt sich ebenfalls die junge Frau mit jedem Tag ein Stückchen mehr von den Menschen. Bis sie schließlich in der Lage sind ihre ersten Schritte alleine zu gehen.
Dies ist wohl die Tragik hinter der Unsterblichkeit. Bekannte Menschen werden sterben. Andere ziehen weiter. Und früher oder später ist die Einsamkeit der einzige Freund, der sich mit Zuversicht an jeden mit diesem Schicksal wendet.
Zu früheren Zeiten hatte Mailin es nie verstanden, weshalb der Adept immer alleine war. Das schlechte Karma. Die unendliche Lebenszeit. Mittlerweile kann sie ihn verstehen.
In Gedanken an den Yaksha, lässt die junge Frau ihren Blick über die Landschaft streifen. Dies ist nicht der einzige Ort, an dem die Menschen sich niederließen. Dennoch verbrachten Bennet und sie ihre Zeit hier am liebsten. Die Landschaft erinnert sie an Liyue. Von ihrem Standort aus kann Mailin sogar die Felsküste ein paar Kilometer südlich der Stadt erkennen. Die raue Meeresbrise findet trotz der Entfernung einen Weg bis zu dem Felsen, auf dem sie sitzt.
Sie nimmt einen tiefen Atemzug, als der Wind um sie herum auffrischt. Er zieht an ihren Haaren. Lässt sie um ihr Gesicht herum tanzen, während die junge Frau die Augen schließt.
Mailin konzentriert sich lediglich auf das Gefühl des Windes auf ihrer Haut. Und die Geräusche der Natur um sie herum. Das heulen des Windes, wenn er über die Klippen weht. Das entfernte Zirpen der Grillen, welches in warmen Sommernächten an diesem Ort zu hören ist. Es entspannt ihren Geist, der nach den vielen Eindrücken in ihrem Leben, nur noch selten zur Ruhe kommt.
Allerdings wird dieser Moment der Ruhe plötzlich schlagartig unterbrochen. Die junge Frau nimmt Schritte wahr, die sich ihr nähern. Erschrocken öffnet sie die Augen und blickt hinter sich in die Dunkelheit. Darauf gefasst jede Sekunde aufzuspringen und sich gegen einen möglichen Angreifer zu wehren.
Die Konturen der Person nehmen in der Dunkelheit langsam Gestalt an. Doch als Mailin langsam zu verstehen beginnt, kann sie es nicht glauben. Diese unvergleichlichen goldgelben Augen würde sie unter Tausenden wiedererkennen. Trotzdem fühlt es sich für sie wie ein Traum an, als der Blick des Adepten nun direkt auf ihren trifft. Die junge Frau hatte nach der langen Zeit fast vergessen, wie wunderschön seine Augen in Wahrheit sind. Sie leuchten noch viel heller, als der Sternenhimmel über ihnen es je könnte.
Xiao lächelt. Sein Blick ist sanft. Warm. Und plötzlich hält er ihr seine Hand entgegen.
Mailin sieht auf die Stadt zurück.
,,Du hast sie lange genug beschützt... Die Menschen brauchen uns jetzt nicht mehr," spricht der Yaksha beruhigend. Ihr Blick wandert wieder zu ihm. In den Augen der jungen Frau bilden sich Tränen. Dann lächelt sie jedoch.
Er hat Recht.
Also nickt sie leicht. Und greift nach seiner Hand.
Ende.________________________________
Hey hey,
diese Geschichte hat hiermit ein Ende gefunden. Ich hoffe, sie hat euch gefallen :)
Aber keine Panik, falls ihr gerne noch mehr solcher Geschichten lesen wollt... ;) ich habe da schon etwas in Planung. Und zwar wird es diesmal um Scaramouche gehen :O ich werde die ersten Teile davon demnächst (vielleicht auch schon heute) hochladen. Also wenn es euch interessiert, behaltet mein Profil im Auge oder folgt mir einfach ;) dann könnt ihr dort vorbeischauen, sobald die Geschichte online ist.
Vielleicht sieht man sich ja dort nochmal :D und ansonsten vielen Dank an alle fürs Lesen, voten, kommentieren... einfach Danke an alle, die so sehr bei dieser Geschichte mitgefiebert haben. Es hat mir sehr viel Freude bereitet hehe :)
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Mailin
Fanfiction,,Halt still," befahl das kleine Mädchen mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Xiao seufzte bloß genervt als er den Blumenkranz in den Händen des Kindes sah. Dennoch ließ er es zu, dass sie es auf seinen Kopf setzte. Ihre Augen wurden nun ganz groß...