Kapitel 42 - Finsternis

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,,Es tut mir Leid," murmelt Mailin leise vor sich hin, ,,so unendlich leid."

Sie fällt vor Xiao auf die Knie und stützt vorsichtig seinen Rücken.

,,Ich-... ich muss dich zu Bennet bringen. Er kann dich heilen."

Die junge Frau versucht dem Yaksha aufzuhelfen, doch dieser hält sie am Handgelenk zurück.

,,Hör auf. Dafür ist es zu spät. Du weißt doch gar nicht wo er ist," gibt er kopfschüttelnd von sich. Mailins Gesichtszüge fallen tiefer.

,,Aber ich-"

,,Nein. Du kannst nichts mehr tun," unterbricht der Adept sie mit kühler Stimme und lässt von ihrem Arm ab. Dann werden seine Gesichtszüge jedoch etwas weicher.

,,Bleib einfach bei mir, ja?"

Der bittende Blick in seinen Augen trifft direkt in die Seele der jungen Frau. Sie sollte seine Entscheidung akzeptieren. Zumindest diesen Wunsch könnte sie ihm noch erfüllen. Denn im Gegensatz zu ihr, scheint er sich bereits mit seinem Tod abgefunden zu haben.

Ein paar Tränen rollen über ihre Wangen, als sie ihre Bemühungen ihn zu retten schließlich aufgibt. Stattdessen beginnt sie nun die Eisspeere, welche noch immer in seinem Rücken stecken, mit leichter Pyroenergie in ihren Händen zu schmelzen. Xiao zischt schmerzerfüllt unter ihrer Berührung auf, doch nachdem das Eis geschmolzen ist, scheinen sich seine Muskeln ein wenig zu entspannen. Zurück bleiben tiefklaffende Wunden, aus denen noch immer Blut austritt. Eine schwarzgrüne Farbe geht jedoch davon aus. Sein schlechtes Karma.

Vorsichtig platziert Mailin nun seinen Kopf auf ihrem Schoß. Sie möchte ihm seine letzten Minuten so angenehm wie möglich gestalten. Es zumindest versuchen, so gut es ihr in dem kalten, steinernen Raum in dem Schloss des Kryo Archons eben möglich ist.

Als die junge Frau zu dem Loch in der Wand herüber sieht, wo die Tsaritsa nur kurze Zeit vorher mit dem Gestein kollidiert war, ist sie verschwunden. Doch ihr sollte es Recht sein.

Mailins gesamte Aufmerksamkeit gilt nun ausschließlich dem Yaksha.

Ihre Augen wandern traurig über den regungslosen Körper des Adepten. Er ist mit Schnittwunden und Blut übersät. Sein Gesicht blass. Getrocknetes Blut klebt an seiner Wange.

,,Gib dir nicht die Schuld," seufzt Xiao plötzlich leise und lässt die junge Frau leicht zusammenzucken. Ihren Lippen entweicht ein bitteres Lachen, während sich ihre Augen mit Tränen füllen. Wie könnte sie sich nicht die Schuld dafür geben? Es ist offensichtlich, dass sie die einzige Person ist, die für seinen Tod zur Verantwortung gezogen werden kann. Nur ihretwegen ist er doch überhaupt erst an diesen Ort gekommen. Natürlich versucht er nur ihr Gewissen zu beruhigen.

Der Adept hebt daraufhin unerwartet seine Hand und wischt mit seinem Daumen eine Träne von ihrer Wange.

,,Dein Leben ist so viel wichtiger als das meine. Wann wirst du das endlich verstehen?" fragt der Adept sie mit neutraler Miene. Mailins Mundwinkel heben sich leicht.

,,Nein. Das ist nicht wahr... du hast Liyue und damit so viele Menschen für Jahrhunderte beschützt," erwidert sie leise, ,,du hast mich mein ganzes Leben lang beschützt."

Die junge Frau streicht ihm liebevoll durch sein dunkles Haar, während der Yaksha nachdenklich an die Decke starrt.

,,Und du wirst in deinem Leben noch viele große Taten vollbringen, die mehr Menschen helfen werden, als ich es jemals könnte."

Da Mailin ihm nicht weiter widersprechen will, lässt sie seine Worte so im Raum stehen. Nun da sie weiß, dass es das letzte Mal sein würde, möchte sie von jedem Moment mit ihm so viel wie möglich in sich aufnehmen.

MailinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt