Tote

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Ein Jahr später

Eine Fliege tanzte nun schon die ganze Nacht auf -und über meinem Gesicht. Das nervige Geräusch der schnell schlagende Flügel hielt mich die ganze Nacht wach.

Es war gerade mal fünf Uhr und schon wieder flog dieses nervige Brummen auf mich zu.

Letztendlich war ich wach und sah keinen Grund noch länger im Bett rumzuhängen.

Ich schwang von der Matratze und strich mir über meinen Nacken. Er war warm, nass. Der Frühling trat bald an und ich bin nicht bereit für die kommende Hitze.

Schon jetzt erlitt ich Schweißausbrüche und muss alle Paar Tage meine Bettwäsche wechseln.

Mit einem Hemd und mittellanger Hose schlenderte ich durch meine Wohnung. Ich gewöhnte mich noch an das Umfeld, denn seit einiger Zeit räumte ich meine drei-Zimmer Wohnung gerne um.

Vielleicht fehlte es mir an Abwechslung oder Veränderung. Trotzdem blieb ich hier, in der Baker Street.

Ich schlug die staubigen Vorhänge zur Seite und band sie an einer Improvisierten Schnur zusammen.

Mit meinem Finger fuhr ich über den Kalender an meiner Wand. Es ist Samstag der 15. März, also steht heute an - ich schluckte und zuckte mit dem Finger vom Blatt.

Genau heute vor einem Jahr. Sherlocks Grab besuchen.

Ich habe es aufgeschrieben nachdem mich meine Therapeutin dazu ermutigt hatte. Also vor drei Monaten um genau zu sein.

Ich hatte sie schon etwas länger engagiert, nach einigen Sitzungen nach der Diagnose durchliefen wir jedes einzelne Detail am Tag und die Tage danach.

Die Kaffeemaschine ratterte und brauchte einige Sekunden um mir das Menü zu zeigen. Solange schnappte ich mir die Gießkanne und bewässerte meine Pflanzen an der Leiter, angelehnt gegen dem Bücherregal.

Danach öffnete ich eines der Fenster, um die lästige Fliege hinaus zu scheuchen. Ich wischte mit der Hand durch die Luft und schubste sie in die Londoner Straßen.

-

Nach einer Stunde gefüllt mit Scrollen durchs Internet, Kaffee trinken und Rechnungen bezahlen, fühlte ich mich einigermaßen in der Lage einen Spaziergang zum Friedhof zu machen.

Aus dem Vorrat von Blumen, puzzelte ich mir einen Kleinen Strauß zusammen. Hauptsächlich aus blauen Vergiss-mein-nicht, Schleierkraut und roten Mohnblumen.

Ich bezweifle, dass Sherlock die Farben gemocht hätte, aber ich mag sie und das sollte genügen.

Ich eilte zur Bahn und schlenderte das restliche Stück zum Friedhof.

Sherlocks schwarzer Stein stand unter einem Baum abseits von den anderen.

Ich legte ihm einen Teil, der von mir ausgesuchten Blumen vor das Grab und richtete sie ordentlich.

Erschöpft und angeschlagen vom Mangel an Schlaf, setzte ich mich.

Mit meinen Ellenbogen auf den Oberschenkeln und einen krummen Rücken schaute ich in die gleiche Richtung des Grabstein.

Nachdenklich puhlte ich am Gras.

Viele Meter von mir stand ein großes Fachwerkhaus mit einem süßen Turm und grünen Dach.

Links eine Engelsstatue, die mir erstmals einen kleinen Schreck verpasst hatte. Für ein kurzen Moment dachte ich, da stand jemand.

Plötzlich brummte der Himmel. Na toll ein Gewitter zieht auf.

Ich blickte hinunter auf meine Hände und musterte die kahle Stelle im Gras.

Seufzend stand ich mit dem Grabstein als Stütze auf und schüttelte alte Tannennadeln von meinem Mantel.

Ich fühlte das ich noch etwas hätte sagen sollen, aber als ich meinen Blick auf seinen Namen richtete, konnte ich keinen Ton von mir lassen.

Ich biss mir auf meine Lippen und wendete das Gesicht ab. 

Mit meiner Hand auf dem Stein, sollte das Wiedersehen genügen.

Flüchtig ging ich ein Stück weiter, mit den restlichen Strauß Blumen in der Hand.

Ein kleiner Grabstein hinter den vielen Büschen blitze hervor.

Ich schaute einige Minuten auf ihn und bückte mich nach vorn. Eine Träne huschte über meine Wange, als ich die Blumen zu den ausgebrannten Kerzen legte.

"Da bin ich wieder", ich lächelte und plumpste auf die Bank. "Greg geht es gut, mir geht's ganz ok, von John habe ich lange nichts mehr gehört, aber er ist denke mal glücklich - mit Mary".

Ich zog die Lippen zu einer Linie und strich über meine Hand. "Das Geschäft läuft gut, weißt du? Der Laden spricht sich rum, man sagt sogar: In Ehren von Sherlock Holmes", ich schnaubte. "Ein Blumenladen unter dem Zuhause des berühmtesten Detektivs".

Mochte er überhaupt Blumen?

Mh, es nervt mich immer wieder fast nichts über ihn zu wissen.  Vielleicht könnte ich ja Mycroft fragen, ob er mir Sherlocks Akte geben könnte.

Ich schmunzelte.

"Die Albträume werden weniger, aber trotzdem habe ich noch immer dieses -Bild vor Augen", ich kniff mich selbst in die Hand und schaute hinunter.

Daraufhin dachte ich schnell an etwas anderes. "Ich habe dir meine Lieblingsblumen mitgebracht, Vergiss-mein-nicht. Die gehen unten im Laden weg wie sonst was. Ich musste einen geheimen Vorrat bei mir oben sichern".

Doch es ist schwer an etwas nicht zu denken.

"Das wars dann von mir". Ich stand auf und beugte mich über die Blumen, um den Stein kurz zu berühren.

"Bis dann, Mom".

Die goldene Schrift in dem grauen Stein, war immer noch schwer zu überwinden. Grace Lestrade. Ihr Name gehörte noch nicht darauf. Nicht so.

Ihr Leben war eine Lüge und jetzt auch ihr Tot?

Von dem Auto überfahren, sagt man.

Ich konnte mir selbst zusammenreimen, dass sie von einen von Moriartys Marionetten ermordet wurde.

Sogar der Sarg ist nur ein hohler Kasten. Mycroft berichtete über ihren Tot in Europa. Nicht einmal dort konnte sie Moriarty entfliehen.

Doch jetzt war er tot, sowie sie.

-

Im Taxi begann ein kleiner Niesel und gerade als ich das Geschäft in der Baker Street aufschloss, begann es, wie aus Eimern zu gießen.

Ich klopfte meine Schuhe draußen unter der Markise ab und schloss direkt hinter mir wieder zu.

Den halbnassen Mantel schmiss ich auf die noch kalte Heizung.

Auf der rechten Seite neben der Tür schaltete ich das Licht ein. Der kleine altmodische Kronleuchter und überall-verteilte Lampen flackerten in einem gemütlichen Schein auf.

Der Betreiber vor mir zog aus und verkaufte es mir zu einem sehr fairen Preis. Zu danken ist Mrs. Hudson, die ein gutes Wort für mich einlegte.

Jetzt hilft sie manchmal bei mir aus, als Ablenkung und für die Gesellschaft.

Ich schmiss die Schlüssel auf den Tresen und drehte die Heizung auf.

Meine Haare band ich zu einem hohen Pferdeschwanz und steckte vereinzelte Strähnen nach oben.

Dann machte ich mich an die Arbeit. Die Ableger und weitere ältere Pflanzen topfe ich um und befüllte sie mit neuer Muttererde.

Gemischt mit Wasser düngte ich sie und schnitt neue Ableger ab.

Die setzte ich ins frische Wasser uns stellte sie vorne an das Schaufenster, damit sie halbwegs Licht abbekommen. Aber eine große dunkle Wolke zog mit starken Wind über die Dächer.

Kein Mensch mit klaren Verstand würde hier herumlaufen, doch trotz dessen sah ich eine große Person um die Ecke flitzen.

Sie erinnerte mich an ihn. Den Mantel, die langen Haare. Fast zu lange Haare. Die der Fremden Person gingen bis zur Schulter und hatten nur wenig Struktur.

Kopfschüttelnd wendete ich mich wieder meinen Laden zu. Die Ableger würden wohl erst Morgen die Sonne oder etwas schöneres Wetter zu Gesicht bekommen.

An undefined LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt