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Müde saß ich an einem der Tische auf dem Schulhof, Nancy neben mir, Steve und Jonathan uns gegenüber. Natalia war bei keinem von uns mehr aufgetaucht, sie gab sich jetzt mit Marylin ab.

,,Was hast du denn gestern gemacht, dass du so müde bist?", fragte Nancy lachend. ,,Meine Wasserangst überwunden. Ich war im Laufe des Nachmittags gestern dauernd im Wasser und bin ein wenig geschwommen und lag ansonsten in der prallen Sonne.", antwortete ich müde. ,,Bist du dann nach Hause gelaufen?", wollte Nancy wissen, doch ich schüttelte den Kopf.

,,Billy hat mich nach Hause gefahren, bevor er dann Max abholen gegangen ist. Er ist gestern fast durchgedreht, weil die Kids nicht mehr bei euch waren und er Max erstmal suchen musste, bevor er mit ihr nach Hause konnte. Hoffentlich hat er nicht deswegen wieder Ärger bekommen.", meinte ich und seufzte.

,,Von was hat er das eigentlich alles im Gesicht? Hat er sich wirklich geprügelt?", fragte Steve und ich seufzte. ,,Ich habe nicht das Recht, es euch zu erzählen, das ist eine sehr persönliche Sache.", antwortete ich. ,,Also wird er zuhause geschlagen.", schlussfolgerte Steve. ,,W-wie kommst du darauf?", fragte ich verwirrt.

,,Er hat Wunden und blaue Flecken, nach dem nächsten Abend war es noch schlimmer. Du setzt dich die ganze Zeit dafür ein, dass er nicht so ist, wie er hier tut. Er redet sich raus, dass er sich prügeln würde, aber, ohne ihn großmachen zu wollen, kaum jemand in Hawkins wird ihn so zurichten können, wie er zugerichtet ist. Und wenn man dich danach fragt, sagst du, dass es etwas Persönliches ist. Außerdem würde häusliche Gewalt auch seine Tendenz dazu, auf alles draufzuschlagen erklären und dass er generell so drauf ist. Auch das mit seinem Auto. Sein heißgeliebtes Auto wird zerkratzt und es gibt keine Meldung über jemanden, der fast totgeprügelt wurde. Also war es wahrscheinlich die Person, die ihn auch regelmäßig so zurichtet. Und so, wie er oft zugerichtet ist, vermute ich auch stark, dass es ein Mann ist, der ihn so zurichtet, also sein Vater.", erklärte Steve und ich sah ihn geschockt an.

,,Bitte, ihr dürft es aber niemandem sagen. Behaltet es für euch. Sonst denkt er noch, dass ich es euch erzählt hätte und ich bin aktuell die einzige Person, der er sich anvertraut und mit der er reden kann. Er vertraut mir und er braucht mich, wenn er dann denkt, dass ich das rumerzählt hätte, dann ist sein Vertrauen weg und wahrscheinlich wird er auch verletzt sein. Es soll niemand wissen. Und ihr dürft ihn auch nie darauf ansprechen. Er ist wirklich nicht so, wie ihr denkt und er verdient das Alles nicht. Und ich will weiter die Schulter sein, an der er sich ausheulen kann. Er verdient das wirklich nicht und er ist eigentlich auch ein sehr guter Mensch. Er ist kein böser Mensch, ihm ist einfach nur unglaublich viel Grausames passiert.", flehte ich meine Freunde dann an.

,,Ja, keine Sorge. Es ist bei uns sicher. Wir werden es niemandem sagen und ihn natürlich auch nie darauf ansprechen. Aber jetzt können wir alle ihn vielleicht ein wenig anders sehen.", meinte Nancy und Steve und Jonathan nickten zustimmend.

,,Danke.", lächelte ich zaghaft.

,,Jetzt tut er mir fast schon ein wenig leid.", meinte Steve mit gerunzelter Stirn. Ich schmunzelte. ,,Ja, es ist wirklich schlimm.", seufzte ich dann.

Wie gerufen ertönten die dröhnenden Motorgeräusche des blauen Camaro, der auf den Parkplatz gebrettert kam. Ich hörte das Quietschen der Reifen, als Billy parkte.

Müde drehte ich den Kopf und sah in die Richtung von Billys geparktem Auto. Die Türen gingen auf und Max und Billy stiegen aus.

Billy legte sich den Gurt seines Rucksacks auf seine Schulter und schloss sein Auto ab. Diesmal trug er keine Sonnenbrille, der dunkle Fleck unter seinem Auge begann langsam zu heilen und besser zu werden, aber seine geplatzte Ader war immer noch zu sehen und ich wusste, dass es länger dauern würde, bis es abheilen würde.

,,Max!", hörte ich ihn rufen, als seine kleine Stiefschwester einfach loslief. Sie blieb stehen und sah ihn fragend an.

Er lief die paar Meter zu ihr und drückte ihr ein paar Dollar in die Hand. ,,Kauf dir was zu essen.", meinte er und sie strahlte ihn an, bevor sie ihm nochmal wank und in Richtung der Middle School verschwand.

Billy seufzte, bevor er dann auf uns zugesteuert kam.

,,Hey, Cherry.", begrüßte er mich und ich erstarrte, als er sich runterbeugte und unsere Lippen übereinander streifen ließ. ,,Hey...", wisperte ich und er legte seine Lippen nun mit ein wenig mehr Druck auf meine. Ich erwiderte den Kuss und er ging mit einem Lächeln wieder nach oben.

,,Ich entführe dich heute zum Mittagessen in unserer Freistunde.", grinste er und ich begann zu lächeln. ,,Wohin geht's?" wollte ich wissen. ,,Siehst du dann.", schmunzelte er.

,,Bis später.", raunte er dann, küsste mich nochmal ganz kurz, bevor er sich dann vom Tisch, auf den er sich gestützt hatte, abstieß und zu seinen Jungs lief.

Ich sah ihm hinterher, immer noch ein wenig überfordert.

,,Seid ihr etwa jetzt zusammen?", fragte Steve und ich sah ihn erschrocken an. ,,N-Nein, a-also nicht, dass ich wüsste. Billy bindet sich nicht und er ist kaum fähig jemanden an sich ranzulassen, da wird er noch weniger eine Beziehung führen. Außerdem flirtet er ja eh mit allem, was nicht bei drei auf dem Baum ist.", meinte ich dann und die Drei nickten.

,,Wusstest du eigentlich, dass Benjamin wiederkommt? Angeblich am Wochenende. Und nächste Woche ist er dann wieder hier auf der Schule.", meinte Nancy und ich sah sie geschockt an.

,,Benjamin? Benjamin Shaw?", fragte ich entsetzt. Sie nickte. ,,Heute ist Mittwoch und er soll am Wochenende wiederkommen?", fragte ich noch entsetzter. Wieder nickte Nancy.

,,Oh Gott...", seufzte ich und ließ meinen Kopf auf den Tisch fallen.

Benjamin Shaw war dieser eine Junge, den ich vor Billy geküsst hatte. Wir waren uns nah gewesen, uns immer nähergekommen, bis wir uns dann geküsst hatten und sich eventuell auch mehr zwischen uns entwickelt hätte. Doch dann hatte er ein Auslandsjahr in Kanada angetreten und wir hatten uns nicht mehr gesehen.

Da ich keine Adresse oder sonst etwas hatte, hatte ich ihm auch nicht schreiben können und wir hatten auch nur die ersten paar Wochen ab und zu mal telefoniert, bis der Kontakt dann abgebrochen war.

Und jetzt sollte er zurück hierherkommen? Das war ein Alptraum.

Broken BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt