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Billy p.o.v.

Ich saß auf der Polizeiwache, durch meine Sonnenbrille war alles abgedunkelt und ich verbarg ebenfalls mit der Sonnenbrille meine geschwollenen und geröteten Augen.

Nachdem ich die Sporthalle verlassen hatte, war ich wieder nach Hause gegangen und hatte mich in meinem Zimmer eingeschlossen.

Ich hatte auf meinem Bett gelegen und stumm vor mich hin geweint, während ich auf meinen Nachttisch gestarrt hatte. Ich hatte in einer meiner Schubladen noch einen Bilderrahmen gefunden und in diesen Bilderrahmen hatte ich ein Bild von Emery gemacht. Sie saß in der Starcourt Mall und strahlte in die Kamera. Ich hatte dieses Bild von ihr gemacht, als wir frühstücken waren.

Und im Bilderrahmen steckte von außen ein Polaroid. Ich konnte es jederzeit in die Hand nehmen, es war nicht hinter dem Glas. Das Polaroid hatte Max von Emery und mir gemacht, ich lehnte gegen meinen Camaro, hatte Emery in den Armen, sie hatte die Arme mehr oder weniger um meinen Nacken und unsere Lippen waren direkt voreinander, wir begannen gerade, uns zu küssen und lächelten beide noch glücklich.

Dann hatte irgendwann Susan angeklopft und gesagt, dass gerade Hopper angerufen hatte, ich musste auf die Polizeiwache kommen.

Also hatte ich mir übers Gesicht gewischt, die Tränen entfernt, mir meine Sonnenbrille wieder aufgesetzt, meine Lederjacke über das schwarze Hemd gezogen und mein Zimmer verlassen.

Nun saß ich hier, gegenüber von Jim Hopper und wusste nicht, was ich hier sollte.

,,Billy, wie geht es dir?", fragte er mich und ich blinzelte, erwachte aus meinen Gedanken. Ich hatte nicht gemerkt, wie sich mein Blick in die Leere verloren hatte, aber Hopper wahrscheinlich auch nicht, schließlich sah er meine Augen durch die Sonnenbrille nicht. Und ich hatte auch nicht gemerkt, wie ich meine Finger um die Armlehnen gekrallt hatte, so sehr, dass meine Knöchel weiß hervortraten.

Ich schüttelte leicht den Kopf.

,,Wenn das hier jetzt ein Verhör wird, weil du dir Sorgen um mich machst, dann lass es. Ich schließe mich nicht umsonst in meinem Zimmer ein, ich will das nicht. Ich will niemanden, der mich dauernd fragt, wie es mir geht oder jemanden, der sich Sorgen um mich macht. Emery ist tot und eure Fragen, wie es mir geht, ändern auch nichts daran.", meinte ich dann und Hopper sah mich einen Moment schweigend an.

,,Du bist nicht aus diesem Grund hier. Aber ich möchte trotzdem, bevor ich dir eröffne, warum du hier bist, wissen, wie es dir geht.", erklärte er dann und nun sah ich ihn schweigend an.

,,Mir geht es gut.", ich sah aus dem Fenster.

,,Dann zieh deine Sonnenbrille ab.", forderte er und ich knackte mit den Fingern. ,,Nein.", entgegnete ich. ,,Dann hätte ich gerne eine ehrliche Antwort.", er sah mich beinahe väterlich an.

,,Wie soll es mir gehen? Wie würde es dir gehen, wenn der einzige Mensch, den du liebst, wirklich liebst, in deinen Armen stirbt? Und das wegen dir? Weil dieser Mensch dir das Leben rettet? Ich bin derjenige, der tot sein sollte. Ich habe die ganzen Menschen entführt, sie sind alle wegen mir tot. Und Emery ist wegen mir tot.", zischte ich und Hopper sah mich traurig an.

,,Du kannst nichts dafür, Billy. Du hattest keine Kontrolle.", meinte Hopper dann und ich schnaubte.

,,Jetzt weißt du, wie es mir geht, also warum bin ich hier?", ich knackte wieder mit den Fingern.

,,Dein Vater war hier und wollte Anzeige gegen Susan erstatten wegen Kindesentzug. Jetzt müssen wir gucken, was wir machen.", erklärte er und ich sah ihn an.

,,Zwingt mich, zu ihm zu gehen und ich bringe mich um.", meinte ich und Hopper wirkte entsetzt über die Aussage.

,,Billy...", meinte er dann. ,,Das ist mein vollkommener Ernst. Zwingt mich zu ihm zu gehen und ich bringe mich um. Lieber verrecke ich, als wieder zu ihm zu gehen. Und es war kein Kindesentzug. Er ist gegangen und hat mich bei ihr gelassen. Außerdem bin ich jetzt achtzehn, ich bin kein Kind mehr, ich kann sogar alleine leben. Aber ich gehe nicht wieder zu ihm. Vorher werfe ich mich vor ein Auto, spring von einer Klippe, schneide mir die Pulsadern auf oder sonst etwas. Ich gehe nicht zu diesem Monster zurück und lasse mich weitere Jahre meines Lebens jeden Tag verprügeln!", ich sprang wütend auf.

Seit Emerys Tod schwappten meine Gefühle regelmäßig über. Entweder weinte ich so sehr, dass ich kaum noch Luft bekam oder ich spürte so pulsierende Wut in mir, dass ich rumschreien und überall draufschlagen wollte oder mein ganzer Körper war so überfordert mit Gefühlen, dass ich am ganzen Körper zitterte.

,,Dein Vater hat dich verprügelt?", fragte Hopper nun ernst und ich sah ihn an.

,,Woher denkst du stammten meine dauernden Verletzungen? Woher denkst du stammt meine Schwäche dafür, überall erst draufzuhauen? Woher denkst du kommt diese Wut?", zischte ich und er schluckte.

,,Wie lange hat er das getan?", fragte Hopper.

,,Seit ich klein bin.", brummte ich widerwillig.

,,Willst du Anzeige gegen ihn erstatten?", wollte er nun wissen und ich sah ihn an, bevor ich wirklich psychopathisch begann zu lachen.

,,Soll ich mir gleich ein Messer in die Kehle rammen?", fragte ich immer noch psychopathisch lachend und Hopper sah mich ernst an. Er fand das alles andere als lustig.

,,Nichts für Ungut, aber du kennst ihn nicht. Sollte ich ihn anzeigen, sollte ich es wagen, ihn anzuzeigen und somit der ganzen Welt verkünden, was er tut, wird er mich totprügeln. Er wird mich finden, egal, wo ich bin und er wird mich totprügeln.", ich schüttelte den Kopf.

,,Jetzt lässt er mich wenigstens in Ruhe.", ich zuckte die Schultern und sah Hopper an, dass er von meinen heftigen Stimmungsschwankungen mehr als verwirrt und vor allem besorgt war.

Ich sollte mir wahrscheinlich um mich selbst Sorgen machen, aber ich tat es nicht. Mein Leben hatte geendet, als Emery in meinen Armen gestorben war.

Als ich ihrem Leichnam immer wieder gesagt hatte, dass ich sie lieben würde.

Alles positive in mir und jeder Gedanke an mich selbst und mein eigenes Wohlergehen, war mit ihr gestorben.

,,Billy, wenn du ihn anzeigen würdest, würdest du natürlich geschützt werden. Sodass er dir nicht zu nah kommen kann oder dir schaden kann.", meinte Hopper nun eindringlich.

Ich tigerte in seinem Büro auf und ab, wusste, dass ich aussah, wie ein Psychopath. Dann drehte ich mich ruckartig zu ihm und stützte mich mit einem Knallen auf seinem Schreibtisch ab.

,,Ich sagte Nein. Soll ich es dir buchstabieren? N-E-I-N.", ich grinste und ließ meine Zunge über meine Unterlippe gleiten.

Dann stieß ich mich wieder von seinem Schreibtisch ab und tigerte weiter auf und ab.

,,Billy...", meinte Hopper und ich drehte mich wieder sehr schnell zu ihm, hatte dabei die Hand erhoben. ,,Ah, ah. Kein weiteres Wort dazu...", ich grinste immer noch breit.

,,Billy, du brauchst Hilfe...", murmelte Hopper und ich lachte auf. ,,Nein. Nein, ich brauche keine Hilfe. Ich brauche Emery.", entgegnete ich dann kopfschüttelnd.

,,ABER SIE IST IN MEINEN ARMEN GESTORBEN!", ich schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch und er zuckte kurz zusammen, wobei er resigniert die Augen schloss.

,,Und genau deswegen brauchst du Hilfe.", murmelte er.

,,Und ihre letzten Worte waren, dass sie mich liebt. Ach und sie bezeichnete mich als Vollidiot. Und damit hatte sie recht, denn ich war so bescheuert, dass ich ihr nicht ein einziges Mal gesagt habe, dass ich sie liebe. Zumindest nicht, während sie gelebt hat.", ich schüttelte den Kopf und wieder kam ein sarkastisches Grinsen auf meine Lippen.

,,Billy, du brauchst wirklich Hilfe, sonst wirst du damit nie klarkommen.", kam es eindringlicher von Hopper.

,,Nein, nein. Ich brauche keine Hilfe. Ich brauche einzig und alleine Emery. Sie kam damit klar, weißt du? Sie wusste, was sie tun muss, wenn ich durchdrehe. Sie wusste, welche Knöpfe sie drücken muss, damit ich wieder runterkomme. Aber sie ist nicht mehr da. Und es ist meine Schuld. Also müsst ihr wohl mit diesen Phasen klarkommen, das wird Normalzustand werden. Oder ich beende es einfach. Ich lebe eh nicht mehr...", ich zuckte die Schultern und leckte mir wieder über die Lippe.

,,Billy, sag sowas noch einmal und ich lasse dich jetzt sofort in eine Klinik einweisen.", meinte Hopper streng und ich lachte.

,,Kümmere dich um deine Tochter. Nicht um mich. Mir geht es bestens.", mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ die Polizeiwache.

Broken BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt