Kapitel 34

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Müde höre ich mir die Zahlen an, die Joseph über die Lippen kommen. Er spricht von Verkaufszahlen, die Anzahl an Playlisten denen Change beigefügt wurde und einer Prognose vom weiteren Verkauf der Sales. Gefühlt zeigt er alle zwei Minuten neue Bilder und Grafiken, aber ich höre nur mit halbem Ohr zu. Wahrscheinlich sollte es mich mehr interessieren, aber ich bin einfach zu müde. Erst, als er ein paar Tweets und Instargam Kommentare von Louies vorliest, richte ich mich in meinem Stuhl auf und grinse. Langsam schließt er seine PowerPoint ab, dreht sich mit einem breiten Lächeln zu Zayn und mir um und lässt seine Augen über die anwesenden Menschen schweifen. Neben mir und Zayn ist auch ein weiterer Teil des Managements dabei, welches allerdings nicht direkt zu meinem Team gehört, weshalb ich auch ihre Namen nicht kann. Es sind hauptsächlich Arbeiter, die sich mit den Zahlen beschäftigen und Joseph mit Daten versorgt haben, welche wahrscheinlich von einem geknechteten Werkstudenten oder Praktikanten in die PowerPoint eingetragen wurden. Ich werde sie alle wahrscheinlich nicht wiedersehen, also stört es mich auch nicht. „Danke. Damit kommen wir zur Planung der weiteren Wochen mit besonderem Blick auf das Festival in einer Woche. Louis, du wurdest spontan zum Line Up hinzugefügt und trittst als Ersatz für Lewis Capaldi auf. Er musste kurzfristig absagen, die Gründe sind nicht bekannt." Ich nicke. Die Mail mit ein paar Informationen dazu habe ich bereits vor einem Tag bekommen und mir grob durchgelesen.

Es geht nach Bilbao, ein Ort im Norden Spaniens. Das Festival findet jährlich statt und wird hauptsächlich von Jugendlichen besucht. „Wie lang ist mein Set?" – „25 Minuten", erklärt Joseph und ich nicke. Wenn ich mich heute an die Setlist setze, kann ich die Tage mit den Proben beginnen, damit es Freitag ins Flugzeug gehen kann. Samstagabend stehe ich dann wieder auf der Bühne. Endlich. „Was ist mit der Anreise? Und der Unterkunft? Wird was bereitgestellt?" – „Nein, das ist zu kurzfristig. Die Kosten für die Unterkunft werden aber übernommen." Zufrieden nicke ich. „Die Mail mit ausgewählten Songs bekomme ich bis heute Abend, sonst verschiebt sich die Planung. Mittwoch um zwölf beginnen die Proben mit deiner Band. Das Studio ist bis 17:00 gebucht, Donnerstag von 14:00 bis 17:00. Ob du Freitag oder Samstag nach Bilbao fliegst, ist deine Sache. Zayn kommt mit, ich habe keine Zeit." Ich nicke. So ist es mir sowieso lieber. „Kann Harry mitkommen?" – „Warum?" Kurz überlege ich, dann setze ich mich so lässig wie es mir möglich ist aufrecht hin und stütze meine Unterarme auf den Besprechungstisch. „Ich denke es ist gut wenn die Presse sieht, dass Harry nicht nur in London dabei ist, sondern mich auch bei sowas unterstützt. Immerhin sind wir angeblich ein Pärchen. Und nach dem Drama der letzten Tage ist es doch gut, wenn man uns gemeinsam sieht." Joseph sieht positiv überrascht aus, als er nickt. „Er bekommt eine Mail." – „Nein, ich schreib ihn. Ich sag dir heute Abend, ob er mitkommt, oder nicht." – „Eine Mail geht schneller." – „Mir egal. Ich sag es dir heute Abend mit der Setlist zusammen." – „Wenn du meinst", erwidert Joseph wenig überzeugt, aber er nickt. Zufrieden lehne ich mich wieder zurück und fahre mir durch die Haare.

Wir planen die kommende Woche weiter, ich bekomme gegen Ende des Meetings eine Mail mit den Details zu dem Studio und den Zeiten, zu denen es gemietet ist, einen vorgeschlagenen Flug und eine Empfehlung von Hotels. So wie Zayn mich beim Verlassen des Raumes ansieht weiß er, dass Flug und Hotel an ihm hängen bleiben, aber so ist das nun mal. Vielleicht schicke ich ihm ja Inspiration in Form von Screenshots. Er kennt mich und kannte mich auch schon, als er den Job übernommen hat, da kann er jetzt nicht anfangen zu meckern. Als ich mich hinters Steuer fallen lasse, ziehe ich mein Handy hervor und wähle sofort Harrys Nummer. Der Anruf geht ins Leere und ich seufze, als die Mailbox beginnt. Wie ich es hasse. Weil ich keine Lust habe, ihn noch zehn Mal anzurufen, schicke ich ihm eine Nachricht.

Ruf mich bitte an, wenn du das siehst. Ist wichtig.

Das muss reichen. Und kommt nicht so drängend rüber. Hoffentlich. Mit dem Handy zurück in meiner Hosentasche fahre ich wenig später los und halte kurz beim Supermarkt, wo ich neuen Tee und ein paar Lebensmittel für die kommenden Tage kaufe. Im Gegensatz zum letzten Mal, werde ich nicht erkannt oder angesprochen und komme ohne Störung eine viertel Stunde später bei mir zuhause an. Als ich wieder auf mein Handy schaue, sehe ich einen verpassten Anruf von Harry und verdrehe meine Augen. Ich war im nicht stören Modus. Ich Vollidiot. Sobald ich meine Einkäufe weggeräumt habe, gehe ich auf die Terrasse und zünde eine Zigarette an, ehe ich Harry anrufe. Er nimmt ab, nachdem es zweimal getutet hat und ich puste schnell den Rauch aus meiner Lunge. „Hey" – „Hi, ich konnte dich gerade nicht erreichen, ist alles gut?" – „Ja, alles gut Haz, keine Sorge." Am anderen Ende der Leitung bleibt es still und ich halte kurz inne, um mir meine Worte zurechtzulegen. „Hast du das Wochenende über Zeit?" – „Warum? Will Joseph neue Bilder? Ich dachte wir hätten erstmal genug? Oder ist es wegen gestern?" Schmunzelnd über seine Denkweise schüttle ich meinen Kopf. Nein, Joseph will keine Bilder. Zum Glück. Ich habe gar keine Lust, mir das jetzt noch diese Woche über anzutun. Nicht, wenn ich noch Proben habe. Mit meiner Band, die ich seit meinem Outing nicht gesehen habe. Klar haben wir ein paarmal in unserer WhatsApp Gruppe geschrieben, aber das war meist auch sporadisch. Genau, wie Harry.

„Ne, hast du Zeit?" – „Ich glaube, ja. Warum?" – „Ich spiele ein Festival." – „Und?" Verdammt Harry, mach es mir doch nicht so schwer. „Du kannst mit. Nur Freitag bis Sonntag. Montag kannst du wieder zur Uni." – „Umh, ich weiß nicht, Louis." – „Komm schon, was spricht dagegen?", versuche ich ihn zu überzeugen, während ich den rauen Jeansstoff meiner Hose zwischen meinen Fingern massiere. Daran, dass er keine Lust oder Zeit haben könnte, habe ich bisher nicht einen Gedanken verschwendet. „Nichts spricht dagegen", erwidert Harry wenig später seufzend und ich beginne breit zu grinsen. Er kommt mit. „Gut, dann komm einfach Donnerstagabend zu mir, ich kümmere mich um den Rest. Pack für warmes Wetter, wenn du was brauchst, sag mir oder Zayn Bescheid, wir kümmern uns darum. Keine Wiederrede." Damit lege ich auf und nehme einen tiefen Zug meiner Zigarette.

Nach zwei Stunden intensiven hin und her überlegend schicke ich Zayn meine finale Auswahl an Songs für meinen Slot und Harrys zusage, ehe ich die E-Mail von Joseph öffne, in der Vorschläge für Hotels und Flüge zu finden sind. Für ein paar Minuten scrolle ich durch die Websites der Hotels, ehe ich mich für eins direkt am Strand entscheide und vier Zimmer buche. Das bekommen wir schon aufgeteilt. Und ich denke nicht, dass Harry ein großes Problem damit hat, wenn wir uns aus Versehen ein Zimmer teilen müssen. Die Zimmer waren schließlich schon gebucht, bevor ich ihn gefragt habe, ob er mitkommen wird. Dann mache ich mich daran Flüge rauszusuchen. Als ich auch hier meine Wahl für eine Mittags startende Maschine getroffen habe, schicke ich Zayn einen Screenshot und bekomme zehn Minuten später die Buchungsbestätigung für sieben Personen. Zufrieden lege ich mein Handy weg, setze mich auf einen der Liegestühle und schließe zufrieden meine Augen. Die Abendsonne strahlt mir ins Gesicht und ich nehme den letzten Zug meiner Kippe, ehe ich sie in dem Aschenbecher aus drücke. Ich freue mich aufs Festival. Mit den Jungs Konzerte zu spielen ist immer toll, aber dieses Mal ist noch eine dritte Person dabei. Harry, welcher mir trotz seiner Öko-Art irgendwie als angenehme Gesellschaft vorkommt, kommt mit. Die längste Zeit, die Harry und ich miteinander je verbracht haben und in unserer vorgesehenen Zeit miteinander gemeinsam verbringen werden. Zwei Nächte im selben Bett. Zusammen. Ich grinse. Vielleicht kann ich ihm ein wenig Bilbao zeigen. Das ein oder andere war ich schon da und konnte besonders schöne Restaurants oder Strandabschnitte finden. Oder wir machen noch einen Abstecher nach Madrid, wenn er dazu Lust hat. Er hat mal gesagt, dass er noch nie dort war.

Als die Sonne vollkommen untergegangen ist, gehe ich zurück ins Haus, mache mich auf den Weg nach oben und springe unter die Dusche, ehe ich in frischen Boxershorts ins Bett falle. Den Dienstag nutze ich, um zu entspannen, damit die kommenden Tage nicht ganz so kräftezehrend werden, wie ich sie erwarte, ehe es mittwochs gegen Mittag zum Studio geht. Mit einem Tee in der rechten Hand steige ich auf dem Parkplatz des Hauses aus meinem Auto. Jules kommt gerade mit zwei Drumsticks in der Hand in meine Richtung gelaufen, weshalb ich anhalte und ihn grinsend ansehe. Als er vor mir steht umarmt er mich kurz, grinst und deutet auf das Studio. „Showtime."

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Hi Freunde der Sonne,

es geht nach Bilbao!

love, j x

fake it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt