Kapitel 64

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Es wird immer schlimmer. Der Interviewer scheint nicht mehr getan zu haben, als sich meinen Namen falsch zu merken, denn seine dritte Frage bezieht sich darauf, ob ich eine Freundin habe, die bei meinem Album als Song Inspiration hergehalten hat. Ich hätte ihn umbringen können. Ihm an die Gurgel springen und seinen Kopf so lange hin und her rücken, bis er seinen Verstand zurück bekommen hat. Oder weinen, ich meins ernst. Es tut weh sich nach Jahren zu überwinden, sein wahres ich zu zeigen, nur um es dann von einem X-Beliebigen Idioten aberkannt zu bekommen. Warum kann er nicht die Artikel gelesen haben, dass ich mich von Harry getrennt habe? Von einem attraktiven jungen Mann. Einem Mann. Weil ich verdammt noch mal schwul bin. Auch die anwesenden Fans halten mit ihrer Unzufriedenheit nicht hinterm Berg. In meinem Augenwinkel sehe ich mehr als einen einzelnen Mittelfinger, der dem Interviewer entgegengehalten wird, was mich grinsen lässt. Es wäre nicht viel Arbeit gewesen zumindest die erste Seite der Google Ergebnisse zu durchforsten, um darauf zu stoßen, dass ich mich vor einer Woche von meinem Freund getrennt habe. Aber nein, das war scheinbar zu viel Arbeit. So scheiße mein Tag auch ist, die Bewunderung für meine Fans und ihren Support ist und bleibt dieselbe. Heute schaffen allerdings auch sie es nicht, meine Stimmung zurück zu einem hoch zu ziehen. Alles, was ich will, ist mich in mein Bett zu verkriechen und zu kuscheln. Das und auch nur das. Aber das dauert noch einige Stunden. Meine Antwort auf die Frage des Interviewers ist schnippischer und ziemlich deutlich, woraufhin er sofort die nächste Frage stellt. Es geht immer wieder hin und her, wobei meine Antworten immer kürzer werden. Desto schneller dieses Interview rum ist, kommt das Meet und Greet und damit mein Feierabend. Und ich kann Harrys Kleidung loswerden. Oder sie zumindest aus der Öffentlichkeit ziehen.

Meine Fans wissen genau so wenig wie Harry, dass eines seiner Shirt in meinem Bett liegt. Ich kuschle nicht damit, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dadurch besser zu schlafen. Wahrscheinlich, weil Harry und ich uns so oft ein Bett geteilt haben. Und da kann ich ehrlich sagen, dass ich dann am besten schlafe, wenn ein warmer Körper sich an meinen Kuschelt. Dazu brauche ich auch nicht betrunken sein. Das muss ich nur, um dumm genug zu sein, Harry tatsächlich anzurufen. Mit einem schiefen Lächeln höre ich zu, wie der Interviewer das Gespräch langsam beendet, ehe er mir im Namen des Radiosenders bedankt (so weiß ich wenigstens, zu welchem Sender ich nie in meinem Leben für ein Interview zurückkehren werde). Im Zuschauerraum wird es unruhig, Handys werden in Hosentaschen geschoben, Stühle zurückgeschoben, Pullover gerichtet und Zöpfe geöffnet, um eine andere Frisur zu haben. Bewegungsdrang erfasst den Raum und bringt uns alle dazu, zum nächsten und wahrhaftig besten Programmpunkt zu kommen. Meine Fans. Gut, offiziell heißt es Meet und Greet, aber mir geht es darum, meine Fans zu treffen. Das ist der einzige Grund, dass ich Anfragen von solchen Sendern annehme. Ich weiß, dass sie ihr Versprechen, vielleicht meine Musik zu spielen, nicht halten werden. Das ist mir bewusst, ich weiß das. Aber das ist mir egal, wenn dadurch meinen Fans ermöglicht wird, sowas zu erleben. Unabhängig vom Geld. Während ich zu einem anderen Ende im Raum geführt werde, bilden meine Fans eine Schlange, welche ich grinsend mustere.

Brav, wie eine zweite Klasse auf dem Weg zum Sportunterricht, stellen sie sich in Zweierreihen auf. Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Eins von der Sorte, bei der ich weiß, dass ich es Ermstal nicht los werde. Murphy nickt in meinem Augenwinkel einer Mitarbeiterin zu, dann kommen die ersten beiden Mädels auf mich zu. Herzlich schließe ich sie in meine Arme, ich streiche über ihre Schultern und lasse sie mich so lang umarmen, wie sie wollen. Ich lasse es sie auskosten, bis sie sich lösen und ein paar Worte mit mir wechseln, ehe ein paar (tausende) Fotos gemacht werden. Jedes Mal, wenn die Kamera auslöst, schiele ich oder zeige meinen Mittelfinger, oder sonst was, aber was immer gleich ist, ist das Fette grinsen auf meinen Lippen. Immer und immer wieder zu hören und fühlen, wie viel dieser Moment meinem Gegenüber bedeutet wird für mich nie selbstverständlich werden. Es bedeutet mir viel, dass meine Louies mir anvertrauen, was ihnen diese Minuten bedeuten und auch wenn ich mir bewusst bin, dass ich mir nicht jeden einzelnen Namen und jedes Gesicht merken kann, gebe ich ihnen das Gefühl, dass sie in diesen Augenblicken das Einzige sind, was mir in dem Moment was bedeutet. Sogar die vielen wissenden und fragenden Blicke auf den Pullover bringen mich nicht aus dem Konzept. Ich grinse einfach.

Als zwei Stunden später alle, also auch die Moderatoren und alle anderen Mitarbeiter, mit Bildern und Umarmungen versorgt sind, zieht Murphy mich aus dem Raum und führt mich durch den Hinterausgang zu einem bereits dort stehenden Van. Es wundert mich nicht wirklich, als Zayn darin sitzt, als die Tür auf geht. „Er war ein Arsch", verteidige ich mich, ohne Zayn auch nur zu Wort kommen zu lassen. „Wer war ein Arsch?" – „Der Moderator, deshalb bist du doch da?" – „Nein, ich bin nicht deshalb da, aber was meinst du?" Verwirrt blicke ich meinen Besten Freund an. Spielt er jetzt dumm oder ist irgendwas gewesen? Will er, dass ich mir die Schuld zuweise? Sicherlich nicht. „Den Idioten von Moderator." – „Was ist denn passiert, dass dir so eine Laus über die Leber gelaufen ist? So kenne ich dich garnicht, Lou." Seufzend schüttle ich meinen Kopf. Ich will das jetzt nicht besprechen. Der Tag war schon genug, dass ich es noch verdrängt bekomme, aber jetzt noch darüber zu reden ist es wirklich nicht. „Louis", wiederholt Zayn seine Aufforderung, die ich erneut geflissentlich ignoriere. Im Hintergrund rollt das Auto los, Zayn und ich schweigen uns jedoch immer noch an. „Louis, sag was" – „Was willst du hören, Zayn?" murre ich etwas zu genervt und stoße einen Atemzug Luft aus. Scheiße. „Er hat nach einer Freundin gefragt." Es klingt lächerlich mickrig als es über meine Lippen kommt, aber für mich ist es alles. Es ist alles, für das ich in den letzten Wochen gekämpft habe. Alles, was in den letzten Wochen ein unsichtbares Gewicht von meinen Schultern genommen hat, dass jetzt in Form von einer engen Brust zurückgekehrt ist. Zumindest teilweise, aber es ist da. Und es fühlt sich scheiße an.

„Lou" dringt die Stimme meines Besten Freundes zu mir hindurch, aber ich ignoriere es, um mich stattdessen immer weiter in meine Gedanken hineinzusteigern. Erst die Hand auf meiner Schulter holt mich zurück in die Realität. Zayn sieht mich besorgt an. „Darüber reden wir später. Murphy, kannst du bitte zum nächsten Drive Through? Wie immer?" Irgendwo nehme ich war, wie mein Bodyguard zustimmt und das Fahrttempo sich verringert, aber ich schaffe es nicht, mich darauf zu konzentrieren. Es klappt schon kaum, mich auf Zayn zu konzentrieren, wenn mein Blut im Rhythmus meines viel zu schnell schlagenden Herzens in meinen Ohren rauscht. Das Einzige, was mich noch erdet, ist die Hand auf meiner Schulter. Zayn. Ich will Harry. Harry, Harry, Harry. Automatisch vergrabe ich meine Nase in dem Pullover und merke, wie ich langsam wieder herunterkomme, während Harrys Duft mich langsam, wie eine unsichtbare Schutzhülle umhüllt. „Verdammt, Louis, was war das denn?", fragt Zayn mich, aber ich weiß, dass er es nicht so meint, dass ich es beantworten muss. „Zee" Kurz sieht er zur Seite, dann Strafft er die Schultern und sieht zu mir. Ich weiß jetzt schon, dass ich dieses Gespräch nicht führen möchte. „Ich lehne jede Anfrage von ihm und dem Sender ab, versprochen. Hoch und heilig. Aber dafür bin ich nicht da, Lou. Und auch das willst du nicht hören, aber ich bin wegen Harry hier." – „Harry ist nicht da" – „Ich will auch nicht mit, sondern über Harry sprechen." Aha. Genauestens beobachte ich, wie Zayn meine Reisetasche von der Sitzbank hinter uns hervorholt. Ich weiß genau was da drin ist. „Nein." – „Louis." Stur schüttle ich meinen Kopf. Harry kann seine Sachen wieder haben, wenn er danach fragt. Außerdem fehlt da ein Shirt. „Da fehlt was." Zayn schüttelt seinen Kopf. Röte steigt in mein Gesicht als ich realisiere, was das bedeutet. Er hat das Shirt aus meinem Bett gefischt.

„Louis, unterbrich mich bitte nicht, okay?" – „Zayn, ich hatte einen beschissenen Tag, nein, streich das, eine beschissene Woche, ich habe jetzt wirklich keine Lust auf den Mist, den du vor hast. Bitte." Flehe ich ihn an, aber scheitere. „Ich glaube, du musst dir das anhören. Aber wenn du willst, warten wir, bis du dein Essen hast."

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Hi Freunde der Sonne,

Louis' Tag läuft scheiße - anders kann man das garnicht nennen. Was findet ihr schlimmer? Die Frage nach einer Freundin oder das Gespräch was scheinbar ansteht? Was meint ihr, was Zayn besprechen will?

love, j x

fake it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt