Kapitel 35

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Rick und Sky sind bereits vor Ort, als Jules die Tür zum Studio schwungvoll öffnet und mir den Vortritt lässt. Typisch. Mich wundert nur, dass er der Türgriff ihm nicht aus der Hand gerutscht und die Tür in die Wand geknallt ist. Das ist eventuell schon das ein oder andere Mal passiert. Eventuell. Unter Umständen. Mit ihm im Schlepptau betrete ich also den Raum und nicke den anderen beiden Jungs kurz zu, ehe ich meine Jacke von meinen Schultern schüttle. Warum ich die überhaupt angezogen habe, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich Gewohnheit vom Winter. Sky grinst mir zu, als ich auf ihn zukomme und umarmt mich fest zur Begrüßung. „Hi" – „Sky mein Freund", grinse ich und löse mich von ihm. „Freust du dich?" – „Was ist das denn für eine Frage, Louis?! Natürlich! Und dann Spanien, fucking Spanien! Wie geil ist das denn?" Grinsend nicke ich und unterhalte mich weiter mit ihm über das Festival und Spanien, bis Rick sich schließlich zu uns gesellt und das Gespräch verstummt. „Jungs." Wir alle nicken und ich sehe ihn zurückhaltend an. „Gut hergekommen?" Der Bassist nickt, Sky und Jules antworten nicht, ihre Antwort kenne ich bereits. „Dann lasst uns mal loslegen. Probt sich ja nicht von allein die Setlist, ihr Saftsäcke.", lege ich fest und hole mir das ausgezeichnete Mikrofon. Unten schalte ich es ein und haue probehalber aufs Mikro um sicherzugehen, dass es an und mit den Boxen verbunden ist. Eigentlich ist es nicht nötig, mit Mikrofon zu Proben, aber ich gewöhne mich immer gerne daran.

Abwechselnd stimmen wir die Instrumente und ich singe mich ein, wobei mein Drummer ab und an mit seiner zugegebenermaßen ziemlich schrägen Stimme singt. Dass er mir damit jedes einzelne Mal ein Lachen entlockt, ist nicht ideal, lockert die Stimmung allerdings auf. Es dauert zwanzig Minuten, bis alle fertig eingestimmt sind und wir einmal zur Sicherheit die Setlist durchgehen. Obwohl wir sie alle vor uns an den Füßen liegen haben, schaffen wir es trotzdem hin und wieder, das falsche Lied anzustimmen. Es ist natürlich nicht schlimm, wenn es passiert, aber bei meinem kurzen Set, will ich das nicht riskieren. Dazu haben wir nun mal zu wenig Zeit. 19 Minuten gehen fürs gesamte Set drauf, den Rest werde ich sicherlich mit meinem Gelaber füllen. Jeder hat die Möglichkeit einmal zu verkacken während des Sets, ohne, dass wir überziehen. Ich hasse es schon, wenn das Set sich nur für ein paar Minuten verzieht, da will ich einfach nicht der Grund dazu sein. Vor allem, wenn so viele Künstler noch nach mir folgen.

Sky stimmt ‚we made it' an und wir spielen es zwei Mal, bis ich zufrieden bin. Rick hat noch Kritik an seinem Spiel geäußert, aber weil ich dabei keine Probleme gesehen habe, übt er in der kurzen Pause vor dem nächsten Lied weiter. Zwischen den einzelnen Sets lachen wir viel, überlegen letzte Änderungen, belassen es dann allerdings dabei, die Setlist so zu lassen, wie ich sie bereits aufgestellt habe. So hat jeder die Möglichkeit kurz das Handgelenk, die Stimme oder anderes auszuruhen. Es ist anstrengender so ein Set zu spielen, als man annehmen mag. Wieder und wieder spielen wir meine kurze Setlist durch und besprechen, an welchen Stellen wer sein Solo bekommt. Sky bekommt seins während Fearless, Jules hängt einige Takte an Defenceless an und Rick diskutiert, bis er anstatt in Fearless, bei We Made it einen Solo Part bekommt. „Also, jeder jetzt zufrieden?" – „Jap", grinst Rick scheinheilig und ich nicke, während ich versuche, meine Augen nicht zu verdrehen. Er kann mich heute mal ganz genüsslich am Arsch lecken. Wobei – nein danke. Er kann froh sein, dass ich das durchgehen lasse, es ist mir einfach egal gerade. Hauptsache er hält seine Klappe wieder. Grade Diskutieren wie ein Esel, jetzt zahm, wie... keine Ahnung, eine Hummel.

Hummeln sind nämlich noch die annehmbarsten der Brummer. Die kleinen Plüschbomber brummen vor sich hin und gucken, ob man eine Blume ist, das ist es dann aber auch. Bienen stechen nur, wenn man sie nervt oder schlägt, aber Wespen – die Dinger sind die Hölle. Die Stechen alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Dass man schreiend vor ihnen Wegläuft oder mit Kappen schlägt ist kein Wunder. Die Dinger verdienen manchmal einfach eine saftige Schelle. Harry würde sich bestimmt über mich Lustig machen, weil ich so viel Angst vor den Dingern haben und mich belehren, damit ich ein Wespenhotel in meinen Garten stelle, aber er kann mich mit seinem Öko gehabe mal. Wahrscheinlich würde ich es mir sogar überlegen, weil er mich zum Dank küssen würde. Er würde so breit grinsen, dass seine Grübchen sich in seine Wangen prägen. Und mich wieder küssen. Verdammt, mein Herz schlägt schneller, als ich daran denke. Warum denke ich jetzt bitte an ihn. Er ist kein Teil meines Lebens. Nicht für mehr als die nächsten paar Wochen. Ein Monat vielleicht. Dann muss er sich nicht einfach in meine Gedanken schleichen. Es ist unnötig. Egal. Er ist egal, spielt so oder so bald keine Rolle mehr in meinem Leben.

„Louis?" – „Hm?" – „Du warst in Gedanken.", erklärt Rick und ich nicke entschuldigend. „Na, an Harry gedacht", versucht Sky mich zu necken, aber als ich ihn ertappt ansehe, beginnt er zu grinsen. „Ah du hast wirklich an ihn gedacht!" – „Halt die Klappe Sky" erwidere ich grinsend, fahre mir über die Haare und zeige ihm meinen Mittelfinger. „Komm schon, du verliebt? Das muss man mal erleben", er legt theatralisch eine Hand auf seine Brust und blinzelt mich mit großen, runden Augen an, ehe er fortfährt, „Also. Wie ist er so?" Warm, rutscht mir fast heraus, aber ich schaffe es, es herunterzuschlucken. „Toll. Sehr freundlich." – „Und?" – „Was willst du wissen?", frage ich ihn, bereue es allerdings, als er mich grinsend ansieht. Jules hält sich aus der Unterhaltung raus, folgt ihr allerdings aufmerksam. Sein Grinsen ist eindeutig. „Guter Sex?" Zögerlich nicke ich. Er ist mehr als guter Sex. „Er studiert Literatur. An der QMUL. Letztes Semester." – „Er liest? Sind da dann nicht nur Mädchen im Studiengang? Und er halt?", platzt Rick in einem mir nicht gefallenen Tonfall dazwischen und ich verdrehe meine Augen. Ich muss mich hier grade echt zusammenreißen. Was ein nervtötender Idiot er heute ist. „Nein. Mehr Frauen als Männer, aber auch einige Jungs. Und solange es ihm gefällt, ist es doch egal. Das ist einfach nicht unsere Sache." – „Das sagst du nur, weil du ihn fickst." – „Halt die Fresse, Rick. Es geht keinen was an, außer ihn.", erwidere ich gereizt und wende mich von ihm ab.

„Nochmal Defenceless, dann sind wir durch für heute okay?", lege ich nach einer Minute der Stille fest, streiche mir die Haare aus der Stirn und seufze. Meine Güte. Wenn Rick ein Problem mit meinem Outing hat, soll er was sagen. Macht er aber wahrscheinlich nicht, weil er nicht aus der Band fliegen will. Er gehört von Beginn an zu Band und eigentlich habe ich ihn, und den Rest der Band, wirklich liebgenommen, aber so wie er in den letzten Wochen ist, kann ich ihn nicht für immer ertragen. Alle drei Stimmen zum Glück zu, wir spielen das Lied von Anfang bis Ende durch und ich nicke zufrieden, als der letzte Ton ausklingt. „Das war super Jungs, danke. Wir sehen uns morgen um Zwei. Mittagessen geht dann auf mich, ich bring was mit, ihr wisst wie's läuft" Hinter mir höre ich die anderen drei jubeln und gröhlen wie Affen, weshalb ich grinsend meine Augen verdrehe und mir die Jacke über den Arm lege. Der Weg nach Hause dauert nicht lang. Ich erwische eine Grüne Welle und atme erleichtert aus, als ich meine Tür öffne und mein Haus betrete.

Der Stress des Tages fällt gemeinsam mit meiner Jacke von mir ab. Ich mache mir Reste von gestern warm und kuschle mich damit in mein Bett. Der Fernseher vor meinem Bett ist angeschaltet und es läuft eine Wiederholung von Friends, welche ich aber nicht wirklich beachte. Ich brauche einfach nur die Hintergrundgeräusche, während ich esse. Nebenbei checke ich mein Handy, beantworte Zayns Nachrichten und schaue in meinem E-Mail-Postfach, ob wichtige Mails eingetroffen sind. Sind sie nicht, also sperre ich mein Handy wieder und kuschle mich mit einem Seufzen tiefer in die Matratze.

fake it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt