Luntac

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Das verschimmelte Stück Ulars, das sie in den Mülltonnen hinter dem Restaurant gefunden hatte, das eben diese frisch anbot, schmeckte scheußlich, doch gab sich Luntac alle Mühe es in sich zu behalten. Würde sie es wieder hochwürgen und in verdauter Form auf die dreckigen Straßen von Kudeske befördern, konnte sie es entweder wieder auflecken oder sich nach etwas anderem umschauen.

Wer auf Kudeske leben musste, der hatte entweder nichts, oder alles. Die reichen lebten ein prunkvolles Leben, die armen bleiben zurück. Es war ein wahrliches Paradies für Verbrecher. Keine Gesetze die sie aufhielten – zumindest nicht in der Gegend in der Luntac lebte –, keine Einschränkungen, keine Tabus. An den Anblick der Leichen auf den Straßen hatte sie sich zuerst gewöhnen müssen, doch war dies schnell gegangen, als sie sich auf der Straße eingelebt hatte.

Sie hatte niemals hinterfragt, woher ihr Vater all das Geld hatte, mit dem er das große Haus bezahlte, in dem er mit Luntac und ihrer Mutter lebte. Sie hatte immer ein wunderschönes Leben gehabt, hatte sich niemals sorgen um irgendetwas machen müssen, war in die edelsten Restaurants gegangen und hatte nur Ihresgleichen um sich herum. Sie hatte ein wunderbares Leben, eine Familie die sie liebte und Geld; viel Geld.

Manchmal, da hatte sie gefragt, woher das Geld kam, das ihr Vater jeden Tag mit nach hause brachte, immer in Bar, in großen Koffern. Er hatte nur gesagt, dass er arbeiten würde und die Barauszahlung sicherer wäre.

Eines Tages jedoch, Luntac hatte schon im Bett gelegen und versucht zu schlafen, da hatte sie gehört, wie ihr Vater lautstark mit jemandem Stritt. Es waren mehrere Stimmen zu hören, darunter die Stimme ihrer Eltern und mindestens drei unbekannte. Sie hatte sich nicht getraut nachzuschauen wer es war, hatte einfach weiter versucht zu schlafen. Mitten in der Nacht, hatte ihr Vater ihre Zimmertür aufgerissen, sie angeschrien, sie müsse verschwinden. Bevor sie hatte reagieren können, hatte ihr Vater sie aus dem Bett gerissen, sie aus der Haustür geworfen und in den Garten hinaus. Dann hatte sie es gesehen. Sie hatte gesehen, dass das gesamte Haus in Flammen stand, alles brannte und sie hatte geschrien. Geschrien, dass ihr jemand helfen solle, jemand ihre Eltern holen solle, doch niemand war gekommen; niemand, bis auf ihren Vater, der ihre Mutter in den Armen hatte, Luntac vom Boden aufhob und zusammen mit ihrer Mutter ins Gebüsch warf, ihnen dabei deutete sich ruhig zu verhalten.

Wieder Stimmen, die gleichen wie am Abend. Wieder schrien sie, ihr Vater flehte. Sie konnte nicht verstehen was gesagt wurde, doch plötzlich hörte sie einen Schuss, dann noch einen und plötzlich spürte sie, wie ihre Mutter ihre Hand an Luntacs Schulter drückte, die andere auf ihren Mund, damit sie leise war. Luntac hatte kein Wort gesagt, nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen. Sie verstand erst, das etwas nicht in Ordnung war, als ihre Mutter hinter ihr zu weinen begonnen hatte.

Minuten, Stunden, vielleicht Tage lang hatte sie mit ihrer Mutter in dem Gebüsch gesessen, leise geweint und nicht gewusst, was sie hätte tun sollen. Als sie wieder hervor gekommen waren, hatten sie sich auf die Straßen von Kudeske retten müssen. Sie hatten gelebt, zusammen auf der Straße, dort, wo niemand mehr sie kannte. All die reichen Leute die sie ihre Freunde genannt hatten waren weg. Niemand wusste mehr wer sie waren.

Luntac hatte jeden Tag gefragt, wo ihr Vater sei und ihre Mutter hatte jeden Tag geantwortet, er würde wiederkommen, ganz bestimmt, bis sie die Lüge selbst nicht mehr ertragen konnte und gesagt hatte, das ihr Vater niemals zurück kommen würde, dass er weg sei und das für immer. Stundenlang hatte die kleine Luntac geweint, aber es half nichts. Gemeinsam waren sie durch die Straßen gezogen, hatten sich von Dreck ernährt und jeden Tag Leute beklaut, um sich auch nur ein bisschen etwas gutes zu essen leisten zu können.

Ihr Bauch hatte irgendwann angefangen zu wachsen, wurde immer größer. Sie hatte Luntac erklärt, dass es das Abschiedsgeschenk von Luntacs Vater war, der ein letztes Mal Lebewohl gesagt hatte.

Nemolonia - Planet der ungezähmten LüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt