Kapitel 2

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Hyunjin POV: Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen und sah aus meinem Fenster hinunter auf den Vorplatz, wo schon die Plattform für die Zeremonie vorbereitet wurde.

Eigentlich hätte ich gar keinen Grund zur Sorge gehabt, ich war ein Beta von edler Abstammung, aber mein Magen zog sich vor Sorge um Jeongin krampfhaft zusammen. Was wenn er wirklich heute dran war?

Andererseits hatte ich diese Gedanken jedes verflixte Mal und bislang war noch nie Grund dafür gewesen. Doch auch wenn mein bester Freund kein Omega sein würde, wär heute kein Tag zum Feiern gewesen.

Jedes Jahr dieselbe Scheiße. Jedes Jahr wurde ein weiteres unschuldiges Omega aus seinem Leben gerissen und musste vor seine Schöpfer treten. Was war das für eine sadistische Kacke?

Ich riss mich von meinen Gedanken los und dem Bild, was sich immer wieder vor meinem inneren Auge abspielte. Meine kleine Schwester, tot auf dem Boden liegend und mit Blut überströmt und der Lord, wie er über ihr stand und ihre starren Augen schloss.

Ich spürte wie heiße Tränen meine Wangen hinunterliefen und drehte mich von Fenster weg. Ich konnte nicht zulassen, dass ich noch jemanden an diesen Typen verlor, der mir wichtiger war als alles andere. Aber wieso hing ich mein Herz auch immer an Omegas und Verräter?

Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken.

Die Tür öffnete sich und mein Vater trat ein. Als Sohn des Uralphas wäre mein Vater im Falle seines Todes der rechtmäßige Nachfolger auf dem Thron, aber aus Erfahrung konnte ich sagen, dass das noch eine Weile, wenn nicht sogar bis zum Ende seines Lebens dauern wird.

„Was willst du, Vater?" fragte ich und drehte mein, immer noch tränennasses Gesicht von ihm weg.

„Ich möchte nur mit dir reden, Hyunjin." sagte mein Erzeuger und legte mir eine Hand auf die Schulter, die ich aber abschüttelte, mich auf mein Bett fallen ließ und den Kopf in meinen Händen vergrub. Er setzte sich neben mich und strich mir beruhigend über den Rücken.

„Wieso bist du denn jedes Mal so aufgebracht? Dir kann nichts passieren, Sohn." Ich hob den Kopf und sah meinem Vater tief in die Augen.

„Das hast du Mira auch gesagt. Und trotzdem ist sie jetzt tot!" fuhr ich ihn an. Sein Blick senkte sich und ich konnte auch in seinen Augen die Trauer um seine Tochter sehen.

„Wie du weißt war es die Entscheidung des Lords und nicht meine." sagte er plötzlich mit so einer überraschenden Kälte in der Stimme, dass ich zusammenzuckte.

„Wie kannst du es wagen so über deine Tochter zu reden, Vater!"

„Sie starb für unser Volk!"

„Nein, tat sie nicht!" schrie ich und stand auf. Nach einer kurzen Pause sagte ich etwas ruhiger:

„Sie starb lediglich wegen des krankhaften Wunsch des Lordes unsterblich zu sein. Sie alle starben deswegen. So viele unschuldige Omegas haben ihr Leben gelassen und wofür? Dafür das unser Volk weiter in Angst leben muss. Dafür, dass immer mehr Werwölfe ihm dienen müssen. Denk darüber mal nach, bevor du so über Mira redest."

Mit diesen Worten stand ich auf und verließ den Raum. Es fühlte sich so gut an meinem Vater endlich mal die offene Meinung zu sagen, aber dadurch war eine Wunde wieder aufgerissen, die ich im letzten Jahr krampfhaft versucht hatte zu schließen.

Ich lief durch die Gänge des Schlosses, ohne auf jemanden zu achten und rannte dabei versehentlich fast in jemanden rein. Er drehte überrascht den Kopf und sah mich aus klugen, dunklen Augen an. Ein Alpha, na was für ein Wunder.

„Oh, Entschuldigung, ich wollte nicht im Weg stehen." sagte er und trat mir aus dem Weg. Verdattert sah ich ihn an, was ihm ein Grinsen entlockte.

„Ich denke wir kennen uns noch nicht. Hi, ich bin Chan." stellte sich der junge Alpha vor und reichte mir die Hand. Ich ergriff sie. „Hyunjin." sagte ich. Verwundert hob Chan eine seiner Augenbrauen.

„Der Prinz?" fragte er. Ich nickte und fügte ein leises „Leider." hinzu. Er deutete eine Verbeugung an, was mich schonmal fast würgen ließ. „Bitte laß das mit dem Verbeugen. Ich hasse diese ganze Adelstuerei." Chan grinste.

„Wieso bist du hier? Ich kann mich nicht daran erinnern dich hier schon einmal gesehen zu haben." stellte ich fest.

„Der Uralpha hat nach mir geschickt, irgendwas dringendes." antwortete er und fuhr sich dabei nervös durch die blonden Haare.

„Gut, dann will ich dich nicht aufhalten. Weißt du wo der Thronsaal ist?" fragte ich nach. Chan nickte.

„Dann werd ich mal weitergehen, man sieht sich!" Ich hob zum Abschied die Hand. Er erwiderte die Geste und lächelte mich an, bevor er weiterging. Auch ich konzentrierte mich wieder auf mein vorheriges Ziel und trat kurz darauf in den Schlossgarten.

In der hinteren Ecke des weitläufigen Gartens hatte ich ein paar Dienern geholfen, einen kleinen Friedhof für die Opfer meines Großvaters zu bauen. Dieser hatte nichts dagegen unternommen und uns einfach machen lassen.

Maddy, ein junges Omega, etwa zwei Jahre jünger als ich, war gerade dabei, ein neues Loch auszuheben. Ich ging zu ihr hinüber. Als sie mich sah deutete sie einen Knicks an und senkte den Kopf.

„Eure Majestät, was macht Ihr denn hier draußen?" Dabei schielte sie zu einigen Palastwachen, die in der Nähe einen Weg langmarschierten. Ich verstand. Vor Wachen oder anderen Adeligen blieb die Freundschaft zwischen mir und einigen Dienern geheim, um sie zu schützen.

„Hallo, Maddy. Solltest du nicht eigentlich in der Küche sein?" fragte ich und zog eine Augenbraue hoch. Ich neckte die 15 Jährige gerne damit, dass sie nie da war wohin man sie eingeteilt hatte.

Wir warteten bis die Wachen außer Sicht waren, dann erhob Maddy sich wieder und klopfte sich den Staub vom Kleid.

„Meine Güte, wie ich dieses Rollenspiel hasse..." meckerte sie. Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich mach das mein ganzes Leben lang, weißt du?" Sie nickte verstehend und wandte sich dann wieder dem Grab zu.

„Wen glaubst du, trifft es diesmal?" fragte sie nach einer kurzen Pause. „Dich sicher nicht. Mein Großvater findet Gefallen an deiner rebellischen Ader." Maddy musste sich ein Lachen verkneifen, wurde dann aber wieder ernst.

Ich besah mir die Grabsteine, es waren insgesamt über vierzig. Natürlich waren das hier längst nicht alle, aber erst vor vierzig Jahren hatte man begonnen, die Leichen der toten Omegas aufzuheben. Ich war mit zwei Dienern in den Keller geschlichen und hatte sie da rausgeholt. Das war vor vier Jahren gewesen also hatten wir seit dem pro Jahr ein neues Grab ausheben müssen.

Ich ging zu dem Grab neben dem Maddy buddelte und kniete mich hin. Auf den Grabstein hatte jemand Unsere geliebte Prinzessin Mira graviert und darunter noch einen Engel eingemeißelt.

Bei diesem Grab hatten sich Maddy und die anderen Diener besonders große Mühe gegeben.

Mit einer Handbewegung ließ ich einen Strauß Tulpen erscheinen und legte sie vor den Stein, einer der wenigen Magietricks die ich schon beherrschte. Maddy ließ den Spaten fallen, kam zu mir und setzte sich neben mich.

„Sie wäre gestern vierzehn geworden." sagte ich. Maddy nickte.

„Hoffen wir, dass sie mittlerweile Ruhe gefunden hat." Ich sah meine Freundin an. „Danke, Maddy."

„Wofür?" fragte sie. „Einfach für alles. Nimm ruhig mal Dank an, ohne ihn zu hinterfragen." Noch einige Minuten blieben wir so vor dem Grab meiner kleinen Schwester sitzen, bis ich eine Glocke vernahm.

„Es ist soweit." meinte auch Maddy und wir standen auf. Noch ein letztes Mal warf ich einen Blick auf den Grabstein, dann ging ich mit Maddy zum Schloss zurück um nicht zu spät zu kommen.

Ich hab das letzte Mal noch vergessen zu erwähnen, dass ich dieses Buch einer meiner besten Freundinnen Tessa widme. Das Cover sieht nice aus du Brezelsalzer! Falls es einen interessiert, ich hab nur vielleicht ne Wette verloren, deshalb die Widmung.  Und weil du ne coole Socke bist!

- Ileth

A tale of wolves | When we run (Stray Kids FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt