Kapitel 19

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Minho POV: Durch die Blätter des Baumes beobachtete ich die Häuser und ruhigen Straßen der Kleinstadt. Es war Nacht, natürlich, als würde ich hier tagsüber auftauchen können ohne bemerkt zu werden. Hin und wieder konnte ich einzelne Menschen auf den großzügig geschnittenen, asphaltierten Straßen oder auf dem Bürgersteig daneben sehen, doch die meisten der Leute hielten sich wohl in ihren Häusern auf, schlussfolgerte ich an den erleuchteten Fenstern und den gedämpften Stimmen, die meine feinen Ohren durch die meistens weiß gestrichenen Hauswände vernehmen konnten.

Ich lehnte an dem robusten Stamm der Eiche hinter mir, ein Bein angezogen, das andere von dem Ast hängend auf dem ich hockte, mein Blick auf die Häuser gerichtet, die je weiter man sah immer dichter aneinander standen. Ich wusste nicht genau wie lange ich schon hier am Rande des Waldes saß und die andere Spezies in ihrem natürlichen Umfeld beobachtete, aber es mussten bereits Stunden vergangen sein.

Ich hatte nachdenken müssen und dazu musste ich alleine sein, das wusste ich ganz klar. Also war ich kurz nach Sonnenuntergang hier hin aufgebrochen, unter dem Vorwand den Weg für morgen schon einmal auszukundschaften. Die anderen hatten nichts dagegen, dass ich alleine ging, was mich wohl oder übel etwas überraschte. Offenbar fanden sie nichts daran, dass ich meine eigenen Regeln verletzte, obwohl ich angeboten hatte, dass mich jemand begleiten könne, wenn sie das nicht in Ordnung fanden. Doch mein Rudel kannte mich und sie wussten, dass ich Zeit für mich alleine brauchte, also hatten sie mich einfach gehen lassen.

Unwillkürlich wanderten meine Augen nach oben zum Nachthimmel über mir und hefteten sich an den abnehmenden Mond. In der Zeit in der ich alleine im Wald gelebt hatte war der Mond immer mein einziger Freund gewesen, jemand der jede Nacht vorbeikam und nachsah ob es mir gut ging, der mich mit seinem Schein etwas aufmunterte und über den ich mich immer etwas verbunden mit meiner Spezies gefühlt hatte, obwohl ich abgeschottet und ausgestoßen von ihr war. Irgendwann war dann Jisung aufgetaucht und hatte mein gesamtes Leben und meine Gefühle auf den Kopf gestellt, doch trotzdem liebte ich es einfach nachts zum Mond und den Sternen zu sehen und sie nach dem Tag wieder zu begrüßen, während dem sie nicht zu sehen gewesen waren. Klingt bescheuert, ich weiß, aber wahrscheinlich war das einfach mein Wolfinstinkt, der da aus mir sprach. Nun gut, der Vollmond war da nochmal ein anderes Thema, kaum etwas hasste ich mehr als einen meiner Jungs im Bann dieses Phänomens zu sehen, oder selber davon gefangen zu sein.

Aus einer der Straßen, die hinter der kleinen Wiese zwischen dem Wald und der Stadt begannen, hörte ich lautere Stimmen und ich sah bereits eine Person aus einer der Straßen treten. Ich wusste, in dem Baum konnte man mich auf die Entfernung schlecht sehen, aber sicherheitshalber zog ich mich trotzdem hinter den Stamm zurück und sah vorsichtig dahinter hervor. Es war ein Mädchen, soweit ich das erkennen konnte, mit kurzen, schwarzen Haaren und bläulichen Strähnen, die ihre Haare durchzogen. Etwas verwirrt sah sie in die Richtung der Bäume, in denen ich mich versteckte. Hatte sie das Rascheln des Laubes gehört? Ich biss mir auf die Unterlippe, doch zum Glück wanderte ihr Blick weiter und sie drehte sich zu ein paar anderen Jugendlichen etwa in meinem Alter, vielleicht etwas jünger, die gerade hinter ihr ebenfalls auf die Wiese kamen.

Ich kam wieder etwas hinter dem Baumstamm hervor, setzte mich möglichst ohne etwas von dem Laub zu berühren zurück auf den Ast, auf dem ich schon vorher gesessen habe und widmete meine Aufmerksamkeit der Gruppe Menschen, die sich gerade auf der Wiese ins Gras setzten, ungefähr zwanzig Schritte entfernt von mir. Ich konnte sie leise reden hören, ein Mensch hätte unmöglich etwas verstehen können, doch mein Hörsinn war um einiges feiner und so konnte ich den Gesprächen der Jugendlichen ganz gut folgen. Es waren insgesamt vier Jungs und zwei Mädchen, alle offenbar noch in dem Alter in dem junge Menschen zur Schule gingen. So weit Jisung mir erklärt hatte hatten die Menschen in ihrer Woche zwei freie Tage an denen die Kinder nicht zur Schule und die Erwachsenen nicht zur Arbeit mussten. Sie nannten das ‚Wochenende' glaubte ich und so wie ich vermutete war wohl gerade eines, denn es war schon deutlich nach Mitternacht und während der Schulwoche ließen Eltern für gewöhnlich ihren Nachwuchs nach zehn Uhr nicht mehr aus dem Haus, so Changbin. Und ja, das bestätigte mir auch direkt einer der Jungs, ein drahtiger, sehr sportlich aussehender Typ mit rötlichen Haaren, die definitiv schon den ein oder anderen Färbungsprozess durchgestanden hatten.

A tale of wolves | When we run (Stray Kids FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt