Tief nahm ich einen Atemzug der kühlen Luft. Immer wieder hob und senkte sich mein Brustkorb, während mein Herz wild gegen meine Brust schlug.
Immer wieder rief ich mir die Worte meiner Trainerin in den Kopf, wiederholte die Schrittfolgen meiner Kür.
So oft hatte ich sie geübt und sooft fehlerfrei gelaufen. Wenn dieser Lauf wieder perfekt werden würde, könnte ich Gold gewinnen.
Entschlossen öffnete ich die Augen und fuhr auf die Eisbahn. In der Mitte blieb ich in meiner Position stehen und wartete, bis das Klatschen der Menschenmenge erlosch.
Gespannt warteten sie auf meine Kür und wie ich sie absolvieren würde. Mein Name war ihnen nicht unbekannt. Die Erwartungen an mich waren dementsprechend hoch.Noch einmal atmete ich tief durch, bis die Musik leise begann zu erklingen und die Scheinwerfer auf mich gerichtet worden. Das war meine Chance. Meine große Gelegenheit, von der ich immer geträumt hatte.
Mein Arm glitt nach vorn, gefolgt von meinem Kufen auf dem Eis. Immer mehr beschleunigte ich mein Tempo, glitt durch die Halle. Das Geräusch von dem Schaben von den Kufen auf dem Eis, jagte viele kleine, von Euphorie geladene Funken durch meinen Körper. Egal wie oft ich eislaufen war, dieses Gefühl verschwand nie.
Kurz drehte ich einen Bogen auf dem Eis und vollzog einen kleinen Sprung. Es war etwas Einfaches, dennoch klatschten die Leute auf den Tribünen.
Rückwärts landete ich und streckte mein Bein in die Luft, während ich in der Position über das Eis glitt.Langsam senkte ich mein Bein, bevor ich mich auf den nächsten Sprung vorbereitete. Er wäre etwas schwieriger als mein erster und dennoch gehörte er zu den Leichteren. In meiner Rückwärtsbewegung bleibend, glitt ich über das Eis.
Scharf zog ich die kühle Luft der Halle ein, die meine Lunge erfüllte. Ungewollt huschte ein Lächeln über meine Lippen. Fest stach ich den linken Schlittschuh in das Eis und gab mir genügend Druck für den Sprung. Meine Arme zog ich an meine Brust, während ich mich dreimal um die eigene Achse drehte und auf dem rechten Fuß, rückwärts, landete. Perfekt, sauber und einwandfrei.
Die kleinen Funken wurden zu einem wilden Feuer, welches nicht zu bändigen war und mehr wollte.Aus dem Toeloop glitt ich in eine Pirouette über. Als Kind hatte ich Ewigkeiten für diese zum Lernen gebraucht. Mein Gleichgewichtssinn war eine Katastrophe gewesen. Stundenlang verbrachte in der Halle, um sie zu erlernen. Pirouetten gehörten mittlerweile in jede Kür, denn sie waren ein leichtes Element und dienten mehr dazu, das Programm zu verschönern. Erst presste ich meine Arme an meinem Oberkörper, während ich meinen Kopf in den Nacken legte und zur Decke herauf blickte. Die Deckenlampen wurden immer mehr zu einzelnen Farbklecksen, so schneller ich mich drehte. Dann hob ich meine Arme, griff nach meinem Bett, um es in die Luft zu heben.
Eine Welle von Adrenalin schoss durch meinen Körper und ließ das Feuer in mir erneut lodern. Als Nächstes würde das Highlight meiner Kür folgen. Es war ein Sprung, welcher zu den schwierigsten überhaupt gehörte. Nur einmal hatte ich ihn gestanden, trotz unzähliger Versuche. Dennoch würde ich ihn ausführen.
Würde ich den dreifachen Axel stehen, gewann ich die nötigen Punkte, um Gold zu erreichen. Damit könnten sich mir Türen öffnen, die mir eine Karriere ermöglichten. So lange hatte ich auf diese Gelegenheit hingearbeitet. Jeden Tag trainierte ich in der Eishalle, bis alles an meinem Körper schmerzte.
Aber eine Karriere bedeutete, dass ich endlich meine Vergangenheit hinter mir lassen konnte und dafür riskierte ich alles. Ich musste alles riskieren.Aus der Pirouette heraus glitt ich vorwärts über das Eis. Gespannt verstummte die Menge. Sie wussten, dass ich den Axel springen wollte. Er war der einzige Sprung, der aus einer Vorwärtsbewegung herausgesprungen wird.
Kurz blickte ich zu meiner Trainerin. Sie war die Einzige, die immer an mich geglaubt hatte. Ermutigend nickte sie mir zu.
Immer schneller fuhren meine Kufen über das Eis und schlugen einen Bogen.
Dreieinhalbumdrehungen, rief ich mir den Sprung durch den Kopf. Jede Bewegung des Axels wiederholte ich, bevor ich von der Außenkante des linken Fußes abdrückte.Ruckartig zog ich meine Arme an den Körper.
Wie ein Vogel flog ich durch die Luft, völlig frei und schwerelos. Es war ein berauschendes Gefühl, welches für immer anhalten sollte.
Eine Umdrehung nach der anderen folgte, bevor ich landen wollte. Die Landung musste rückwärts und sauber sein und dann hätte ich es geschafft. All meine Anstrengungen für meine Ziele würde in Erfüllung gehen.
Doch dann sah ich sie.Meinen Exfreund Weston, wie er lachend die Hände eines Mädchens hielt und ihr einen Kuss auf die Wange drückte. Neben Weston saß mein Vater. In seiner Hand hielt er eine Bierflasche, während er mich betrachtete. Grinsend blickte er zu mir. Er wollte mich versagen sehen. Er wollte, dass ich stürzte, damit er mich anschreien konnte, was ich für eine Versagerin war.
Erinnerungen fluteten meine Gedanken und ergriffen Besitz von diesen. Tränen schossen in meine Augen herauf.Völlig aus der Bahn geworfen landete ich auf meinen rechten Fuß, doch taumelte augenblicklich.
Krachend schlug ich zu Boden und schlitterte wenige Meter über das Eis. Schwer keuchend blieb ich liegen, während die Menge laut raunte, doch nahm ich diese nur dumpf wahr.
Starr vor Schock blickte ich zur Decke. Das Flimmern der Deckenlampen war mir noch nie aufgefallen, obwohl ich so oft hier trainiert hatte.„Helft ihr!", rief die Stimme meiner Trainerin. Ihre Stimme war gefüllt mit Sorge und Panik.
Im Gegensatz zu meinem Vater. Ich bildete mir ein, seine laute Lache zu hören.
Während eine Träne meine Wange herunterrann, schloss ich die Augen.
Ich war in einem Albtraum gefangen, dem ich nicht entrinnen konnte. Jegliche Hoffnung scheiterte heute. Meine Hoffnung auf Gold, eine Karriere und ein Entkommen.In dem Moment, als sie mich auf die Trage luden, versprach mir mein Leben zu ändern. Auch wenn ich nicht wusste, wie dieser neue Weg aussehen sollte oder wo er mich hinführen würde.
Alles, was ich mir bewusst war, wie sehr ich von diesem Ort entkommen musste. Gibswell, meinem Zuhause und meinem Gefängnis.
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𝓐𝓵𝓼 𝓲𝓬𝓱 𝓭𝓲𝓬𝓱 𝓽𝓻𝓪𝓯
RomanceCassandra flüchtet vor den Monstern ihrer Vergangenheit. Auf ihrer Suche nach einem neuen Zuhause landet sie in dem verschlafenem Ort Brighton. Durch ein Missgeschick trifft sie auf Jim Parker, der sich ungewollt in ihrem Herzen breit macht. Doch au...