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Den Großteil der Schiffsreise verbrachte Finya an der Seite von Andala, die ob der ungewohnten Schiffsbewegungen ohnehin recht unruhig war und sich fast nur von Finya beruhigen ließ. Am liebsten hätte Finya wohl auch die Nächte in der Box verbracht, doch das hatte Aaron sofort verboten. Und auch so musste er der sonst so vernünftigen Finya immer wieder befehlen, den improvisierten Stall zu verlassen, und sei es nur für die gemeinsamen Mahlzeiten. Dennoch blieb er stets geduldig und räumte Finya die nötigen Freiheiten ein. Ohnehin blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er nicht wollte, dass das Pferd vor lauter Aufregung seine Box zertrat.
So war Aaron regelrecht erleichtert, als sie am dritten Tag endlich am Festland anlegten und von Bord gehen konnten. Nun würde zumindest das Pferd wieder ruhiger werden und damit hoffentlich auch Finya wieder mehr an seiner Seite bleiben.

Während die Wachen gemeinsam mit Jaro das Schiff abluden und die Kutschen anspannten, durfte Finya ihre Stute am Strand entlang laufen lassen.
„Lass sie sich nicht übernehmen, Finya..." wandte sich Aaron an Finya. „Sie muss schließlich bis heute Abend neben der Kutsche herlaufen..."
Finya nickte gewissenhaft. „Ja, Herr. Ich werde darauf Acht geben."
Einige Minuten ließ Finya das Tier frei laufen, bevor sie Andala zurück zu sich rief.
Kjell stand schon bereit und reichte Finya einen langen Führstrick, damit Finya diesen am Halfter der Stute befestigen konnte.
„Wir müssen Andala an der Kutsche anbinden." erklärte er, als Finya ihn skeptisch ansah. „Das hier ist nicht ihre Heimat und wir können nicht ständig anhalten, um sie wieder zu uns zu rufen."
Finya nickte zögerlich. „Der Strick ist lang genug. Er wird sie kaum einschränken..."
Finya seufzte und sah zu Aaron. „Kann ich sie nicht einfach reiten, Herr?"
Aaron zog unwillig die Augenbrauen zusammen. „kommt nicht in Frage..." erwiderte er schärfer als beabsichtigt. „Du warst die ganze Überfahrt schon fast nur bei ihr. Ich möchte dich jetzt wieder an meiner Seite haben. Zumal wir jetzt nicht mehr im Schutz der Insel sind..." fügte er etwas versöhnlicher hinzu.
Finya nickte, konnte die Enttäuschung aber nicht verbergen. „Natürlich, Herr..."
Aaron nickte leicht, wandte sich dann aber rasch ab. Er wollte nicht, dass Finya seine Verärgerung sah. Er wusste, dass er wieder zu besitzergreifend war. Mit seiner ganzen Garde und den Kriegern der zweiten Kutsche wäre es sicher genug, Finya zumindest ein Stück des Weges reiten zu lassen.
Unwillig seufzte er, als er eine Bewegung neben sich wahr nahm.
Finya war erneut neben ihn getreten und sank neben Aaron auf die Knie, wobei sie leicht sein Bein berührte.
„Verzeiht, Herr. Es tut mir Leid..." entschuldigte sie sich und senkte für einen Moment den Kopf.
„Ihr gewährt mir mehr Freiheiten, als ich es mir je hätte träumen lassen. Ich sollte Euch mehr Dankbarkeit zeigen und weniger fordern..."
Überrascht zog Aaron die Augenbraue hoch. „Steh auf, Finya..." Er griff seine Sklavin an den Armen und zog sie sanft nach oben.
„Du weißt, dass du mehr als nur eine gewöhnliche Sklavin bist." erklärte er ruhig. „Und du weißt, dass ich dich einfach zu gerne glücklich sehe..." fügte er mit einem Lächeln hinzu.
„Du wirst daher zumindest ein Stück des Weges reiten dürfen. Zumal Raphael mir versichert hat, dass du auf Andala bereits eine sehr sichere Reiterin bist."
Finya lächelte, schüttelte aber dann den Kopf. „Ihr fühlt Euch unwohl damit, Herr. Ich kann warten, bis Ihr mit mir gemeinsame Ausritte macht."
Aaron schüttelte leicht den Kopf, wies aber dann auf die Kutsche.
„Und erneut weißt du genau, wie es mir geht. Es verwundert mich immer wieder, wie gut du mich einschätzen kannst. Doch ich bleibe dabei...Du wirst später ein Stück reiten dürfen. Aber jetzt steig ein, Finya."
Finya lächelte und stieg zu Rebecca und Taro in die Kutsche. Langsam rollte die Kutsche an und Andala lief ruhig neben der Kutsche her.

Gegen Mittag kam die Kutsche auf einer Ebene zum Stehen. Rasch war ein kurzes Lager aufgebaut und das Mittagessen gerichtet.
Nach der Pause wollte Finya gerade wieder in die Kutsche steigen, als Aaron ihr die Hand auf die Schulter legte.
„Ich hatte dir versprochen, dass du einen Teil des Weges reiten darfst..." hielt er sie auf und nickte in Richtung von Andala, die gerade von Kjell gesattelt wurde.
Finya strahlte. „Ich danke Euch, Herr." Schmunzelnd sah Aaron zu, wie Finya in den Sattel stieg und nach den Zügeln griff.
„Du wirst die ganze Zeit zwischen Dimitri und Gregori bleiben."  forderte Aaron streng und nickte den beiden Wachen zu, die sogleich ihren Posten einnahmen.
Nach einem letzten kontrollierenden Blick stieg Aaron wieder in die Kutsche und gab das Zeichen zur Abfahrt.
Strahlend ritt Finya los. Erst nach einer ganzen Weile blickte sie fragend zu Dimitri und Gregori, die ihr sogleich schmunzelnd zunickten. „...es spricht nichts dagegen, ein Stück voraus zu reiten..." erklärte Dimitri. „Jonas und Andrej sind ohnehin ein Stück voraus und behalten die Umgebung im Blick.
Sofort trieb Finya die Stute an und auch die beiden Pferde neben ihr fielen in einen leichten Galopp.
Auf einmal schienen Gregori und Dimitri neben ihr zu verharren. Im nächsten Moment hatte Dimitri Finya bereits die Zügel abgenommen und lenkte in einer Kurve die Pferde zurück zur Kutsche, die sogleich zum Stehen kam.
Erst direkt vor der Kutsche brachte Dimitri die Pferde zum Stehen, sprang ab und zog auch Finya aus dem Sattel. „Steig in die Kutsche, Finya..."
Gregori hatte bereits den Schlag geöffnet und Finya stieg ohne zu zögern ein.
Wenig später kamen auch Jonas und Andrej neben der Kutsche zum Stehen.
Dimitri war ihnen bereits ein Stück entgegen gegangen. „...was habt ihr entdeckt?"
Jonas sprang aus dem Sattel. „Etwa eine halbe Stunde von hier ist ein Lager mit fremden Vampiren. Rund um das Lager scheinen Späher zu patrouillieren."
Auch Andrej trat nun neben ihn. „Jonas konnte sie früh genug entdecken. Ich denke nicht, dass sie uns bereits gesehen haben. Da wir nicht wissen, um wen es sich handelt, hielten wir es für sinnvoller, erst einmal zurück zu kehren."
Dimitri nickte und blickte fragend zu Jonas. „Sind die Späher nur um das Lager herum oder suchen sie auch die weitere Umgebung ab?"
„So wie es scheint, bleiben sie in der Umgebung des Lagers...Allerdings in einem relativ großen Radius..."
Der Schlag der Kutsche öffnete sich und Aaron verließ das Gefährt.
„Was schlägst du vor, Dimitri?"
Dimitri rieb sich nachdenklich über das Kinn. „...ich werde zusammen mit Jonas und Ivar zum Lager reiten und prüfen, wer dort ist und was sie wollen. Ihr solltet hier mit den Anderen warten."
Aaron nickte. „Einverstanden. Seid vorsichtig."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt