Mit hängenden Schultern, jedoch ebenso einem erleichterten Seufzen schließe ich die Tür zu ihrem Zimmer hinter mir. Ich weiß nicht, was ich noch hätte sagen sollen. Ob sie mich überhaupt versteht? Ihre Sprache kommt mir so gar nicht bekannt vor. Doch ihre Angst ist ihr ja ins Gesicht geschrieben! Verdammt! Was mache ich jetzt nur? Wie soll ich ihr helfen, wenn wir nicht reden können?
Medizin! Stimmt, ich hatte vor loszugehen. Fritzi wird auf sie Acht geben. Ein altbekanntes Gefühl überkommt mich. Soll ich wirklich gehen? Was, wenn ...? Aber warum sollten sie? Nein, Frederik. Das ist deine Vergangenheit, nicht ihre. Hoffentlich behalte ich recht und sie haben nichts damit zu tun. Zitternd setze ich mich in Bewegung, gucke mich noch einmal um. Niemand in Sicht. Reiß dich zusammen, lass dir nichts anmerken! Also auf zu Wilma, ... die leider die Nichte der Alten ist. Vielleicht habe ich ja Glück und Fritzi war dieses Mal nicht in deren Garten ...
An der nächsten Ecke – als wäre es verhext – treffe ich schon auf sie.
»Guten Tag«, grüße ich sie natürlich freundlich wie immer.
»Mmh«, kommt lediglich von ihr. Das kann alles heißen. Ihre Nichte wird es mir bestimmt in etwa dreißig Minuten sagen, ob ich mir zurecht Befürchtungen ausgemalt habe oder nicht.
Die alte Grosche bewegt sich – zu meiner Verwunderung – nun schneller. Ah ja, natürlich. Immerhin bin ich ohne Fritzi unterwegs. Sie hat wahrscheinlich Sorge, dass sie es sich gerade in ihrem Garten gemütlich macht, was mich zum Schmunzeln bringt.
Der wahre Grund allerdings lässt mich selbst wieder schnelleren Schrittes werden. Wer weiß, wie schrecklich es ihr wirklich geht. Ich will nicht noch mal Schuld an so was sein. Dieses Mal nicht! Ich kämpfe gegen meine aufkommende Übelkeit an und packe diese merkwürdigen – sich ständig heranbahnenden – Gedanken wieder weg. Das kann ich jetzt nicht gebrauchen.
Auch wenn ich grundsätzlich an meinen Glaubenssatz 'Fritzi und ich gegen den Rest' glaube und ich mein Leben hier draußen genieße – vor allem ohne die Stadt als direkte Nachbarschaft –, fällt mir jetzt gerade jeder Schritt immens schwer.
Denn mit jedem Schritt wird es anstrengender so zu tun, als wäre es ein normaler Tag. Mit jeder Bewegung nach vorne komme ich dem Stadtleben näher. Stadtleben ... Stadt und Leben. Na ja. Nicht gerade der passende Begriff für eine zerfallende Ortschaft wie diesen hier. Einen Ort, der wahrscheinlich irgendwann in Vergessenheit geraten wird, einen, um den sich niemand auch nur einen Haufen kümmert ... Zumindest nicht mehr, als es eigentlich nötig wäre. Einerseits verständlich, aber auf der anderen Seite ...
»Frederik, was treibt dich denn heute hierher?«, werde ich aus meinen Gedanken geholt und bemerke zu meinem Übel, nachdem ich mich wende, dass es genau die Person ist, zu der ich will.
»Hallo Wilma. Tatsächlich wollte ich zu dir.«
»Ach echt?« Sie inspiziert mich mit ihren großen Augen, lässt ihren Blick von oben nach unten schweifen, ich warte nur darauf, dass sie mir noch ansagt, mich wie ein abgedrehtes Model im Kreis zu präsentieren. »Scheinst doch unversehrt zu sein«, lässt sie mich ihr Ergebnis wissen.
»Ja, da hat sich deine Ausbildung schon mal gelohnt.« Hüte doch einmal deine Zunge, Frederik!, ermahne ich mich mal wieder selbst. Ihrem Blick nach zu urteilen, bin ich zu weit gegangen. Ich bin doch auch bekloppt, wo ich doch unbedingt etwas von ihr brauche.
»Verzeih Wilma, ich war in Gedanken und ...«
»Gut, dieses Mal lasse ich es so stehen. Worum geht es denn nun?« Ihre Worte passen nicht zum Klang, aber ich nehme es hin.
»Da ich nun viel Holz hacken werde, wollte ich mir vorsichtshalber Medizin besorgen. Falls ... ich mich verletze oder ... stolpere und mit dem Kopf aufstoße.« Oh bitte, lass es sie so hinnehmen.
»Aha. Falls du dich am Kopf verletzt, meinst du?« Dumm ist sie nicht ...
»Schon. Wenn ich etwas mit der Hand habe, kann ich noch herlaufen. Aber beim Kopf wird es kritischer ... oder nicht?« Ihre Augen ... durchleuchten mich. Wahrscheinlich nicht, aber so fühlt es sich an. In mir drin brodelt ein Vulkan und er ist kurz davor, seine Lava zu befreien, äußerlich bin ich so nasskalt, als wäre ich gerade aus dem Teich nebenan gesprungen. Welchen Ursprung mein Zittern hat, kann ich nicht mal sagen. Die Lava oder die Kälte?
»Gut, du hast recht. Lass uns in den Laden reingehen. Ich pack dir zusammen, was du dafür brauchst.«
Auch sie schaut sich um. Wir alle müssen bedacht sein. Nichts darf ohne Grund geschehen. Ich folge ihr in den kleinen Medizinladen, was einst Apotheke genannt wurde. Doch diese Bezeichnung wie viele weitere sind längst nicht mehr existent, genauso ihre einstigen Waren.
»Danke Wilma«, sage ich, als sie drei Mittel in meinem abgewetzten Sack verschwinden lässt.
»Das macht zehn.«
Hat sie das gerade wirklich gesagt? Zehn Paler? Von wegen, sie lässt es so stehen. Selbst schuld konntest ja mal wieder nicht deinen Mund halten. Darauf bedacht kontrolliert auszusehen, packe ich das Geld auf den – seit Jahren – improvisierten Tresen vor mir hin. Während ich ihr dabei zusehe, wie sie die Zahlen auf den Geldstücken genüsslich addiert, wird mir immer schummriger. Hauptsache sie bleibt im Glauben, dass ich es für mich besorge. Gerüchte werden schneller sein, als ich.
Sie schiebt mir meinen Sack zu, ich verlasse den Laden und bewege mich wieder Richtung Hütte. Raus aus der Stadt. Schnell zu ihr.
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Hat-Schi
Science Fiction◦𝗦𝗰𝗶𝗙𝗶/𝗗𝘆𝘀𝘁𝗼𝗽𝗶𝗲-𝗔𝗯𝗲𝗻𝘁𝗲𝘂𝗲𝗿-𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ ||1.ᴘʟᴀᴛᴢ ᴋᴀᴛᴇɢᴏʀɪᴇ ꜱᴄɪꜰɪ ʙᴇɪᴍ ʙᴏᴏᴋᴀᴡᴀʀᴅ 2024 ⁓ ɪɴꜱɢᴇꜱᴀᴍᴛ 2.ᴘʟᴀᴛᴢ|| 𝘡𝘸𝘦𝘪 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 - 𝘡𝘸𝘦𝘪 𝘎𝘦𝘴𝘤𝘩𝘪𝘤𝘩𝘵𝘦𝘯. 𝘋𝘢𝘻𝘸𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘭𝘪𝘦𝘨𝘦𝘯 𝘞𝘦𝘭𝘵𝘦𝘯. �...