29 ☾ ER

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Mit dem Gefühl, als würde mir jemand den Stil meiner Axt immer und immer wieder auf den Kopf eindreschen, komme ich zu mir.

Ich hebe meinen brummenden Schädel an und unmittelbar ziehen sich weitere Schmerzen durch meinen Körper. Vom Nacken runter über den Rücken. Und erstrecken sich nach vorne über meine Brust. Meine Beine fühlen sich eher taub an. Jetzt gerade wünsche ich mir vielmehr, dass jemand das verflixte Teil umdreht und mir einfach die Axt reinrammt, damit die wiederkehrenden Hiebe aufhören. Doch im nächsten Moment siegt wieder mein Trotz, dass ich mich ganz sicher nicht von diesen Typen brechen lassen will. Auf keinen Fall gönne ich denen das! Außerdem will ich Fia in Sicherheit wissen. Wo sind die eigentlich gerade? Geräusche kann ich keine ausmachen. Somit öffne ich meine Augen einen Spalt und tatsächlich sehe ich keinen der drei Deppen. Ziemlich wahrscheinlich haben wir schon den nächsten Tag, so hell wie es ist oder ich war nur wenige Minuten weg. Aber dagegen spricht deren Abwesenheit.

Zum ersten Mal inspiziere ich diesen Raum genauer. Oder was auch immer es ist beziehungsweise darstellen soll. Ist ja typisch, dass nur die sich so etwas leisten können und der Rest von uns verrotten muss. Wir müssen mit unzureichender Medizin, viel zu wenigen Lebensmitteln und Verzicht von so vielem über die Runden kommen, während sie sich alles nehmen können, was sie wollen.

Leicht schräg vor mir steht ein Tisch mit Essensresten und Getränken, die mich einfach nur anwidern bei diesen Gedanken. Unser eins hat teilweise nicht mal so viel für seine ganze Familie, was da an übrig Gebliebenen rumliegt. 

Meine Augen schwirren weiter zu den Wänden. Zu meiner Linken hängen an irgendwelchen Vorrichtungen trichterförmige Behältnisse mit Schläuchen dran, welche zu weiteren Gerätschaften führen. Was machen die hier? Die Wand mir gegenüber beherbergt eine Menge an einer Art Stäben, die ich nicht näher einordnen kann. Und überall sind lauter Kabel und Geräte und Schläuche. Hektisch gucke ich an mir herunter. Da ist nichts. Erleichtert puste ich aus. War ich gestern noch zu benebelt, dass ich das alles nicht mitbekommen habe? Andererseits ... habe ich es vielleicht auch ein wenig übertrieben bei meinen Kontern der Sektion gegenüber. Das gleicht hier auf jeden Fall mehr einem Labor als irgendetwas anderem.

Von einem Experiment haben sie gesprochen. Das würde passen. Hat das etwas mit Fia und ihrer Sprache zu tun? Aber warum ausgerechnet sie? Ich habe sie vorher noch nie gesehen. Sie muss von einem anderen Kontinent stammen. Vielleicht deswegen? Überquerungen sind nicht oft, aber möglich. Jedoch als so junges Mädchen? Stimmen! Ich kann welche hören, sie kommen von rechts, wo die Tür ist. Sie kommen wohl wieder.

Da mir nichts Besseres in den Sinn kommt, schließe ich schnell wieder meine Augen und lasse meinen Kopf nach vorne fallen. Metallene Geräusche. Wahrscheinlich wird gerade ein Schlüssel ins Schloss geschoben und im nächsten Moment gedreht. Ich fokussiere mich auf meinen Atem und beschwöre mich: Bleib ruhig und atme gleichmäßig, verhalte dich bloß nicht verräterisch.

Einige Momente später stehen sie wohl alle drei im Labor drin. Durch das Pochen ist es mir erst einmal unmöglich, ihre Stimmen zu sortieren. Bisher hörte ich nur 'Mond-Mädchen', womit, denke ich mal, Fia gemeint ist und dass sie fliehen konnte. Innerlich jubele ich und muss mich anstrengen, regungslos zu bleiben. Noch kurz aushalten. Allmählich nimmt das Pochen wieder ab, was mir das Zuhören leichter macht.

»... in etwas. Und nun, Boss?«

»Suchen wir sie dennoch weiter, du Schwachkopf.«

»Okay.«

»Mensch Michel, musst du immer so zu Basti sein?« Michel. Das ist ja interessant. Der Anführer könnte also mit unserer Verräterin verwandt sein. 

»Sag mal, gehts noch, Ken?« Aha, und dieser stellt eine Verbindung zu Kev dar. Was einem so alles entgeht. »Bleibt beide Mal bei der Sache.«

»Gut. Wie willst du sie finden, Boss?«

»Dazu kommen wir noch. Später.«

»Und was machen wir mit ihm?« Damit bin wohl ich gemeint. Oder Basti, der arme faule Idiot, wird nun außen vor gelassen.

»Erst einmal schmoren lassen. Dann kommt er vielleicht an ein paar der Geräte. Wenn er schon mal hier ist, können wir doch ein paar Tests vertiefen.« Klingt wirklich verlockend. Nicht. Ich würde gerne verzichten.

»Auch die gleichen wie bei dem Mond-Mädchen?«

»Warum nicht?! Also außer die bestimmten Experimente müssten sie auch bei ihm klappen. Die Sachen dazu liegen hier irgendwo rum.« Es überzeugt mich immer noch nicht. Die Unterlagen dazu nehme ich gerne mit! Danke. »Aber das Mond-Mädchen hat erst einmal Priorität, verstanden?«, setzt Michel noch mit Nachdruck nach.

»Ja, verstanden. Um das Experiment zu vollenden.«

»Richtig. Das ist sonst zu riskant, dass sie sich erinnert und dann war alles ...«

»... für die Katz. Und wie willst du sie nun finden?«

»Mit der Zeit oder ...« Was oder? Apfelkacke, nun fangen sie an zu tuscheln. Wissen sie, dass ich lausche? Dennoch bleibe ich eisern.

Das Gespräch versiegt auf einmal gänzlich. Wieder höre ich Schritte, dieses Mal zur Tür hin, wieder das metallene Geräusch und dann scheinen sie weg zu sein.

Sie werden sie über jeden möglichen Weg suchen. Und bestimmt auch irgendwann finden. Das muss ich verhindern. Und es gibt Hoffnung für ihre Sprache und für ihre Erinnerungen. Eine gute Nachricht.

Aber erst einmal muss ich hier irgendwie rauskommen. Nur wie? Schon wieder versuche ich mich zu befreien, indem ich an den Fixierungen ziehe. Das wird nichts.

»Brauchst du Hilfe?«, fragt jemand auf einmal und erschrickt mich damit völlig. Diese Stimme ist voll mit Hass. 

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