55 ☾ ER

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»Danke Kara«, gebe ich hustend von mir. »Woher wusstest du, ... wo ich bin?«

»Denkst du allen Ernstes, dass ich nicht die wichtigen Dinge verfolge?« Sie schnauft auf. Ist sie empört?

»Keine Ahnung, was ... ah ... ich denken soll.«

»Ich schreite nur nicht bei jedem Scheiß ein. Ich wusste zu jeder Sekunde, wo du warst. Aber ich kann dir doch nicht immer deinen Arsch retten«, lässt sie mich wissen. Dass mich das eher beruhigt, sollte mir eventuell zu denken geben.

»Na, dann vielen Dank«, gebe ich mühevoll von mir.

»Will ich doch hoffen und lass es das letzte Mal gewesen sein.« Ihr Blick schweift umher. »Ich hab auch noch andere Dinge zu tun.« Ihr Augen kommen wieder bei mir an.

»Ist ja gut. Ich ... habe es verstanden. Ausgesucht ... hmm ... habe ich mir das ja nicht.« Die Schmerzen nehmen zwar ab, aber die Schläge und Tritte haben dennoch ihre Folgen.

»Das ist mir klar. Und nur zu deiner Info. Sie werden denken, dass du das hier warst.«

»Oookay ...« Ich und die zwei Männer erschossen?! Ist das realistisch? Aber sie werden eh nur das glauben, was sie glauben wollen. Und sie bleibt ja hier, also ...

Jeu kommt auf uns zu. Doch anstatt zu mir oder Kara zu gehen, hockt sie sich zu Fritzi, die sich nicht unweit von mir hingelegt hat. Jeu streichelt ihr über das Fell.

»Ihr solltet schnellstmöglich verschwinden. Wer weiß, wann die Nächsten kommen.« Mein Blick huscht wieder zu ihr.

»Vermutlich hast du recht. Wir werden nicht immer so ein Glück haben.«

»Ich hau jetzt ab.« Damit dreht sie sich und geht auf ihr Pferd zu. Sie schwingt sich gekonnt auf das Tier und stößt mit den Füßen leicht in die Seiten. Mit meinen Lippen forme ich ein 'Danke', als sie sich noch einmal zu uns umdreht, was sie mit einer abwinkenden Geste abtut. Dann reitet sie auf und davon.

Ein Zeichen. Wir sollten auch. So schnell wie möglich. Leichter gesagt als getan. Aber ich muss es versuchen. Für sie.

»Jeu. Wir müssen«, wende ich mich nun an sie.

»Du kannst nicht.«

»Doch natürlich. Ich komme klar. Los, komm schon.«

»Du brauchst Hilfe!«, schreit sie mich schon fast an.

»Jeu. Nein. Das wird schon wieder. Es sieht schlimmer aus, als es ist«, will ich sie beruhigen.

»Sicher?«

»Ja. Außerdem woher soll ich Hilfe nehmen?« Ein Fakt.

»Also nicht sicher.«

Wie ich diese Situationen liebe. Sie wirkt so oft so erwachsen, aber in diesen Momenten kommt das Kind oder die Jugendliche der Jeu eindeutig hervor.

»So oder so. Wir müssen.« Ich puste angestrengt aus. »Um unserer Willen.«

»In Ordnung, aber wir müssen noch ein gutes Stück laufen.«

»Ich dachte, du weißt nicht, wie lang?«

»Dem ist auch so. Aber ich weiß, wie es aussieht und es ist dem hier nicht ähnlich.« Ihr Blick durchbohrt mich. Ich fühle mich zurückversetzt in die Situation mit Wilma, als ich die Medikamente von ihr holte. Es kommt mir vor, als wäre es Ewigkeiten her. Doch es sind gerade mal ein paar Tage. Um genau zu sein, ist es erst sechs Tage her. Jeu scannt mich ab. Wir haben aber keine Wahl. Wir hätten direkt losgehen sollen, als Kara auch abgezogen ist. Wir dürfen nicht verweilen.

»Wir sollten jetzt wirklich. Um möglichen weiteren Gefahren aus dem Weg zu gehen, sollten wir auch nach alternativen Pfaden Ausschau halten.« Ich halte meine Hand hoch, weil ich schon erkennen kann, dass sie wieder etwas dagegen sagen möchte. »Auch wenn es dann länger dauert. Hauptsache, wir kommen an oder?«, frage ich sie.

»Ja«, äußert sie nun noch das Einzige resigniert. Immerhin sieht sie es ein.

Sie schreitet voran, Fritzi springt auf und ich folge ihr wieder. Nicht ohne mich noch einmal im Kreis zu drehen und die Gegend abzuchecken. In Moment ist zumindest niemand anderes auszumachen. Ich hoffe, das bleibt zunächst so. Bei den ersten Schritten zieht es mich fast von den Füßen. Meine Rippen schmerzen fürchterlich. Ich presse meine Lippen fest aufeinander, denn ich möchte Jeu nicht noch mehr Gründe bieten, doch erst einmal eine Rast einzulegen. Somit halte ich mich hinter ihr, was nicht weiter auffällt, da wir vorher auch eher hintereinander gelaufen sind. Das ermöglicht mir, mich selbst mit meinen Händen zu stabilisieren und Druck auf die Stellen auszuüben. Durchhalten ist jetzt angesagt. Eine meiner leichtesten Übungen ... Innerlich verdrehe ich meine Augen. 

Immer weiter entfernen wir uns den zwei Männern, die dort auf dem Boden liegen und irgendwann mit Sicherheit gesucht und gefunden werden. Mit der größer werdenden Distanz fühle ich mich sicherer. Doch viel wichtiger: Weiß ich sie mehr und mehr in Sicherheit. 

Hat-SchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt